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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.09.1929
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- 1929-09-28
- Erscheinungsdatum
- 28.09.1929
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sX- 228,28. September 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. und ein drittes und letztes Jahr zu gewähren. Wer eine höhere Gewalt wollte es ayders. Mit freimütiger Offenheit hat Milkau kein Hehl daraus gemacht, daß er diese Wendung nicht erwartet habe. In dem wun dervollen Nachruf, den er im Jahre l910, also anderthalb Jahrzehnte vorher, seinem kongenialen französischen Kollegen Leopold Dclisle widmete, hat er mit der Schilderung von dessen Schicksal in mancher Hinsicht sein eigenes voraus gezeichnet und dabei selten schöne Worte des Mitgefühls für die Empfindungen eines Mannes gefunden, der sich trotz größter Verdienste vor zeitig seinem Wirkungskreis entzogen fühlt. Aber Milka» hätte nicht er selbst sein müssen, wenn er über dieser Entwicklung der Dinge auch nur einen Augenblick sein seelisches Gleichgewicht verloren hätte. Dazu kam, daß inzwi schen der Herr Minister, um Milkau selbst sprechen zu lassen, »einen ehrenvollen Weg gefunden hatte, ihn dauernd mit den Bibliotheken zu verbinden«. Diesen hatte ja von jeher seine ganze Liebe gegolten, und ihretwegen hatte er wieder holt andere lockende Angebote ausgcschlagen. Man ernannte ihn zum Ehrenmitglied des Preußischen Beirats für Bibliothcksange- lcgenhcitcn und gleichzeitig zum ordentlichen Honorarprofessor an der Universität Berlin mit einem Lehrauftrag für Biblio thekswissenschaft. War das erste mehr eine Ehrenbezeigung, so bedeutete das zweite eine neue und große Aufgabe, die bei der Gründlichkeit, mit der er an solche Dinge hcranzutretcn pflegt, für ihn viel Arbeit und Mühe in sich schloß. Mit dem Lehramt obliegt ihm auch die Ausbildung des bibliothekarischen Nachwuchses, eine Aufgabe, für die er wie kein anderer ge schaffen ist. Darüber hinaus besaß er Mut genug, noch eine weitere große Arbeit in die Hand zu nehmen. Sie hatte ihm schon lange am Herzen gelegen, aber die Pflichten des Dienstes hatten ihm bisher keine Zeit gelassen, ihr nähcrzutrcten. Es handelt sich um die Schaffung eines grundlegenden -Handbuchs der Bibliotheks wissenschaft«, eines mehrbändigen Kompendiums, das er mit einem Stabe von hervorragenden Fachgelehrten bearbeitet und dessen erster, mit Spannung erwarteter Band in kurzem erschei nen wird. Auch für diese Aufgabe konnte man gewiß keinen ge eigneteren Sachwalter finden. So hat der emeritierte General direktor in seinem angeblichen »Ruhestand- für absehbare Zeit alle Hände voll zu tun, fast noch mehr als ehedem im »Dienst«; und damit wäre für ihn jedenfalls eine der ersten und wichtigsten Vorbedingungen für sein Wohlbefinden und sein Glück gegeben. Aus i>cm bisher Gesagten geht bereits hervor, daß wir cs bei Milkan mit einer ausgeprägten Persönlichkeit zu tun haben. Von dem Persönlichen geht vielleicht die stärkste Wirkung aus, die er auf seine Umgebung und seine Mitwelt ausgeübt hat und ausübt. Schon seine äußere Erscheinung, die hochgewachscne, imposante Gestalt mit dem männlich schönen, energischen Kopf und dem ernsten und zugleich so gütigen Blick, das gepflegte Äußere, sein vornehm schlichtes, natürliches Wesen flößen allgemein Respekt und Bewunderung ein. Das ist ein anderer Bibliothckartyp als jener des weltfremden Gelehrten, wie er in der herkömmlichen Meinung unserer Mitbürger lebt und wie ihn Spitzwcg mit seinem Humor verewigt hat. Milkau hätte, wie einmal jemand treffend bemerkte, ebensogut einen hohen preußi schen Offizier, den Präsidenten einer großen Körperschaft oder einen königlichen Kaufmann dargcstellt. Wie oft hörte ich in den Jahren, Ivo ich das Glück hatte, in seinem Stabe zu arbeiten, von gesetzten Männern, die von einer Unterredung mit ihm kamen, das bekannte Wort Napoleons: VottL cm komme! Und die Frauen schwärmten von ihm. Seine Persönlichkeit, verbunden mit einem echt ritterlichen Wesen, scheint auf sie z» allen Zeiten einen Zauber ausgestrahll zu haben. Das reicht bis in die Jugend zurück. Während seiner Lehramtsjahre wurden ihm Anstellungen an Höheren Mädchenschulen wiederholt aus dem einfachen Grunde versagt, weil die Leiterinnen für die Herzen ihrer Zöglinge fürchteten. Auch äußere Vorzüge können für ihre Träger gelegentlich Unbequemlichkeiten mit sich bringen. Uns jüngeren Bibliothekaren galt Milkau stets als die Per sonifikation altpreußischen Beamtentums. Mit dem Glockcn- schlag 9 saß er morgens an dem Schreibtisch seines riesigen Direktorenzimmers und regierte. Dann lösten sich Besprechun gen, Besuche, Telephongespräche, Besichtigungen und andere Dienstgeschäfte in buntem Wechsel und fast ohne Unterbrechung bis zum Nachmittag ab. Und führte uns gelegentlich am Abend oder zur beginnenden Nacht der Weg an seinem Hause vorbei, stets war das Fenster neben seinem Schreibtisch erleuchtet. Dann saß er über Akten, korrigierte Briefentwürfe oder verfaßte Be richte. Milkaus Berichte waren allemal Meisterwerke, die ihm, ebenso wie seine Aufsätze und Schriften so leicht niemand nach macht. Und worin besteht letzten Endes ihr Geheimnis? Würde ihn jemand danach fragen, er würde vermutlich dieselbe Ant wort erhalten, die einst Hindenburg auf eine ähnliche Frage gab: die Anwendung des gesunden Menschenverstandes auf den speziellen Fall. Leider ist diese an sich so selbstverständlich er scheinende Eigenschaft in Wirklichkeit so selten unter den Men schen vertreten. So war Milkau uns nicht nur Vorgesetzter, son dern gleichzeitig idealer Lehrmeister. Sein Fleiß, sein Pflichtbe wusstsein, sein Verantwortungsgefühl waren Vorbilder, denen wir zu guten Zeiten nachstrebten, ohne sic zu erreichen. Und wenn wir später, auf eigene Füße gestellt, vor wichtigen Entscheidun gen standen, dann hat uns die Erwägung: Wie würde in diesem Falle Milkau handeln? nicht selten den richtigen Weg gewiesen. Über seiner Arbeit vergaß Milkau nicht den Blick in die Welt. Aus seinem Dicnstzimmcr, mitten im Herzen Berlins, Pflegte er zwischen den Amtsgcschäften von Zeit zu Zeit besinnlich hinab zuschauen auf das Wogen und Treiben des Verkehrs, auf die Fülle und Buntheit des abendlichen Lichterglanzes, beobachtete den Arbeitsrhythmus der Weltstadt und horchte ans den Puls schlag der neuen Zeit. Selbst in starker Bedrängnis ivußte er täglich ein halbes Stündchen zu erübrigen, um diesen oder jenen Abschnitt aus einem wissenschaftlichen oder schöngeistigen Buch zu lesen, eine ihn interessierende Neuerscheinung sich anzu- schen, abwesenden Freunden einen seiner wundervollen Briefe zu schreiben oder gelegentlich auch einige seiner Berliner Be kannten um sich zu versammeln. Das Kapitel »Freundschaft« ist in dem Lcbcnsbuche Milkaus vielleicht das schönste. In einer, fast möchte man sagen, altgermanischcn Treue hält er an denen fest, die er einmal in sein Herz geschlossen hat, nimmt er an ihrem Wohl und Wehe, an den großen und kleinen Ereignissen ihres Lebens durch Jahre und Jahrzehnte Anteil. Und nicht ver einzelt ist der Fall, daß er eine solche Freundschaft auch auf die nachfolgende Generation überträgt, auf Söhne und Töchter, ja ans Enkel und Enkelinnen. Seinen Freunden und Mitmenschen zu helfen, sie glücklich zu machen, das ist ihm aufrichtiges Be dürfnis. Und wenn er von t>cr Freude, die er sein Leben hin durch mit vollen Händen ausgespendct hat, nur die Hälfte zurück erhält, dann ist er gewiß der glücklichste Mensch der Welt. Dieses Glück aber möchte ich ihm zu seinem 70. Geburtstag von Herzen wünschen! Nachdem ich von dem Leben und der Person meines hoch verehrten Lehrers nun mancherlei ausgeplaudert habe, dessent wegen er mich sowieso schelten wird, kommt es mir nicht mehr darauf an, noch eine weitere Indiskretion zu begehen. Mit einer eigenen Ökonomie, die von Rechts wegen nicht statt haft sein sollte, hat Milkau auf seinen Geburtstag auch seinen Hochzeitstag gelegt. Und so trifft es sich, daß er just heute auch seine silberne Hochzeit feiert, ein Ereignis, das an sich durchaus Anspruch auf eine eigene Feier hätte. Aber man muß die Feste feiern, wie sie fallen, und so bleibt mir nichts übrig, als auch dieses Ereignis als Anlaß für meine Wünsche zu nchnicn, sie also zu verdoppeln und seine liebe, treue Lebensgefährtin, die natürlich an allem, was ihren Gatten betrifft, den innigsten Anteil hat, ausdrücklich mit einzuschließen. 1047
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