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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1935
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1935-11-30
- Erscheinungsdatum
- 30.11.1935
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- Deutsch
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X: 278, 30. November lS35. Redaktioneller Teil. Die meisten Antworten sind, wie es vom Veranstalter auch gedacht war, nur einige kurze knappe, deshalb um so aufrichtigere Sätze. Wer die Antwortblätter in die Hand nimmt, hält oft nach denkend still, gefesselt von einem Leben, das oft in den wenigen Worten steckt; wenn so z. B. eine Mutter schreibt, daß sie das Buch gesucht habe, weil der Krieg sie einsam gemacht hat, oder wenn ein Mann, dessen Schrift schon zittrig auf dem Papier steht, berichtet, daß Bücher das einzige seien, was ihm im langen Leben geblieben ist. Wieviel Enttäuschung must über ein Menschenleben hingegangcn sein, wenn es heißt »weil ich Menschen nicht mehr glauben konnte«, oder »ein Buch hat mich nie betrogen«. Aber das ist es nicht allein, das schönste ist die Gewißheit der großen Ge meinschaft eines ganzen Volkes: da antworten Jungen und Mädel, die noch mit ungelenker Hand ihre Buchstaben malen, so ein dringlich, daß man glaubt, die kleinen Menschen über ihrem Fra- gcnblatt sitzen zu sehen, da schreibt ein Hitlerjnnge, daß man »rechte Kerle und gute Kameraden im Buch sinket« oder eine BdM.-Führerin »meine Mädel wollen immer etwas wissen und lernen-, ein kleines Mädel schreibt, daß es die ersten Sparpfennige für ein Bilderbuch verwendet hätte, ein anderer Junge kurz und bündig »durch meinen Vater«. Es ist kein Lebensalter, das nicht vertreten wäre in den mehr als zehntausend Antworten, kein Stand und Beruf; da sind Schul kinder, Hitlerjungcn, SA-Männer, Arbeitsmänner, Rekruten, Männer und Frauen, die im Berufsleben stehen, Großmütter und Großväter, die jetzt ihren Enkeln erzählen aus der Welt der Bücher. Der Landjahrjunge steht neben dem Lehrling aus der Fabrik oder aus dem Dorf, dem Gehilfen, dem Gesellen und dem Meister, der Student neben dem Dozenten und Professor, der Rekrut neben dem Hauptmann und dem General, das Lehrmädel, die Stenotypistin neben der Hausfrau (viele tausend Zuschriften allein sind von Müttern und Hausfrauen eingesandt worden), neben der Lehrerin, die Jugendführerin neben der Postbeamtin, die Bäuerin neben der Ehefrau des Großindustriellen. Verleger I. F. Lehmann. / Ein Julius Lehmann hat öfter den Wunsch ausgesprochen, seine Frau, die an feiner Verlegerarbeit so lebhaft teilnahm, möchte ihm auch einmal ein Buch schreiben. Er hat die Erfüllung des Wunsches nicht erlebt. Nunmehr hat die Gattin ihm ein in seiner Schlichtheit herrliches und lebensprühendes Denkmal gesetzt, an dem seine Be rufsgenossen nicht teilnahmlos Vorbeigehen können, das aber auch das Herz jedes deutschen Mannes, jeder deutschen Krau ergreifen muh. Das Lebensbild umfaßt nur achtzig Seiten, ist also kurz und knapp gehalten und konnte so sein, da es von fast zweihundert Seiten Briefen gefolgt ist, die Lehmann an die verschiedensten Menschen gerichtet hat: an seine Familie, an seine Mitarbeiter, an Autoren, an Minister, an Hindenburg »sw. Wer sich an dem Buche erbauen will, muß beide Teile lesen — und wird es mit Freude tun. Der Titel ist gut gewählt und entspricht dem Inhalt des Buches. Lehmann war mit Leib und Seele Verleger und einer von hohem Range. Ursprünglich medizinischer Verleger, der sich bald Weltruf errang, wurde er durch seine tief innerste Teilnahme sür alles Deutsche, für die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zustände wie die der Religion und des Volkstums auf diese weiten Gebiete in ihre» mannigfachsten Formen geführt, und überall stand sein persönlicher Wille davor und dahinter. Ich brauche au dieser Stelle vor Fach leuten keine Beispiele seiner Verlagstätigkeit aufzuzählen. Selbst verständlich erlebte auch er manchen verlegerischen Mißerfolg, aber das drückte ihn nie nieder, nie verlor er darüber den Mut oder die Tatkraft, nie scheute er vor großen Opfern zurück, wenn die gute Sache es ihm zu verlangen schien. So gut er zu rechnen verstand, und wußte, daß das Rechnen über dem idealen Streben nicht ver gessen werden dars, so bereit war er, sehr große Opfer zu bringen und für die höchsten vaterländischen und sittlichen Ziele alles, wirk lich altes einznsetzen. Das blieb auch so, als er sich wackerer, ver- Verleger I. F. Lehmann. Ei» Leben im Kamps sür Deutsch land. Lebensbild und Briefe, herausgegeben von Melanie Lehmann. Mit 12 Abbildungen. Gehestet RM S.M. Lwb. RM S.-. <J. F. Leh manns Verlag, München.) Was brachte die Menschen zum Buch? Die Einsamkeit, die Sehnsucht aller Deutschen nach der Ferne, das Märchencrzählcn der Mutter, Kameraden und Freunde, der Drang nach Fortbil dung, die große Umwälzung des deutschen Volkes, oft ein kleines, zuerst unwichtig erscheinendes Ereignis, die Lehrer, der Lehrherr. Ein 74jähriger Landschaftsgärtner schreibt: »ein Herr meiner Kundschaft sagte mir, ich sollte mich doch wcitcrbilden, man könnte allerlei aus Büchern lernen. Geld hatte ich keines, da ging ich in die Bibliothek, aber das ist lange her, doch er hatte recht«, ein 54jähriger SA-Mann bekennt froh, daß Hitlers Buch sein erstes Buch gewesen sei, das er gelesen habe, aber cs hätte ihn nie niehr losgelassen. Ein Angestellter: »ich kam zum Buch, wie man zu einem Lehrmeister kommt, man sucht ihn, wie man zu einem Weg gefährten kommt, man begegnet ihm, wie man zu einem Freund kommt, eine glückliche Stunde schenkt ihn«, eine 22jährige Kon toristin: »das Buch öffnete mir die Augen für die kleinen Freuden des Lebens»; eine Schülerin: »plötzlich lag im Buch vor mir eine neue bunte Welt, so reich und immer jung»; eine Verkäuferin: »in meiner kurzen Freizeit brauchte ich etwas, da fand ich das Buch«. Oft war ein geschenktes Buch der Anfang für eine spätere kleine Bibliothek, ein geliehenes Buch für eine sonst nutzlos vertane Stunde Beginn des Lesens, ein fast 80jährigcr berichtet vom ersten Märchenbuch, das heute noch in seinem Bücherschrank steht, andere brachte Krankheit zum Buch: »als ich nach kurzer Ehe mein Gehör verlor«.., »als ich wochenlang krank lag», »als ich nie mand mehr hatte«. So könnte man noch lange fortfahren, viele tausend Beispiele anführen. Wie richtig die beiden Fragen des Preisausschreibens waren, das beweisen eben die Antworten, das beweist die Beteiligung, die täglich noch stärker wird. Ob es nun kurze, oft sehr nette Verse sind, oder nur ein Satz, in dem mehr ist als in langen Abhandlungen, alle aber lassen einen Blick tun in das Herz des deutschen Volkes. Ist es da nicht schön, Buchhändler zu sein? —er. Leben im Kampf für Deutschland ständnisvoller Teilhaber erfreuen durfte, unter denen leider der ge liebte einzige Sohn, in jugendlichen Jahren für das Vaterland ge fallen, fehlt. In seinen Briefen spiegelt sich die hohe Auffassung wider, in der er seinen Beruf auszufüllen bestrebt mar. So sehr diese Tätigkeit Herz, Sinn und Kraft beanspruchte, ging er in ihr nicht auf. Es sorgt sich mancher um das deutsche Vater land, um deutsches Volkstum, um die Behauptung evangelischen Glaubens und tut auch seine Pflicht, wenn er gerufen wird, ihm aber war es natürlich und gegeben, seine Kraft und Erfahrung überall da einzusetzen, wo Not am Mann war. Und wenn er etwas anfaßte, so war er, der tief in der Berufsarbeit stak, meist derjenige, Ver nicht nur mit Rat, sondern auch mit der Tat ansaßte und mit großen Opfern an Zeit und Geld förderte. Gerade als im Weltkrieg ihn seine Teilhaber verließen, und auf ihm allein die nötige Um- und Einstellung des Verlages und die Durchführung ganz neuer Pläne ruhte, war er unausgesetzt bemüht, seinen lieben Deutschen die Not wendigkeit des Durchhaltens einzuhämmern und, rücksichtslos gegen seine Gegner und seine persönliche Gefahr, Fehler der Negierung zu bekämpfen. Nicht weniger als acht Haussuchungen hat der unbequeme Mahner bei seinem immer erneuten Kampf mit der Zensur, einem zeitweilig notwendigen, aber stets gefährlichen Übel, und mit dem Reichskanzler von Bethmann-Hollweg in der Zeit des Weltkrieges erlebt! Trotz allen Ernstes der Sache ist die Geschichte des auch mit odysseischer List von seiner Seite geführten Handels höchst ergötzlich zu lesen. Das erschütternde Ende des Weltkrieges konnte seine Tatkraft nicht erdrücken. Er hatte alsbald den Kopf voll neuer Verlagspläne, er wollte Arbeit schaffen. »Nun heißt es, in stiller, ernster Arbeit frisch anfangen, den inneren Menschen veredeln und aufrichlen und dann mit diesem Menschen wieder eine neue Nation bauen«. Aber zu stiller Arbeit gab man ihm nur — im Gefängnis zweimal Ge legenheit. Zuerst Weihnachten 1018 bis Neujahr, weil er Waffen der Bllrgerwehr, angeblich widerrechtlich, in seinem Hause auf bewahrt hatte. Nach Eisners Ermordung überstürzen sich die Er eignisse in München. Lehmanns Name steht als erster auf der Pro skriptionsliste, er wird unter den Geiseln verhaftet. Nach vierzehn Tagen entlassen, entgeht er einer zweiten Verhaftung und dem 1025
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