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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.05.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-05-17
- Erscheinungsdatum
- 17.05.1930
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- Deutsch
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X- 113, 17. Mai 1930. Kantate-Nummer Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. 11 Als ich voriges Jahr las, das; in der Bücherei die gesamte deutschsprachige Literatur der ganzen Welt gesammelt wird, war ich sehr neugierig zu wissen, was es für Abteilungen gibt, in denen die im Ausland erschienenen Bücher für die Bücherei angewvrben würden. Darum freute ich mich, in die Anslandwerbnng zu kommen, und mit großem Interesse sah ich mir die Arbeit hier an. Ich konnte mir nicht vorstellen, was ich dort tun sollte und dachte mir, es wären englische Briefe zu schreiben. Ich wurde aber sehr an genehm enttäuscht. Zuerst bekam ich einen Überblick über die deutsch sprachige Literatur des Auslandes und ihre Verbreitung. Dabei sah ich zum ersten Mal, das; es auch in den Vereinigten Staaten recht viele deutsche Zeitschriften, Zeitungen und Bücher gibt. Man muß immer sehr ans dem Quivive sein, um alle netten Titel zu bekommen: denn brauchbare Bibliographien gibt cs lange nicht für sämtliche aus ländischen Staaten. Viele Bibliographien, so auch die amerikanischen, führen die deutschen Titel nicht ans; andere bringen sie in ihrer Sprache. Ich fing meine Arbeit damit an, eine solche Bibliographie dnrchznsehcn: es war die finnische. So wurde ich bekannt mit der Durchsicht von Bibliographien in fremden Sprachen. Auch war es interessant zu sehen, das; die schwierigste Aufgabe der Ansland- werbnng darin besteht, jede Stelle nach ihrer Art und Nationalität individuell zu behandeln. Die Benutzer der Deutschen Bücherei finde ich wohl erzogen und sehr genügsam, das; sie sich damit bescheiden, im allgemeinen erst nach zwei Stunden die bestellten Bücher zu erhalten. Sicher lich würde kein Benutzer einer amerikanischen Bibliothek sich mit einer solchen Erledigung zufrieden geben. Als ich diese Bedenken meinen deutschen Kollegen und Kolleginnen äußerte, waren sie wegen dieser meiner Ansprüche sehr erstaunt. Sie erwiderten mir, das; die Deutsche Bücherei von allen deutschen Bibliotheken noch am raschesten die Bücherbestelluugen erledige, indem sic viermal am Tage in Friste» von zwei Stunden die Bücher zur Verfügung stelle; in den übrigen Bibliotheken würden die Bestellungen meist nur ein mal am Tage ansgesührt, und an stark benutzten Bibliotheken komme cs nicht selten vor, das; 24 Stunden nach Einwurf der Bestellzettel erst ein Teil derselben erledigt sei. Da war ich nun wieder er staunt; denn so etwas wäre in Amerika gänzlich unmöglich, eine so langsame Erledigung würde sich kein Amerikaner gefallen lassen. In der großen llevv Voilc Dublio Library bekommt man das Buch 8 Minuten nach der Bestellung. Selbst die Zweistnndenfristen der Deutschen Bücherei würden einem Amerikaner nicht genügen. Ich weiß sehr wohl, daß die Schuld meist an dem Mangel an Personal liegt. Durch die Einstellung einiger weiterer Kräfte bei der Deut schen Bücherei würde es vielleicht möglich sein, den Signierdienst und den Magazindicnst auch in den Abendstunden einznrichten und so die zweistündige Erledigung, die jetzt bis 5 Uhr nachmittags viermal stattfindet, auch für die Zeit nach 5 Uhr bcizubehaltcn. Und würde man dann noch ein paar weitere Kräfte einstcllen, so würde mau wohl auch die Zweistuudeusristeu verkürzen können und sich so mehr und mehr den amerikanischen Verhältnissen angleichen, was sicher viele Leser, namentlich jene, die amerikanische Verhält nisse kennen, begrüßen würden. Aber ich befürchte, das; das in nächster Zeit nicht möglich sein wird, da ich bei der Deutschen Bücherei wie bei den anderen deutschen Bibliotheken immer wieder von den großen Schwierigkeiten gehört habe, die jeder Erhöhung der Haushaltmittel im Wege stehen. Meines Wissens einzig dastehend ist die Abteilung der künst lerischen Drucke, in der die schön gedruckten Bücher ausgestellt wer de». Ich halte cs für eine sehr gute Idee, auch die schönen Drucke der Neuzeit zusammenznbringen und nicht nur die Schriften aus vergangenen Jahrhunderten ansznstellen, wie man es wohl in den älteren Bibliotheken des öfteren findet. Auch das Anlegen von Sonderkatalogen, wie Drucker-, Pressen-, Künstlerkatalog, erweist sich als sehr vorteilhaft. Ich gehe auch gern in den Großen Lese saal, ivo eine ruhige Atmosphäre das Studium begünstigt. Die Anordnung der Tische ist ganz besonders praktisch. In Amerika sitzt man sich gewöhnlich beim Arbeiten gegenüber, was oft un angenehm und hindernd ist. Hier hat jeder Benutzer seinen eignen Platz und seine eigne Lampe, die er eiuschalteu kann, wann er will. Im ganzen muß ich sagen, das; mir manches hier besser ge fallen hat und manches in den Vereinigten Staaten. Was mir bei uns viel besser gefällt, ist unter auderm die Ausbildung der amerikanischen Bibliothekare. Es gibt drei Arten der Ausbildung, die alle gleichmäßig anerkannt werden. Der Stellung einer Hilss- sekrctärin entspricht eine »ckunior ^.ssiZtant«. Um diese Stellung zu erlangen, muß die Betreffende das Abitur gemacht haben; dann folgen zwei Jahre Praktikantentätigkeit an einer Bibliothek. An fangs bekommt sie ein verhältnismäßig kleines Gehalt, wenn sie aber neben ihrer Arbeit studiert, so steigt es von Jahr zu Jahr. Die zweite Art der Ausbildung erfordert vier Jahre: zwei Jahre eigentliches 6oIIv§6-Studium und zwei Jahre Spezialausbildung für Bibliothekswesen mit praktischer Arbeit in verschiedenen Biblio thekeu. In letzter Zeit gibt cs noch folgende Möglichkeit. Man absolviert das EolleZe und tritt dann in eine »Orackuate 8<Lool« für Bibliothekswissenschaft ein; dies letztere Studium dauert nur ein Jahr. Im allgemeinen ist cs an allen Bibliotheken verschieden; man kann sich aber seine Ausbildung auch auf eigene Hand er werbe». Der Unterschied zwischen dem wissenschaftlichen und mitt leren Dienst ist nicht so scharf wie in Deutschland. Es besteht die Möglichkeit für jeden Beamten, znm Leiter einer Bibliothek aus zusteigen. Ebensowenig besteht ein Unterschied zwischen wissenschaft lichen und Volksbibliotheken. Unsere Dnblio Libraries sind fast dasselbe wie die Landes- und Universitätsbibliotheken in Deutsch land. Wir verleihen aber anch Unterhaltungsliteratur. Die ameri kanischen Universitätsbibliotheken dürfen nur von den Studenten und Professoren der betreffenden Universität benutzt werden. Sie sind also Privatbibliotheken der einzelnen Universitäten. Die lVleriiam Dibrar^ in Framingham, an der ich arbeite, ist eine typische amerikanische Dublio Library. Die Aufgabe dieser Bibliothek ist es, dem gesamten Publikum, ohne Rücksicht aus den Bildungsstand, zu dienen. Aus diesem Grunde ist die Arbeit sehr abwechslungsreich und interessant. Eine der wertvollsten Abteilungen unserer öffent lichen Bibliotheken ist die Ansleihe für Kinder. An jedem Nach mittag von 3 bis 6 Uhr ist die Ausleihe geöffnet. Auch für das Lesen der Bücher in der Bibliothek ist gesorgt. Ein sogenannter »Ekilckreii's Uoom« dient als Lesesaal mit großen und kleinen Tischen und Stühlen für die Kinder. Sogar eine besondere Handbibliothek steht den kleinen Benutzern zur Verfügung. Erst vom vierzehnten Lebensjahre an dürfen sie den allgemeinen Lesesaal benutzen. In Verbindung mit der Kinderansleihe findet jede Woche eine »Ltoi-v liour« statt. Die verschiedenen Beamten erzählen Märchen und Ge schichten, lesen auch wohl Gedichte vor. Um den Kindern die Aus wahl der Bücher zu erleichtern, gibt ihnen die Kinderbibliothekarin die für ihr Alter passenden, vom Unterrichtsministerium des Staates herausgegebcnen Listen. Die Kinder müssen bei Abgabe des Buches eine kleine Kritik liefern. Haben sie eine bestimmte Anzahl ab gegeben, so bekommen sic vom Staat ein besonderes Zeugnis. Eine andere wichtige Abteilung unserer Bücherei ist das Üskerenee De partment. Es ist eine Beratungsstelle fiir die Benutzer, verbunden mit einem Lesesaal. Der Lcsesaal hat eine ständige Handbibliothek, die im Bedarfsfall zeitweise vergrößert werden kann. Die Be ratung besteht hauptsächlich in der Literaturzusammenstellung für verschiedene Gebiete. Oft z. B. kommt eine Bitte von einer Lehrerin, die in ihrer Klasse gerade Shakespeare durchnimmt und eine Zu sammenstellung der entsprechenden Literatur für ihre Schüler wünscht. Dann bringen wir Bücher und Zeitschriften über englische Geschichte des 17. Jahrhunderts, zeitgenössische und moderne Bio graphien, Briefwechsel usw., ebenso Kritiken und Zusammenfassungen von Shakespeares Werken. Aber nicht immer ist diese Aufgabe so einfach zu erledigen wie in diesem Fall. So wollen z. B. Studen ten Literatur etwa über ein Tansendwort-Thcma wie: Kritik der Neichenbachschcn Naum-Zeit-Lehrc. Ich könnte Ihnen natürlich noch von vielen Beispielen erzählen, aber ich denke, diese wenigen ge nügen schon, um Ihnen einen kleinen Einblick in den Charakter unserer Bibliothek zu geben. Ich freue mich, das; ich Gelegenheit hatte, den Typ einer modernen deutschen Bibliothek hier gründlich kenncnznlcrnen. Ob wohl ich selbst nur in wenigen Abteilungen mitgearbeitet habe, ist mir keine ganz fremd geblieben. Das danke ich in erster Linie Herrn Direktor Dr. Uhlendahl, der in den vergangenen sieben Monaten immer Zeit für meine Fragen gefunden hat. Aber auch alle Beamten und Angestellten, mit denen ich arbeitete, waren immer hilfsbereit. Ihnen allen möchte ich herzlich danken. Auf meiner Reise, die mich nach Prag, Wien, München, Stuttgart und Paris führen wird, werde ich viele neue Eindrücke aufnehmen und noch manche große Bibliothek kennen lernen. Trotzdem werde ich die Erinnerung au Ihre schöne Bücherei ganz frisch mit nach Amerika bringen, um dort meinen Kollegen einen ausführlichen Bericht von der Deutschen Bücherei zu geben.
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