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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1935
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- 1935-05-18
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1935
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stammt, daß schon die Literatur der letzten Jahrzehnte versucht hat, durch Zeichnung ihrer Umwelt, durch Kritik an Dingen und Zuständen Einfluß zu gewinnen. Sie hat damit Erfolg gehabt, auch wenn dieser Erfolg im wesentlichen auf die Zer störung, nicht auf den Neubau der von ihr verurteilten Umwelt ausging. Ohne Erfolg blieb dagegen der Kampf gegen das auf kommende junge Nationalgefühl der Deutschen, das jene älteren Gruppen zwar heftig bekämpften, aber nicht zu unter drücken vermochten. Es lag in der Natur des Schrifttums der liberalen Zeit, zu nächst seine eigenen Angelegenheiten zu zeichnen; sein Unheil war, daß es nicht darüber hinauszukommcn vermochte. Es stellte den Einzelfall in die Mitte der Dinge, eS suchte diese Einzelfälle in kleinen, wenig heldischen Gestalten zu zeichnen, es suchte, um Absonderliches zu gestalten, zuweilen unge wöhnliche krankhafte Fälle, die es gern verallgemeinert hätte; es verzichtete, weil cS auf eine neue Größe des Reiches nicht mehr zu hoffen wagte, weil es den Menschen allein als Maß der Dinge ansah, - cS verzichtete auf die glühende Forderung der Jugend nach gleichem Recht eigenen Volks zwischen den Völkern. Es suchte vielfach die Form als Höchstes, ohne das Gefühl der Gcsamtschaft zu prägen, ohne die Weihe zu finden, die über dem Inhalt liegen soll. Der schwerste taktische Fehler aber war wohl, daß sich das Schrifttum der beiden letzten Jahrzehnte als vermeintlichen Gegner und Widersacher das kleine schuldig unschuldige Heimatschrifttum der deutschen Landschaft wählte und darüber nicht merkte, wie etwa im Wart- burgkrcis, wie unter den kämpfenden Jüngsten eine Fronde aufwuchs von einer Kraft und künstlerischen Leistung, daß dereinst als Ausdruck der Zeit nach dem Kriege nicht die tau send Bücher und Büchlein der damals herrschenden Richtung gelten werden, sondern daß schon die Zeit der Parlaments regierung bestimmt sein wird durch die Kampfschriften der Gegenführer, durch das große Erwachen deutscher Ver gangenheit in Epik und Drama, durch die jungen Lieder der Gegenwart. In einer fast tragischen Selbstverständlichkeit ist schon heute bis auf wenige Ausnahmen die ganze Arbeit einer emsigen, sich selbst bewundernden Literatenschicht versunken, so wie die tausend Dramen der Klosterschulen des Barock un tergegangen sind vor dem einen Buch deS in seinem Volk wurzelnden Grimmelshausen. Die Zeit wandelte sich, bessere Werte, neue Gedanken, andere Namen traten in den Vordergrund. Bewußt stellt die junge Dichtung der Literatur der liberalen Zeit die Lehre entgegen von der Weltgebundenheit des Dichters, von seiner Pflicht zum ritterlichen und pricsterlichen Amt in seinem Volk. Kämpfer ist er, so wie er zur Zeit des Sturm und Drang, so wie er zur Zeit der Grimmschen Romantik Kämpfer wurde. Ein Geschick, schwerer als das des kleinen in sich gekehrten Helden seiner Hausburg nimmt er damit auf sich. Aber auch das Volk weiß und hält es für gut, wenn des Dich ters Wort nicht nur in zarten Klängen den Frühling besingt, sondern zugleich über Vergangenes und Gegenwärtiges Rich ter ist und mit diesem richterlichen Amt die ihm anvertraute Schau in die Zukunft verbindet. Mittler ist er in dieser Zeit und sucht durch neue Bilder des dichtenden Wortes, durch neue Gleichnisse der Deutung ewigen Wesens näherzukommen. Und wenn solche Aufgabe wohl schon oft und unabhängig von den Zeiten - von den Gezeiten, möchte ich sagen - den Dichtern gestellt wurde, so kommt heute hinzu, daß die Zeit durch eine neue innere Drängnis, durch eine tiefe Gläubigkeit daS ganze Volk erschüttert und die Konfessionen näher zuein ander gezwungen hat. Der Augenblick scheint gekommen, wo die tiefe Aufspaltung deutschen Volkstums in viele Bekennt nisse trotz der Haltung mancher Geistlicher durch eine stärkere Inbrunst wenn nicht überwunden, so doch überbrückt werden könnte. Jene Entwicklung, daß der Katholik stärker das na tionale, daß der protestantische Individualist stärker das so zial-religiöse Gefühl versteht und erfaßt, bringt es mit sich, daß jetzt, gerade jetzt der Dichter berufen wäre, das Wort, das Bild, das Gleichnis deutscher Einheit - der Einheit unseres innersten Wesens - zu finden und seinem Volk zu schenken. Bewußt stellt das Schrifttum von heute anders als das der lächelnd abseitigen letzten Jahrzehnte sich neben den Politiker, neben den Soldaten, und sucht nach dem verlorenen Reich der Deutschen, sucht nach dem Reich, das aus der Gegenwart wächst. Nicht mehr wie früher lebt der einzelne in der Ge schichte des Preußentums oder Österreichs, nicht fragt er nach Welf oder Hohenstaufen, nach Bayern oder Rheinländern. Er durchsucht die Geschichte zuerst unter dem Blickpunkt: wie ge schah eS, daß das Deutsche Reich seit Jahrhunderten an allen Grenzen schwand? Was hat dem Reichsganzen genutzt, was hat ihm geschadet? Wer bereitete die Gegenwart vor, wer hat die Einheit deutschen Lebens zerstört und seine Hausmachts interessen an ihre Stelle gesetzt? Wie einst in der Zeit des Vo- gelweiders der Dichter neben dem Ritter schritt und focht, um deutsches Land sich sorgte und dem Reich verschworen war, so soll der Dichter von heute Kämpfer seines Volkes sein, Rufer einer gerechten Neuordnung der Welt. Das Selbstbestimmungs recht der großen Völker, das friedestiftende Reich sucht er, das einst die Ruhe Europas verbürgte. Wissend ist er, daß man die eigene und die europäische Kultur nicht durch die Militär- Hegemonie der Randstaaten verteidigen kann, sondern durch das Recht aller Völker, sich selbst zu erleben, - Recht, das aus dem schlagenden Herzen der europäischen Mitte strömt. So glüht er für die Freiheit, so wünscht er die Erhaltung der großen Leistungen des eigenen Volkes, wie auch die der Nachbarn, solange sie sich nicht auf Unrecht und Gewalt aufbauen. Anders als früher steht der Dichter heute wieder neben dem Wissenschaftler, bejahend als Freund, aber auch als Mahner und Verteidiger des Volkes, wo er jene Engherzigkeit findet, 13
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