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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.01.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1934-01-02
- Erscheinungsdatum
- 02.01.1934
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- Deutsch
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X! 1, 2. Januar 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b. DtschnBuchhandel. Friedrich Schnack: „Äuchhändler und Schriftsteller im neuen Staat". Die Schriftleitung des Börsenblattes für den Deutschen Buch handel hat mich aufgesordert, zu sagen, wie ich »als deutscher Dichter die Aufgabe des Buchhändlers im nationalsozialistischen Staat sehe«. Soweit ich die Gestalt des vielseitigen Problems überblicke, will ich gern antworten, damit auch ich zur Klärung dieser wichtigen Frage beisteurc. Ich bin mir freilich bewußt, daß meine Stellungnahme nur eine subjektive sein kann. Der deutsche Buchhandel ist in seiner Gesamtheit keine einheitliche Schicht, ihn gleichsam über einen Kamm zu scheren, ist unmöglich — ich kann mich also nur zurückhaltend und in großen Zügen äußern. Die volkverbundenen deutschen Dichter sind da und brau chen nicht gesucht zu werden. Auf ihre Art haben sie in den letz ten zehn und vierzehn Jahren am nationalen Durchbruch mit gearbeitet, sei es durch Aktivität oder Bewahrung, durch Treue und Verknüpfung ihres künstlerischen Seins an den ewigen Strom der Überlieferung. Ihre Werke, unter nicht geringen Opfern von Urheber und Verleger vorbereitet und veröffentlicht, sind auch da — da ist auch das Volk, das sie aufnehmen soll, zum Teil auch schon ausgenommen hat. Wie aber, wird gefragt, steht cs mit dem B u ch h ä n d l c r ? Ist er, der Mittler zwischen Dichter und Volk, auch da? Es wäre unwahr und ungerecht, nicht jener zahlreichen Jung- und Altbuchhändlcr zu gedenken, die sich in den hinter uns liegenden Jahren stets mit Eifer und Liebs des besten deut schen Schrifttunis angenommen haben. Es möge mir erlaubt sein, im Namen der deutschen Autoren zu sprechen und allen Buch händlern in Stadt und Land herzlich zu danken, daß sie sich in der langen schwierigen Zeit, als eine volkssremde Literatur vorherrschte und durch die ihr verbundene Presse gefördert wurde, für unsere Bemühungen einsetztcn, Verständnis zeigten, Liebe be wiesen und um Liebe für uns warben. Ihnen ist es mit Vorzug zu danken, daß wir eine treue, wenn auch im Vergleich zu jener mit Pauken und Trompeten marschierenden Literatur, be schränkte Gemeinde fanden. Sie haben uns geholfen, damit wir und unsere Verleger in unsern Anstrengungen nicht erlahmten, wie es auch ihr Verdienst ist, daß das ältere gute deutsche Buch nicht vom Büchermarkt verdrängt wurde. Den übrigen Sortimentern möchten wir gern ebenso herzlich danken. Leider haben sie uns keinen besondern Anlaß dazu ge geben. Es soll aber anerkannt werden, daß sie gelegentlich auch unsere Bücher verkauften — wenn ein Kunde sie bestellte. Dann wurde eine Postkarte ausgcfüllt und ein Exemplar angefordert. Eingesetzt haben sic sich nicht. Vielen Buchhändlern werden über haupt nicht einmal unsere Namen bekannt sein — unsere Ver leger hätten ja sonst mehr absctzen müssen. Unterzogen sie sich etwa der Mühe, eines oder das andere unserer Bücher zu lesen? Wahrscheinlich waren wir für sie abseitige Leute, rückständige Dichter, die die Zeichen der Zeit nicht erfaßten, Romantiker, denen nicht zu Helsen war. Mit uns war, nach ihrer Meinung, kein Ge schäft zu machen. Auf ihren Ladentischen häuften sich die Partien der Bestseller, auch Moränen von Schund, sowie die Produkte flinker Zeitwitterer, Erzeugnisse gut eingerichteter Schriftstellerci- betriebe, Literatur, dem Volk ebenso fern wie der Dichtung. Wer die Jahrgänge des Börsenblatts der vergangenen Jahre zur Hand nimmt, wird leicht feststellen können, in welchen Mengen diese Erzeugnisse bestellt wurden — ost klischierten die »Erfolgs- Verleger« in ihren Anzeigen sogar die Bestellzettel der Buch händler. Man könnte eine kleine, peinliche Kulturgeschichte dar aus ablesen. Wo blieben, neben diesen Bücherstapeln, die Werke der deutschen und wirklichen Dichter? Diese Sortimenter ließen sich, wenn sie nicht aus weltanschaulichen Gründen die Groß stadtliteratur durchdrücktcn, mehr oder weniger von rein g e - sch östlichen Erwägungen leiten. Sic verkauften, was gangbar war, was sich ohne Mühe absctzen ließ, in Partien ging, was im Vordergrund des momentanen Interesses lag, im Schau fenster der Zeit, was eine willige und geschickte Presse hatte, einen bereitwilligen Rundfunk — und trugen aus diese Weise dazu bei, die echte Dichtung zu morden. Ohne daß es ihnen vielleicht besonders zu Bewußtsein gekommen wäre, taten sie Handlanger- 4 dienste einer Gesinnung, die darauf aus war, die geistigen, seeli schen, volkhaften und nationalen Grundlagen des Landes, dem sie angehörten, zu untergraben. Nun haben ja auch die uns be freundeten Sortimenter jene Literatur teilweise führen müssen, aus vielen und auch begreiflichen Gründen: aber sie brachten auch die Gegenkräfte immer wieder vor, die roten Blutkörper chen der lebendigen Dichtung, die im Geistesleib des Volkes den Kampf gegen Gifte aufnahmen; und geschah cs auch nur mit be scheidener Wirkung, so war es doch nicht umsonst. Die uns be freundeten Buchhändler sind einerseits (gleich den andern) Opfer der Zeit und einer verrotteten Wirtschaft geworden, haben sich aber andrerseits innerlich und äußerlich mit fester Absicht gegen den Niedergang gestemmt. Sie haben wohl deutlich die Tragik eines Berufs gefühlt, der, wirtschaftlich bedrängt, geistig frei sein soll, kulturell. Wer aber lediglich Buchware verkaufte, hatte ganz gewiß keine innern Schwierigkeiten. — Andere Sortimen ter wieder waren bewußte Vorwerke eines gemeinschaftszerstörcn- den Angriffs und eigentlich nichts anderes als politische Funk tionäre. Diese bestellten natürlich überhaupt keine deutsche Dichtung. Auch mit der guten deutschen Literatur waren Umsätze zu erzielen. Hat Grimm mit seinen Erzählungen nicht einen großen Erfolg gehabt, der dein eines internationalen Bestsellers ent gegengesetzt werden kann? Haben die Buchhandlungen nicht an Wilhelm von Scholz verdienen können? Sein Buch »Perpetua« ist doch wohl gangbar. Kam Carossa, ein Dichter für anspruchs volle und innerliche Leser, nicht zn schönen Auflagen? Ist Binding nicht recht gut gegangen? War der Absatz des Romans »Das Wunschkind« von Ina Seidel nichts? War nicht Friedrich Griese mit seinem erfolgreichen »Winter« da? Nicht Peter Dörfler mit seinen volkskräftigen, lebensechten Erzählungen? Konnte Vespers Roman »Das harte Geschlecht«, ein schönes Volksbuch, nicht aus Hunderttausend kommen, statt nur auf sünfundvicrzig? Gab cs nicht bekannte Bücher von Hermann Stehr? Romane von Kol- bcnhcyer, Wilhelm Schäfer? Die Bücher von Dwinger und Bcuinelburg? Wurden sic nicht gut verkauft? Und hatte man nicht viele, viele andere gute deutsche Dichter von hohem Rang noch? Wenn aber die Deutschen nicht ausgereicht hätten, so gab es noch die stammverwandten Österreicher (Paula Grogger, Wag gerl, von Gagern usw.), die flämischen (Timmermans, Streuvelsl, die nordischen (Hamsun, Peter Freuchen, Olav Duün, Selma Lagcrlöf, Uudsct) — eine Menge bester, schönster Literatur, wür dig und wert, im ganzen deutschen Volk verbreitet und gelesen zn werden. Bevorzugt aber wurde und entfesselt, freimütig und vor urteilslos unterstützt und gefördert eine Literatur, von der die deutschen Dichter und Schriftsteller an die Wand gedrückt wurden. Dazu kam jene infame Preispolitik brigantischer und räuberisch eigennütziger »Verleger«, die sich wechselseitig unterboten, auf der Jagd nach dem Erfolg, wodurch der Büchermarkt zerstört, der Käufer wild beunruhigt wurde und der opfer- und wagemutige anständige Verlag sich in der Folge außerstande sah, seine Kräfte für die junge, werdende deutsche Dichtung einzusetzen. (Die Ber- dorrung der Lyrik hängt damit zusammen.) Überblickt man die Lage, muß man zu dem Ergebnis kom men, daß leider ein großer Teil des deutschen Sortiments in den vergangenen vierzehn Jahren sich aktiv und passiv beteiligt hat an dem Amoklauf gegen die deutsche Dichtung, die deutsche Kultur, die deutsche Seele. Was können nun die deutschen Dichter im neuen Staat vom Sortiment erwarten? Was dürfen sie hoffen? Jedem Autor ist es klar, daß er aus den Buchhändler an gewiesen ist. Er ist sein Sachwalter. Der Buchhändler ist aber auch auf den Dichter angewiesen. Diese Wechselseitigkeit bedingt eine Gemeinschaft mit gleichen Zielen. Und aus dieser Einsicht heraus lehne ich für mich einen Pessimismus ab. Ich bin nicht mißtrauisch, ich bin hoffnungsvoll. Unter die Vergangenheit mache man einen Abschlußstrich — nur versäume man nicht, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Unsere größten Hoffnungen sind bei den altbewähr ten Freunden im Sortiment. Sie haben uns damals nicht im Stich gelassen, heute werden sie, da die Widerstände gebrochen
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