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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.11.1929
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1929-11-16
- Erscheinungsdatum
- 16.11.1929
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- Deutsch
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X: 266, 16. November 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhandel. Sprache ist wegen ihrer vermeintlichen Leichtigkeit gerade für die deutsche Zunge schwer zu erlernen; sie verstehen und sprechen ist ein großer Unterschied. Von dem wichtigen Ereignis des ersten Austausches konnte man in der deutschen und holländischen Presse lesen. Die Notiz: »Austausch von Bibliothekaren«, die Ansang Ja nuar in den Leipziger Neuesten Nachrichten stand, wurde in sämtlichen großen Tageszeitungen Hollands wörtlich oder gekürzt wieder ge geben. Ich kam nun also nach Dord recht, an den ältesten Openbare Leeszaal des Landes. Man kann die niederländischen Büchersammlungen fast restlos in zwei Gruppen einteilen: die wissenschaftlichen Bibliotheken, die vom Staat unterhalten werden, und die Volksbibliotheken, soge nannte Openbare Leeszalen, die durch private Einrichtungen ver waltet werden und vom Staat oder der Gemeinde Zuschüsse erhalten. Letztere sind wieder eingeteilt in christliche, neutrale Lesehallen und solche, die auf streng katholischer Grundlage errichtet find. Der Dordrechter Lesesaal ist eine neutrale Bibliothek; denn sie pflegt Literatur jeder Geistesrichtung. Den Öffentlichen Lesehallen steht stets eine sogenannte Directrice (seltener ein Direcleur) vor, die von Assistentinnen unterstützt wird. Auf die Ausbildung der Bibliothekare will ich nicht näher eingehen, da Frl. van der Feen an dieser Stelle bereits Mitteilungen darüber gemacht hat*). Nun war ich also in einen der Openbare Leeszalen hineinge raten, deren es in jeder kleinen Stadt einen, in jeder großen Stadt sogar eine Reihe von Zweigstellen gibt. Die ersten Wochen waren deshalb nicht so einfach für mich, weil ich sofort mit sämtlichen vor kommenden Arbeiten betraut wurde. Die Directrice, Frl. Snouck Hurgronje, sowie die anderen Damen, zwei Assistentinnen und zwei Volontärinnen, versuchten mit großem Entgegenkommen mir über die ersten Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Daß sie alle ziemlich gut deutsch sprachen, war für mich eine große Erleichterung. Ich hatte besonders in der Ausleihe viel Mühe mit dem Holländischen. Manche Leute vom Lande, und zumal die Kinder, habe ich bis zuletzt nicht gut verstehen können. In den Kreisen Gebildeter findet man in Holland eine ungeheure Lernbegier in bezug auf fremde Sprachen: man begegnet kaum einem Menschen, der nicht außer seiner Muttersprache sich auch im Deutschen, Englischen und Fran zösischen wenigstens leidlich unterhalten könnte. Daß der Openbare Leeszaal in Dordrecht mit sehr bescheidenen Mitteln arb-viten muß, weil die Stadt nicht in der Lage ist, ihn zu unterstützen, ist schon äußerlich erkennbar. Von dem Gebäude bilden drei Räume des ersten Stockwerks die Bibliothek und ein Raum im Erdgeschoß die Buchbinderei. Der größte der drei Räume ist der Lesesaal für die Tageszeitungen (couranten), der überhaupt in jeder Bibliothek inso fern der wichtigste ist, als er am meisten benutzt wird. In diesem Zimmer fand auch die Ausleihe nach auswärts statt. Der zweit größte Raum enthielt die etwa 3V—-50 Zeitschriften der Biblio thek und war für die ernsthaft Arbeitenden bestimmt. Auch besonders teure und seltene Werke, die nicht nach auswärts verliehen wurden, mußten hier gelesen werden. Das dritte Zimmer war unser Ar beitsraum. Alle drei Räume bildeten gleichzeitig die Bücher magazine. Man kann da noch ganz gut den Bibliothekarstod sterben; denn auf hohe Leitern mußte man klettern, wenn man ein Buch herunterholen wollte. Die Hauptaufgabe der Lesehalle sowie der anderen öffentlichen Bibliotheken, die ich Gelegenheit hatte zu sehen, bestand in der Ver sorgung der Ausleihe: der Ausleihe im Lesesaal selbst, in die Stadt und in die betreffende Provinz. Die Ausleihe im Lesesaal war am einfachsten, da das Publikum gewöhnt ist, sich selbständig zu be wegen. Man hatte nicht nötig, die Benutzer nach einer Äsekarte zu fragen; denn der Eintritt ist in allen Bibliotheken frei; man hatte ferner nicht nötig, auf ihre Garderobe zu achten; denn warum sollten sie ihre Zeitungen nicht mit dem Hute auf dem Kopfe lesen? Weit mehr Arbeit hatte man mit den Lesern, die sich ihre häusliche Lektüre auswählten. Auf alle Fragen und Wünsche des Publikums bereitwilligst einzugehen, waren wir alle bemüht. Man kam mit den Lesern in eugen Kontakt, mußte sich mit ihrem Ge schmack vertraut machen und ihnen bei der Auswahl der Bücher mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dies ist für mich bis zum letzten Moment das schwierigste gewesen; selbst nachdem ich über die ersten Klippen der Sprache hinweg war, konnte ich mir in der kurzen Zeit doch nicht eine solche Kenntnis der holländischen Lite ratur aneignen, daß ich etwa den Inhalt der Bücher erzählen oder eine kurze Kritik hätte gel>en können. Besser verstand ich mich auf die Be *) Meine Eindrücke als Austauschbibliothekarin an der Deutschen Bücherei. In: Börsenblatt f. d. Dt. Buchhandel Nr. 180 v. 6. August 1029; vgl. auch A. van der Feen: Uber holländische Bibliotheken. In: Mitteilungsblatt ö. Reichsverb. Dt. Bibliotheksbeamten 1928, Mai.Äugust, S. 1—1. ratung von fremdsprachigen und übersetzten Werken; letztere waren ja auch meist Werke der Weltliteratur. Als »duitsche juffrouw« (deut sches Fräulein) galt ich, was die deutsche Literatur betraf, bald als kompetent: die in Dordrecht auch sehr beliebte Marlitt, Heim burg und Luise Werner feierten in meinem Gedächtnis ihre Auf erstehung. Einen großen Teil der Leser bekam man niemals zu Gesicht. Sie hatten die gedruckten Kataloge käuflich erworben, trafen ihre Auswahl zu Hause und ließen sich die Bücher holen. Ein soge nanntes leesboek (aus der schönen Literatur) wurde für vierzehn Tage und ein studieboek (ein wissenschaftliches Buch) für vier Wochen verliehen. Die Ausleihe nach auswärts war natürlich nicht gebührenfrei. Etwas ganz Neues für mich war die Kinderausleihe, die in Dordrecht allerdings nur nach auswärts betrieben wurde, während andere Bibliotheken auch schöne Kinderlesesäle besaßen. An den zwei schulfreien Nachmittagen der Woche kamen etwa 350 Kinder vom neunten Jahre an, veranstalteten durch Singen, Pfeifen und das Geklapper der Holzpantoffeln einen Heidenlärm und rissen sich gegenseitig die Bücher aus der Hand. Sie wollten natürlich auch beraten sein, und oft redeten mehrere zu gleicher Zeit auf mich ein: »fuffrouw, een mooi boek voor mij«. Jungens- und Mädchenbücher wurden durch farbigen Anstrich der Bllcher-Nücken kenntlich ge macht; auch hatten sie besondere Kennzeichen, an denen wir sahen, ob sie für das Alter des Kindes passend waren. Die Kinderbücher waren meine erste holländische Lektüre, und ich habe viel aus ihnen gelernt. Sie zeichnen sich auch durch einen besonders deutlichen Druck und hübsche Illustrationen aus. Ein großes Arbeitsfeld bildete die Ausleihe außerhalb der Stadt, die man correspondentschapp nennt. Jede größere Stadt einer Provinz hat die Leselustigen in den kleineren Orten, in denen sich keine Biblio thek befindet, zu versorgen. Zur Dordrechter correspondentschapp gehörten neun Dörfer der Provinz Zuid-Holland. Die auswärtigen Leser hatten, auch an Hand der gedruckten Kataloge und nach den Bekanntmachungen der neuen Bücher in den Zeitungen, Wunsch zettel auszuschreiben, nach denen wir ihnen die Bücher aussuchten und zuschickten. Den Besuchern der holländischen Lesesäle stehen sehr viele Kataloge zur Verfügung. Wenn auch die Dordrechter Lesehalle keine eigenen Katalogsäle besaß wie die großen wissenschaftlichen Bibliotheken, so wurde den Lesern die Wahl der Bücher doch recht leicht gemacht. Die Aufstellung nach dem Deweyschen System führte jedem Leser sein Interessengebiet vor Augen; di« gedruckten und eine große Anzahl geschriebener Zettel- und Band-Kataloge unterstützten ihn in reichem Maße. An Zettelkatalogen waren zu unterscheiden: ein alphabetischer Katalog, ein Titelkatalog, ein Ärienkatalog, ein Katalog mit Titeln von Zeitschriftenaufsätzen, ein alphabetischer Katalog innerhalb der zehn Abteilungen des Dewey-Systems, ein Zeitschriftenkatalog und noch eine Reihe von Spezialkatalogcu. In Form von Bandkatalogen wurde geführt: ein stamboek, das wie unser Zugangsbuch die Eingänge verzeichnet«, ein binderboek (sämt liche Werke wurden broschiert gekauft und im Hause gebunden), ein Bandkatalog nach dem Dewey-System, ein aankoopboek der Preise wegen und endlich ein Katalog »weggedane boeken«, d. h. ausrangierte Bücher. Ganz besonderen Wert legt man in allen holländischen Biblio theken aus die Schrift. Daß man die Blockschrift erlernt, die sich von unserer Ackerknechtschrift*) in der Hauptsache durch ihre un- züsammenhängenden Buchstaben unterscheidet, ist für jeden Biblio theksbeamten eine Selbstverständlichkeit. Ich mußte mich deshalb auch erst ein wenig üben, ehe ich Katalogaufnahmen machen durfte; deun alle Kataloge bestanden aus Zetteln mit handschriftlichen Aufnahmen. Es existiert auch eine gedruckte Instruktion: »Regels voor de titelbeschrijving«, die in den einzelnen Bibliotheken wohl zu Rate gezogen, aber nach Belieben abgeänüert wird. Neu und interessant war mir das Signieren der Bücher nach dem Dewey- System. Ein Besuch des »In8titut <te kiblio^rapüie« in Brüssel führte mir das Dezimalsystem besonders deutlich vor Augen. Für uns alle war es eine große Freude, wenn Frl. Snouck die Mittel hatte, neue Bücher zu bestellen. Auf die Wünsche der Leser wurde dabei auch Rücksicht genommen. Ich durfte die deutschen Bücher auswählen und deren Bestellung erledigen. Die Dordrechter Zei tungen unterrichteten die Leser monatlich einmal über die Neu erwerbungen; ebenso führt der »Vuurtoren« eine Liste der neuen Bücher. Ab und zu kam es vor, daß vom Gesundheitsamt eine an steckende Krankheit in diesem oder jenem Hause gemeldet wurde, dann ließen wir die dorthin entliehenen Bücher abholen, um sie in unseren« Desinfekttonsapparat einer Reinigung zu unterziehen. Alle *) Vgl. Ackerknecht: Deutsche Büchercihandschrist. 2. Ausl. 1925. (Schriften d. Zentrale f. Volksbücherei. 2.) 1211
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