Als vor einigen Jahren die Zahl der Bauern- und Dorfromane in der Roman-Literatur beängstigend zu wachsen schien, konnte man ab und zu den Rus nach dem Großstadt-Roman hören, mit dem berechtigten Hinweis darauf, daß auch die große Stadt ein Recht habe, als Stoff dichterisch gestaltet zu werden. In dem Buch „Wachsende Ringe" von Otto Voigtcl ist der Ruf nach dem Großstadt-Roman erfüllt. Der Verfasser gibt aber keine sensationelle Mache, es geht ihm auch nicht um den in der Stadt so deutlich spürbaren Gegensatz von arm und reich, auch watet er nicht in dem viel berufenen „Sumpf" der Groß stadt, nichts dergleichen. Es gehr ihm um etwas anderes. Er zeigt erstens einmal, daß auch die große Stadt Heimat sein kann, Heimat dem Menschen, der in ihr ausgewachsen und den sie geformt hat. Und dann zeigt er zum anderen den Einfluß der Stadt auf die Entwicklung eines Menschen. Der Held dieses Buches, der junge musikstudierende Bert Cornelius ist ganz innig mit der Stadt verbunden, mit ihr verwachsen, und die Stadt wieder formt ihn in wesentlichen Stücken. Alles das, was das Wesen der großen Stadt bestimmt, was im besonderen für Berlin bezeichnend ist, lebt in diesem Roman des jungen Schriftstellers. Der Verfasser verfügt über eine sichere Fähigkeit der Menschencharaktcrisicrung und baut die Handlung leicht und zwingend auf. Dazu wird die Umgebung, der Handlungsraum in einer Weise lebendig und in die Entwicklung der Menschen mit einbezogen, wie wir das nicht zu häufig treffen. Auch Witz und Ironie, die besonderen Gaben des Berliners, haben in dem Roman einen reichen Niederschlag gefunden, der sich besonders ergießt über die Figur des Musikdirektors Hemptcmacher, der sich für den „letzten Klassiker" hält.— „Wachsende Ringe" ist das Werk eines jungen Autors, der frisch, lebendig und unbefangen zu erzählen weiß und sich dabei doch eine eigene Note zu bewahren weiß. über den eben erschienenen Erstlingsroman OttoVmgtel / Wachsendeklinge G. Grote Derlog - Berlin 5590 Nr. 210 Freitag, den 14. Oktober 1938