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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.01.1939
- Strukturtyp
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- 1939-01-14
- Erscheinungsdatum
- 14.01.1939
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kahle Auszüge aus Zeitungen, Anekdotenbüchern und wäßrigen Volksschriften auszufüllcn. Ich habe noch jeden Artikel selber be arbeitet und dieser Arbeit die nämliche Zeit, den Fleiß und dis Stunden der besten Laune gewidmet, die ich irgendeinem Werk auf eigenen Namen und eigene Rechnung hätte widmen können, und so leicht alles hingegossen scheint, so gehört bekanntlich viel mehr dazu, etwas zu schreiben, dem man die Kunst und den Fleiß nicht ansieht, als etwas, dem man sie ansieht und das in der näm lichen Form um den Beifall der Gebildetsten und zugleich Unge bildetsten ringt«. Es war ein Lieblingsgedanke von Rudolf Koch, wieder den Volkskalender unserer Zeit zu schaffen. Der Kalender kam aber über einige wenige Geschichten nie heraus. Von Schäfer, von Waggerl, von Peter Dörfler lassen sich Äußerungen ansühren, die die Frage umreißen: -Ist heute ein Volkskalender wieder mög lich?« Stellen wir sie hier wieder und versuchen, im Zusammen hang mit den bisherigen Überlegungen einiges dazu zu sagen, wie der Neue Bolkskalender vielleicht aussehen muß. Man frage sich als erstes, was das Wörtchen Volk in dem Worte Bolkskalender zu bedeuten hätte, an wen sich dieser Kalender also wenden soll. Es wäre wohl kein Kunststück, einen sorgsam hcrgesiellten Kalender zu machen, der vom Buchhandel an die bücherkaufenden Kreise vertrieben würde. Sicher würde dieser Kalender schon guten Absatz haben. Aber diesen Leserkreis meinen wir nicht in erster Linie, wenngleich auch er unter dem Begriff Volk zu fassen ist, wie wir ihn verstehen wollen. Denn der neue Bolkskalender soll sich zuerst an den wenden, der nicht liest und dies ist die große Menge der Volksgenossen. Man gehe in die Woh nungen der Stadt, man gehe zum Bauern, Pächter und Kätner und sehe nach, wann und was gelesen wird! Wenn der Bauer, der Bürger früher nichts las, den Kalender las er, eben in ihm stellte sich das Volkstum in seiner literarischen Gestalt dar. Auch für den klassischen Kalender, den Rheinischen Hausfreund gilt dies. Hebel wußte, daß er in der nämlichen Form zugleich den Beifall der Gebildetsten und der Ungebildetsten, die wir hier lieber mit Nicht-Leser bezeichnen wollen, erwarten durfte. Seine Kalender erreichten Jahresauflagen von über 00 MO Stück. Wir glauben dies! Teil für Teil des Kalenders müßte vom Verfertiger dahin überprüft werden, wie dieses Hindurchklingen der Idee und Realität des Volkstums in sprachlicher und bild licher Gestaltung zu machen sei. Wir hören Riehl, den großen Kenner des Volkes, 18S3, also in Zeiten, die grundsätzlich kaum anders waren als jüngst vergangene Verfallszeiten: -(Der Ka lender) könnte wenigstens den Charakter der inneren Notwendig keit wiedergewinnen, wenn er nämlich, ausgehend von der Weis heit des Volkes selber und scheinbar nur als ein Herold dessen eigenster Gedanken dennoch den Keim einer vertieftem Gesittung in sich bergen und so ein Lehrer des Volkes zu werden wüßte, in dem er doch scheinbar nur ein Spiegelbild diesselben wäre«. Wer ist aber der Kalendcrschreiber, der von des Volkes Weis heit ausgeht, der dem Volkstum verpflichtet, doch wieder über dem Volke steht, daß er es führen kann? Es ist der Dichter! So wäre es also doch ein literarischer Kalender, den wir schaffen müßten? Nun, wir brauchen uns nur die klassischen Kalendermacher anzu sehen, Grimmelshausen, Hebel, Gotthelf, Rosegger, da wissen wir, wer Kalenderdichter ist und warum der neue Volkskalender kein literarischer werden wird. Es gibt viele Weisen dichterischen Schaffens, die sich darin unterscheiden, in welchem Grade der schlichteste Mensch getroffen werden kann. Es wird damit kein Wert in der künstlerischen Qualität ausgesprochen, wenn wir Hebel, Claudius, Gotthelf etwa für volkstümliche Dichter halten, nicht aber Hölderlin, Novalis. Es ist nicht eine Weise gegen die andere auszuspielen, einem jeden von ihnen ist seine Größe als Gestalter zu bezeugen. Aber die ersten drei sind Kalenderdichter oder könnten es sein, weil bei ihnen das Höchste in der schlichten Weise, die jedem schnell zugäng lich ist, ausgesagt wird. Nachfahren dieser Dichter werden unsere heutigen Kalenderschreiber sein müssen. Gleiches gilt aber im Bildlichen. Die schlichten und in sich doch so reichen Holzschnitte Rudolf Kochs, Josua Leander Gampps, Alfred Zacharias' und Paul Helms', die Zeichnungen Prugg- mayers und Mahlaus, sie wären die Graphik eines neuen Volks kalenders. Sie würden den rechten Beistand zu einer Anekdote von H. E. Kromer mit seinen -Merks« geben, zu einem Aufsatz von Peter Dörfler, zu einem schlichten Gedicht von Hermann Claudius, Friedrich Schult oder Georg Britting, zu einer der ein fachen und tiefen Geschichten Paul Ernsts. Ein Mann wie Pfarrer Künzle würde über Heilkräuter schreiben können oder Winnig über geschichtliches und politisches Geschehen. Diese Namen möch ten nicht mehr als die groben Züge des »Bildes«, das wir vom neuen Volkskalender haben, zu verdeutlichen helfen. Vielleicht ist damit etwas von der geistigen, künstlerischen Grundhaltung eines Volkskalenders deutlich geworden. » Einiges von den Einzelheiten der Buchgestaltung soll noch ergänzend hinzugefügt werden. Hebel untersuchte 1808 in einem -Unabgeforderien Gutachten über eine vorteilhaftere Einrichtung eines Kalenders« an neun Punkten, wie ein Volkskalender be schaffen sein müsse. Sie würden auch heute nicht viel anders lauten. Der Name des Kalenders soll einladend und allgemein sein, ein Aushängeschild, das Wirkung auf die Käufer ausübt. Man soll auf gutes Papier achten, aus schöne Lettern und guten Druck, Erfordernisse also, die heute gerade einen neuen Bolks kalender schon äußerlich sofort vor andere verbreitete rücken wür den. Wir haben außerdem moderne und doch zeitlos volkstüm liche Schriften wie die Claudius und die Post-Fraktur. Auch der Stoff der alten Kalender, die astrologischen Tatsachen und die Wetterpraktiken, selbst das Aderlaßmännlein will Hebel beibe halten. (Als Ergänzung zu Hebels Forderung: Friedrich der Große vernnlaßte 1779, daß die Wettervoraussagen des Hundert jährigen Kalenders aus dem preußischen Volkskalender weg fielen, daraufhin wurde der Absatz so gering, daß sie 1780 wieder erschienen. Der Verein für Volkskunde und Volksbildung im Böhmerwald ließ 1923 in seinem Wäldlerkalender die Wetter angaben nach Knauer weg, daraufhin kauften die Bauern andere Kalender. Mitgeteilt im Handwörterbuch des Aberglaubens.) Als nächstes fordert Hebel, daß die Lescartikel »politische Begeben heiten des vorigen Jahres, Mord- und Diebsgeschichten, ver unglückten Schatzgräber- und Gespensterspuk, Feuersbrünste, Na turerscheinungen, edle Handlungen und witzige Einfälle- ent halten, womöglich aus der eigenen neuesten Vaterlandsgeschichte. Daraus mögen wir erlernen, wie nicht erdichtete Anekdoten und Späße wichtig sind, sondern Geschehenes, das durch die Dar stellung des Kalendermachers »wahre Geschichte« geworden ist. Daß der Kalender umfangreich sei, Monatsvignetten und ein paar Darstellungen in Holzabdruck enthalte, daß in jedem Jahre Gleiches an gleicher Stelle stehe, daß der Kalender früh erscheine und ihn möglichst e i n Mann bearbeite und schreibe, der im Volke lebt, Talent, guten Willen und Muße dazu habe und honette Vergütung erhalte, denn umsonst ist der Tod, dies alles gilt heute wie zu Hebels Zeit. Grundsätzlich würden wir nicht vie^e andere Forderungen stellen. Wir würden das Kalendarium so gestalten, daß es den Leser unserer Tage anreize, wieder auf das kosmische Geschehen zu achten, daß ihn die typographische Gestaltung dieses Teiles geradezu dazu verführe, hier Eintragungen über die Begeben heiten in Familie und Haus niederzuschreiben. Wir wissen, was dem Kalenderlefer Zeitung und Radio geben, suchen wir also nach kalendercigenen Stoffen und bringen sie so dar, daß noch nach Jahren der Kalender wertvolle Chronik der Zeit geblie ben ist. Gewiß, all dieses ist keine leicht zu handhabende Arbeit. Sie hat kaum ihresgleichen im Buchwesen. Der einzelne Kalender wird leicht hier und da seine Mängel haben, denn er vereinigt das, was sonst gemeinhin einzeln für sich betrachtet, beschrieben und hergestellt wird. Doch einmal erschienen, wird der neue deutsche Volkskalender seine Wirkung und seine große Bedeutung im geistigen Leben und der Führung des Volkes bald bezeugen. -Der Kalenderschreiber aber, welcher dieses Kunststück verstünde, soll ein rechter Hexenmeister genannt und nicht verbrannt werden.« Bruno Arbeiter.
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