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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.10.1934
- Strukturtyp
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- 1934-10-27
- Erscheinungsdatum
- 27.10.1934
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- Deutsch
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^ 252, 27. Oktober 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. band der Werke; dieser wird 1893 von der Vaterstadt des Dichters stir 7000 Mark erworben. Einundzwanzig der fünfunddreißig Bünde des Nachlasses vermögen wir heute an siinf verschiedenen Orten nach zuweisen. Läßt die merkwürdige Erhaltung dieser einundzwanzig Bünde nicht die Möglichkeit offen, daß noch weitere unvermutet auf- tanchen? Geradezu romanhaft mutet die Wiederentöeckung des verscholle nen literarischen Nachlasses des großen Mystikers und Schusters aus Görlitz, Jakob Böhme, an. 1924 mußte ein anerkannter Böhme forscher in einer Abhandlung zum dreihundertsteu Todestage Böhmes feststelleu, daß uns selbst die sichere Kenntnis der Handschrift des Mystikers seit Mitte des 18. Jahrhunderts verlorengegangen sei. Sieben oder acht Jahre später gelingt es Werner Buddecke durch scharfsinnige Untersuchungen nachznweisen, daß von den Wolfen- bütteler Handschriften von Werken Böhmes, die als Abschriften gal ten, drei tatsächlich Urschriften sind. Nicht genug damit: Buddecke wendet sich bald nach dieser Entdeckung mit der Bitte um eine nicht eben wesentliche Auskunft an einen Freund der Werke des Mystikers, erhält zwar die gewünschte Auskunft nicht, wohl aber die über raschende Mitteilung, daß der Befragte im Besitze einer Anzahl von Böhmehandschriften, darunter auch von Originalen, sei. Ein persön licher Besuch ergibt, daß diese Antwort in ihrer Bescheidenheit nur die vorhandenen Schätze ahnen läßt. Außer kostbaren Urschriften ist hier im Privatbesitz das gesamte handschriftliche Erbe Beyerlands, des ersten Herausgebers der Böhmeschen Werke, vereint, von dem wir bisher nur durch eine viel spätere Liste aus dem Jahre 1730 Kunde hatten. Hier stehen rund hundert Bände zeitgenössische Abschriften, Beyerlands Vorarbeiten zu der gedruckten Ausgabe, Urkunden zu Böhmes Leben, genaue Verzeichnisse der Originale und Kopien sämt licher Schriften und Briefe mit Hinweisen auf ihre Herkunft. »Es gab Auszeichnungen und andere ehrwürdige Dinge, die von langer Über lieferung redeten, die ihre einzelnen Schritte kenntlich machten und die das Wissen um den großen Mystiker, um seine Hand und sein Herz, unverbrüchlich durch die Jahrhunderte trugen.« Zwei Literaturpäpste sah Deutschland auf dem Throne; im 17. Jahrhundert war Martin Opitz Gesetzgeber auf dem deutschen Parnaß, im 18. Jahrhundert glaubte Gottsched es zu sein. Ihre Nachlässe wurden nicht mit der dem Range ihrer Erzeuger gebühren den Ehrfurcht behandelt. Opitz' Papiere und Sammlungen wurden alsbald nach seinem Tode zu schnödem Geld gemacht und in alle Winde verstreut. Man vermutet, daß ei» Teil seiner Bibliothek schließlich nach Polen gelangte. Von Gottsched ist lediglich die umfängliche Korre spondenz — rund 4750 Briefe durchweg an Gottsched in zweiund- zwauzig Foliobänöen — in der Universitätsbibliothek Leipzig er halten. Der größte Teil seiner Bibliothek ging in den Besitz der Königlichen Bibliothek in Dresden über. Wo die Manuskripte seiner Werke blieben, ist nicht bekannt. Klop stock vernichtete kurz vor seinem Tode einen Teil seiner Papiere, vermutlich weil er ihre Veröffentlichung nicht wünschte. Der größte Teil der noch nicht gedruckten Handschriften, die ver blieben, kaufte Cotta der Witwe zu einem beachtlichen Preise ab. Lessings umfänglicher Briefwechsel ging durch die Sorglosigkeit seines Bruders Karl Gotthelf, der die Briefe herausgab, so gut wie völlig verloren; im Besitze der Nachkommen verblieb schließlich nur das italienische Reisetagebuch des Dichters, das Kernstück der späteren »Lessing-Sammlung«, die 1919 durch Nachvermächtnis an die Preu ßische Staatsbibliothek gelaugte. Die Handschriften der wissenschaft lichen Arbeiten Lessings liegen in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfcnbllttel, deren Bibliothekar Lessing war, die dramatischen und lyrischen Bruchstücke und Entwürfe, die Fabelstudien u. a. in der Staats- und Universitätsbibliothek in Breslau. Christoph Martin Wielands Nachlaß ging an seinen Schwiegersohn Emminghaus über; von dessen Kindern wurde er dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar überwiesen. Sein Sohn Ludwig Wieland und sein Schwie gersohn Heinrich Geßner in Zürich — Wieland gelangte als Vater zahlreicher Töchter in den Besitz vieler Schwiegersöhne — vermehrten den eigenen Besitz an Handschriften und Briefen des Vaters und Schwiegervaters durch eifrige Sammeltätigkeit; ihre Papiere ruhen heute in der Zentralbibliothek Zürich. Der geschäftige Meister Ubique des klassischen Weimar, Karl August Böttiger, Lokalreporter von Natur, Gymnasialdirektor durch Ironie des Schicksals, wußte dem alten Wieland einen Teil seiner Korrespondenz abzuschwatzen. So finden wir heute im Böttigerscheu Nachlaß in der Landesbibliothek in Dresden wie in der Böttigerscheu Autographensammlung im Germa nischen Nationalmuseum in Nürnberg zahlreiche Briefe an Wieland. Der junge Goethe war allzusehr Genie, um an das sorgsame Ausbewahren seiner Papiere zu denken. Der alte Geheimrat Goethe sammelt den eigenen Nachlaß systematisch, in dem ruhigen Bewußt sein, daß alle Zeugnisse seines Lebens der Nachwelt gehören. Nicht nur jede seiner Arbeiten erhält ein eigenes Aktenstück, auch die ein gegangenen, oft herzlich belanglosen Briefe werden mit den eigenen Konzepten zu monatlichen Bänden zusammengefaßt. Selbst die Zei tungen, die er gelegentlich liest, entgehen schließlich nicht mehr der all gemeinen Registrierung. Seinem Diener Staöelmann wird es immer schwerer, die für den Verkauf an autogrammwlltige Fremde benötigten Schriftzüge seines großen Herrn aus dem Papierkorb zusammenzu suchen. Nach Goethes Tode ist die wohlgehütete Handschriftenmassc verschiedenen Angriffen ausgeseht. Seine großzügige Schwieger tochter Ottilie verschenkt einiges, sein Nachlaßverwalter, der Kanzler von Müller, sowie der getreue Eckermann entnehmen dies und das, ohne an baldige Rückgabe zu denken. Die Entleihungen aus dem Nach laß durch Goethes früheren Sekretär, den Bibliothekar Kräuter, er folgen derart unbekümmert, daß der Schein der Legalität kaum noch gewahrt wird. Erst die erwachsenen Enkel werden dem Nachlasse Goethes wieder strenge Wächter; aus den Händen des letzten und un glücklichsten ging der Schatz testamentarisch in die der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar über. Ein besonders für diesen Zweck erbautes Archiv, 1896 als Goethe- und Schiller-Archiv eingeweiht, übernimmt die Verwaltung und Nutzbarmachung. »Schwerlich kommt der Nachlaß irgendeines unserer Klassiker, Goethe ausgenommen, an Umfang und Wert demjenigen gleich, den das Heröersche Familienarchiv uns aufbewahrt hat.« So urteilt Suphan im ersten Bande seiner Herderausgabe über den Heröerschen Nachlaß. Der größte Teil, insgesamt zweiundvierzig Kapseln, wurde nach 1870 vom preußischen Staate angekauft und der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin überwiesen, ein kleiner Teil, bestehend aus reichlich dreihundert Briefen, einer Anzahl von Gedichten und einigen Manuskripten und Akten liegt im Goethe- und Schiller- Archiv. Der Nachlaß Schillers hatte eine Zeit der Zerstreuung durch zumachen, bevor er im öffentlichen Besitze endlich zur Ruhe kam. Nach dem Tode Charlotte von Schillers wurde er aufgeteilt; seine Tochter Emilie, die einen Freiherrn von Gleichen-Rußwurm heiratete und schriftstellerische Neigungen bezeigte, erhielt den Hauptteil der Papiere. Bei der Einweihung des Marbacher Geburtshauses 1859 zu einer Stätte der Erinnerung au Schiller wurden von verschiedenen Familienmitgliedern Stücke aus Schillers Besitz, darunter von Emilie verschiedene Handschriften gestiftet. Nach Emiliens Tode 1877 wurde von ihren Nachkommen das »Greifensteiner Archiv« nicht nach Marbach, sondern 1889 der Großherzogin Sophie von Sachsen- Weimar geschenkt, das geplante Goethearchiv damit zum Goethe- und Schiller-Archiv erweitert. Das Marbacher Schiller-National museum erhielt von einem Gönner die Sammlung einer Urenkelili von Schillers Schwester Luise geschenkt, die verschiedene Handschriften, Bildnisse und Erinnerungsstücke enthielt, und erweiterte seinen Be sitz planmäßig durch Ankäufe. Es liegen dort z. B. die Handschrift von Wallensteins Lager und die der Piccolomini, der erste Plan zum Don Carlos sowie Vorarbeiten zu Wilhelm Teil. Heute findet man etwa die Hälfte des Schillerschen Nachlasses im Goethe- und Schiller- Archiv in Weimar, ein weiteres Viertel in Marbach, der Rest ist verstreut oder verloren. Die Verluste suchte der Weimarer Architekt von Gerstenberg in seiner Weise auszugleichen, indem er eine An zahl Schillerhandschriften selbst verfertigte und in den Handel brachte. Seine dummdreiste Verteidigung verhinderte nicht, daß das Gericht ihn 1856 wegen Betruges aburteilte. Bisher handelte es sich stets um die Hinterlassenschaft anerkann ter und in durchweg geordneten bürgerlichen Verhältnissen lebender Dichter. Welche Gefahren bedrohen von vornherein die Nachlässe der Kinder Apollos, über die ein grausames Schicksal oder eigene Schuld ein ruheloses Leben oder schlimmes Ende verhängte oder deren Be deutung erst die Nachwelt erkannte! Gottfried August Bürger starb als ein von seiner ehebrecherischen Frau verlassener, moralisch ge richteter, von Vergessenheit bedrohter Mann. Schon auf der Ver steigerung des Bürgerschen Inventars ging ein Kasten »mit allerley alten Akten und dem Anschein nach unnützen Scripturen« fort. Die Familicnbriefe kamen an seine Schwester, die Mutter des übel be kannten Schicksaldramatikers Müllner, und wurden offenbar von die ser vernichtet. Die Korrespondenz, die Bürger als Herausgeber des Musenalmanachs geführt hatte, ging au den neuen Herausgeber und wurde nach dessen Tode kurzerhand mit versteigert. Der Rest der Bürgerschen Papiere wurde dem Arzte Althoff überantwortet, der eine Biographie Bürgers schreiben wollte. Ohne Kenntnis des Wertes verteilten die Erben Althoffs später auch diese Papiere unter sich; nur noch ein Teil konnte schließlich gerettet werden. Einer der Hauptvertreter des Sturmes und Dranges, Jakob Michael Reinhold Lenz, starb im Wahnsinn; seine dichterische Hinterlassenschaft wurde von seinem Landsmann vr. Dumpf liebe voll gesammelt, dann aber an Tieck, den ersten Herausgeber der Werke des unglücklichen Lenz, ausgeliefert und durch Unachtsamkeit und Interesselosigkeit in alle Winde verstreut. Der Selbstmord, mit dem der geniale Heinrich von K l c i st sein ruheloses Leben endete, wirkte auf seine in soldatischen Anschauungen und Ehrgefühle» lebende 947
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