Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-03-03
- Erscheinungsdatum
- 03.03.1934
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19340303
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193403032
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19340303
- Bemerkung
- Seiten 957+958 fehlen im Original
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1934
- Monat1934-03
- Tag1934-03-03
- Monat1934-03
- Jahr1934
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. 83 <R. 32>. Leipzig, Sonnabend den 3. März 1934. 101. Jahrgang. Redaktioneller TA Vom geistigen Brot der Deutschen. Der Mensch wird sich seiner Menschenwürde in dem Augen blick bewußt, wo er seine Doppelzugehörigkeit zu beiden Reichen der Welt erfährt, wo er sich einerseits als Lebewesen der Körper welt verhaftet fühlt, wo er aber als geistiges Wesen sich auch dem Reich des Geistes verpflichtet erkennt. Und dies ist das Große an der Sendung des Menschen, daß er als wahrer Mensch nur dann zu leben vermag, wenn er beides, Körper und Geist, ernährend erhält. Wir beten heute in diesem schwersten aller Winterkämpse inni ger denn je: »Unser täglich Brot gib uns heute». Fassen wir diesen betenden Schrei auch auf als Sehnsucht nach dem geistigen Brot, denn jedem, der cs hören will, mahnt tausendsälttg dieser bange Ruf entgegen: »Laßt uns nicht an unserer Seele verhungern». Gewiß, cs ist ein herrliches Gefühl, das alle Menschen er griffen hat und das uns in einer nie erlebten Opferbereitschast die sen Winter wie keine Notzeit zuvor überstehen ließ: ich meine dieses Gefühl, daß das gesamte Volk zusammengeströmt ist zu einer Schick- salsgemeinschast, bereit, alle körperlichen und darüber hinaus auch alle seelischen und geistigen Nöte gemeinsam zu tragen und zu über winden. Aber mit diesem Zusammenströmen, das seinen leuchtend sten Ausdruck am 12. November im Volksentscheid fand, Ist nur die Voraussetzung dasür geschaffen, daß das Volk nun auch ewig in diesem noch nie erlebten Einssein verharren möge. Dieses unerhörte Ereignis, daß sich Deutschland wie nie zuvor in einer Einmütigkeit zusammcnsand, gilt es zu bewahren. Der erste Schritt ist getan; das Volk ist durch das Zusammenrücken aller zu einander vor dem Tod des Erfrierens gerettet. Nun wohlan — lassen wir dem Hilfswerk, das unser Vaterland vor dem Wintertod bewahrte, das geistige Winterhilsswerk folgen. Wer könnte uns in dieser, unserer geistigen Not eher ein Helfer sein als jene, die aus körperlicher Drangsal heraus ihre Werke trotzender Lebensbejahung mit gläubigen Lippen sangen? Wir haben eine dichterische Machtgruppe gestürzt, deren Werke gerade in den voraufgegangenen Wintern vielleicht mancher zur Hand nahm, um sich zu trösten. Aber die Rettungsuchenden wurden ge täuscht, denn kein lebenbejahendes »Dennoch» hallte ihnen aus diesen Büchern entgegen, sondern nur ein quälendes Ausmalen von Schmerzen, die die Bedrängten selber schon fühlten, oder ein flaches Sichtreibenlassen von nun einmal verhängtem Schicksal wurde dort empfohlen. Oder es waren gar Bücher, in denen zum Haß gegen die Brüder aufgerusen wurde, zu Haß und Kampf, damit dann die heute Enterbten morgen die, die davon noch verschont geblieben waren, ebenso einmal enterben tonnten. Alle diese Bücher entspre chen heute nicht mehr unserem Einssein, nur Werke, die leben- trotzend über den Platten Augenblick hinaus das Ewige anstreben, die das Ganze suchen, sind in unserem geistigen Augenblick Beispiel und Führer. Gehen wir zurück in die Geschichte oder greisen wir nach Büchern unserer Gegenwart, immer waren es die Besten gewesen, die aus drückendster körperlicher Not heraus die Brücke zu schlagen vermochten in das Reich des Geistes. Vor unserem Auge, das nach diesen geistigen Ahnen sucht, stehen sie alle auf; der größte Sänger des stolzen deutschen Mittelalters, Walther von der Vogelweide, dars erst am Ende seines Lebens beglückt von seinem Lehen künden, das ihn nun vor den Qualen des Winters bewahren wird. Ulrich von Hutten fand keine Ruhstatt in den Zeiten und Kämpfen der Refor mation, so wenig wie sein geistiger Nachfahr Grimmelshausen im Dreißigjährigen Krieg. Schiller, dessen ganzes Leben ein bitterer Kamps gegen Hunger und Krankheit war, fand Trost in dem er hebenden Bewußtsein, daß diese feindlichen Mächte nur sein körper liches Dasein erschüttern und vernichten können, daß aber das Reich des Geistes ewig bleibt. Er ist wie kein anderer berufen uns heute weiterzuhelfen. Doch was wollen einzelne Namen. Wir Deutsche haben beglückt erfahren, daß es nicht nur die materiell ge sicherten Zeiten waren, die uns die Höhepunkte der Kultur schenkten, sondern daß es die Zeit des Dreißigjährigen Krieges ebenso wie die der Befreiungskriege war, als die stolzesten Früchte unserer Dich tung reiften. Und in der Gegenwart sind es die großen ethisch wertvollen Kriegsbücher — ich brauche keine Namen zu neunen — die von den drei Inhalten künden, die uns heute als Ideale wieder vor Augen stehen, nicht zuletzt angesichts der Winterschlacht. Denn diese Bücher künden von Kampfesmut, Opfergeist und Kameradschaft. Im Ausblick zu diesen Dichtern, die uns diese Ideale vorgelebt und von denen auch viele sie vorgestorben haben, wollen wir das geistige Winterhilsswerk beginnen, auf daß das Volk, wundersam zusammengeführt und durch das Opfer aller vor dem körperlichen Untergang bewahrt, in seiner seelischen Einheit uns erhalten bleibe durch die geistige Tat. vr. Hans W. Hagen, Greifswald. 197
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder