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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1930
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- 1930-12-02
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- 02.12.1930
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Nr. 279 <N, 143). Leipzig, Dienstag den 2. Dezember 1930. 97. Jahrgang. ReÄMLoneller Ml Dichterund Buchhändler und die Entdeckung des malerischen und romantischen Westfalen. Die »Entdeckung Westfalens» ist keine »Affäre», und man soll nicht denken, daß die Blätter der Weltgeschichte deswegen vernehmlicher gerauscht haben. Aber eine Entdeckung ist es ge wesen, und ihre Geschichte verdient geschrieben zu werden. Literaten, Poeten, Maler, Künstler und Buchhändler haben der roten Erde den Dornröschenkuß gegeben. Buchhändler als die ersten; denn sie haben herausgefunden, daß überhaupt etwas zu entdecken war, haben den Anstoß gegeben und das Unter nehmen in Gang gebracht. Sie haben ihr Geld in ein verdienst volles und zur damaligen Zeit höchst zweifelhaftes Geschäft ge steckt und haben die Ehre gehabt, ihre Namen als Verleger die Titelblätter schöner Bücher zieren zu sehen. Damit haben sie sich begnügt, wie es immer ihr Schicksal gewesen ist, zu manch bedeutungsvollem Spiel das Klingelzeichen zu geben. Im Hause des Buchhändlers Wilhelm Langewiesche in Barmen wohnte gegen Ende der Mer Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Kaufmannsgehilfe, Herr Freiligrath, i. Hse. I. P. v. Eynern L Söhne, Baumwolle und Indigo engros. Der junge Mann war in seiner Firma als gewissenhafter und ordent licher Arbeiter geschätzt. In Gesellschaft und im Verkehr mit anderen war er befangen und schüchtern, und niemand hätte ihm angesehen, daß er der Dichter Ferdinand Freilig rath war, dessen schwungvolle Verse und »Wüstenpocsien» eben begeisterte Aufnahme gesunden hatten. Damals erschien, von der Natürliche der ausgehenden Ro mantik veranlaßt, ein tvbändiges Stahlstichwcrk »Das malerische und romantische Deutschland». Das Rheinland war darin behandelt, Thüringen, Schlesien, die Donauländer, die Sächsische Schweiz, der Harz, alle waren in einem besonderen Bande gewürdigt und gepriesen. Nur Westfalen hatte man vergessen. Kein Wunder; denn diese Gegend war berüchtigt wegen ihrer grundlosen Wege. Das Land, in dem man jenes merkwürdige schwarze Brot aß, war im übrigen Deutschland nur vom Hörensagen und aus ab schreckenden Berichten bekannt. Kein Reisender hätte es zu sei nem Vergnügen ausgesucht. Beide, Langewiesche und seinen Hausgenossen, den Poeten, verdroß solche offenkundige Geringschätzung ihrer Heimat, und Freiligrath machte seinem Ärger häufig in kräftigen Worten Luft, so erzählt Guisberte Freiligrath, Ferdinands Schwester, in ihren »Beiträgen zur Biographie Ferdinand Freiligraths» (1888). Da erbot sich Langewiesche, unternehmungslustig wie er war, ein Buch über Westfalen zu verlegen. Freiligrath sollte es schreiben, und gerade, um es den andern zu zeigen, würde man es nennen »Das malerische und romantische Westfalen». Tat sich dem jungen Dichter nicht jählings der Himmel aller Hoffnungen auf? Er würde das Buch schreiben! Er würde endlich, endlich das Krämerelcnd mit dem freien Künstlertum vertauschen, sein Heimatland die Kreuz und Quer durchwandern, schaueN und schreiben, schwärmen und dichten! Langewiesche verpflichtete als Reisebegleiter den Landschafts maler Carl Schliekum aus Eilpe bei Hagen; der sollte die Zeichnungen für die Stahlstiche machen. Es gelang ihm auch, wie Freiligrath an Jmmermann schrieb, als er ihm in seiner ersten Freude von der bevorstehenden Wendung seines Lebens Mitteilung machte, den Leipziger Verleger Friedrich Bolckmar, der schon an dem »Malerischen und romantischen Deutschland» beteiligt gewesen war, als Teilhaber für den Ergänzungsband zu gewinnen. Die alleinige Herausgabe des Werkes hätte wohl auch Langewiesches wirtschaftliche Kraft überstiegen; sollten doch, wie es in dem Briefe heißt, die Platten für die Stahlstiche 110 Taler das Stück kosten. Freiligrath löste sein Verhältnis zum Kaufmannshaus, und um unbeschwert von Sorgen reisen zu können, bat er seinen Freund August Bölling, aus einem Honorarbetrag von einigen 100 Talern, den Cotta zugesagt hatte, die Bezahlung seiner Schulden zu übernehmen. »Ich bitte Dich», schrieb er dem Freunde, »die unverschämtesten der Manichäer mit eiserner Stirn von der rechtlichen Gesinnung Deines Freundes unterhalten zu wollen.» Der große Kreis seiner Barmer Verehrer veranstaltete ein glänzendes Abschiedsfest, zu dem eigens Düsseldorfer Regi mentsmusiker bestellt wurden. Reden wurden gehalten, und die Zeitungen brachten anderen Tages spaltenlange Berichte. An einem Maimorgen des Jahres 1839 verließ er Barmen, jetzt ein unabhängiger Schriftsteller; der Traum seiner Jugend war Erfüllung geworden. Freunde gaben das Geleit bis zur Hohensyburg. Hier tat man einen »höchst fidelen» Abschieds trunk, und dann pilgerten die beiden, der »zwickclbärtige Maler und der Dichtersmann mit »Ranzen und Jagdtasche» und den »kräftigen Weißdorn in der Hand» zu Fuß der ersten Etappe ihrer Reise, Dortmund, entgegen. Mit heiligem Ernst gingen sie an ihre Aufgabe. Im März hatte Freiligrath an seinen Hamburger Freund Ignaz Huber geschrieben — diese Briefe sind zum großen Teil abgedruckt in dem prächtigen Werk von Büchner, Ferdinand Freiligrath. Ein Dichterlcben in Briefen (1882): »Ich werde die Arbeit rech! mit dem Herzen angreifen. Ich habe meine Berge und Flüsse lieb; es ist ein tüchtiges Land, mein Westfalenland, und mir doppelt lieb, weil es dem Ausland gewissermaßen eins terra iueoguita ist, weil ich es mit der Axt in der Hand durchlichten muß. Hohensyburg, Volmarstein, Klusenstein, Exterusteine, Luh dener Klippen, Westfälische Pforte, — was wißt ihr von alle dem? Ich aber will es euch zeigen; auf roter Erde will ich die gelbe vergessen — gemeint ist seine Wllstenpoesie —, Tannen und Bergwasser sollen mich umrauschen, und auf Buchen- und Eichenblüttcrn geschrieben will ich's in die Welt schicken, was ich unterm Felsen geschaut und geträumt habe.» Der Dortmunder Freistuhl mit der mächtigen Fehmlinde gab den ersten Eindruck. Ein groß angelegtes Gedicht zur Ein leitung des Buches wurde entworfen, die ersten Strophen flogen auf das Papier. »Schlickus pictor« zeichnete und gehobenen Sinnes zog man weiter gen Münster. Hier trafen sie Freund Levin Schücking, der — hätten sie es geahnt? — aus- crsehen war, dermaleinst das gänzlich bankerotte Unternehmen dieser Reise fortzuführen. In rüstigen Fußmärschen ging es weiter über Osnabrück und am Wiehengebirge entlang nach Minden. Kunstfreunde empfingen sie hier, bewirteten sie, feier ten den Dichter und gingen ein Stück Weges mit bis zur Porta. Vom Wittekindsberge überschaute Freiligrath das ganze Land, dessen Schönheit zu beschreiben er sich vorgesetzt hatte, und der herrliche Blick von der Höhe des Berges herunter hielt ihn lange gefangen. Uber Vlotho und Rinteln wurde endlich die Schauen- 1129
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