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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.10.1929
- Strukturtyp
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- 1929-10-12
- Erscheinungsdatum
- 12.10.1929
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- Deutsch
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>i? 238, 12. Oktober 1929. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.b.Dtschn. Buchhandel. Lediglich in Westfalen liegt der Beschäftigungsgrad Uber dem des Vorjahrs. Im ganzen gesehen haben wir nahezu eine viertel Million Arbeitslose mehr als bisher. Die dadurch bedingten Ein- kommcnsaussälle haben sich stark auf die Umsatzgestaltung des ge samten Einzelhandels ausgewirkt. Es wurde an dieser Stelle schon häusig aus die engen Be ziehungen zwischen Baumarkt und Einzelhandel hingewiesen. Die Krise aus dem Htzpothekenmarkt lieh das ganze Baujahr 1V29 hin durch die Zahl der Bauaussührungen hinter denen des Vorjahres stark Zurückbleiben. Die Mißerfolge der öffentlichen Anleihen meh rerer deutscher Großstädte bewiesen ebenfalls die Schwierigkeit, große Bauvorhaben zu sinanzieren. Wenn man also seststellen kann, baß die Zahl der nicht ausgenutzten Bauerlaubnisse dreimal so groß ist wie um dieselbe Zeit des Vorjahrs, dann bedeutet bas für den Einzelhandel geringere Absatzmöglichkeiten an allen Gegen ständen des Wohnungsbcbarss, insbesondere also an Möbeln, Be- leuchtungsgegenstänben, Tapeten, Gardinen und Teppichen usw. Gerade Grohanschassungen, die regelmäßig aus Kredit verlaust werden, könne» in Zeiten wirtschaftlicher Depression besonders schwer abgesetzt werden, schwerer als es der realen Einkommenslage vielleicht entsprechen würbe, weil die unsichere Zukunft der Ein kommensgestaltung die Übernahme erheblicher Verpflichtungen weitgehend verhindert. Die Krcbitsituation des Einzelhandels hat sich zudem derart zugespitzt, daß selbst die vorhandene, ziemlich bescheidene Lager haltung bet weiterem Umsatzrückgang nicht durchgehalten werben kann, sondern zu Zwangsverkäusen wirb sichren müssen. Das müßte ein weiteres Fallen der an sich bereits zur Schwäche neigen den Preise zur Folge haben und somit weitere Verluste mit sich bringen. Nur eine starke Umsatzbelebung im Oktober wäre geeignet, die überaus schwierige Situation des Einzelhandels zu überwinden und eine allgemeine Einzelhanbelskrise zu verhindern. Hier verdient nicht zuletzt der Hinweis auf die bedrohliche Entwicklung der A r b ei t s l o s i g ke i t Beachtung. Der Reichs tag hat ja mit Ach und Krach die Teilsanierung der Arbeitslosen versicherung verabschiedet. Es soll auch ohne weiteres anerkannt werden, daß dabei in einigen Punkten tatsächliche Verbesserungen erreicht worden sind. Ist cs nicht aber im Grunde beängstigend und beschämend, daß aller Kampf im Parlament wie in der Presse nur um di« Sanierung der Reichsarbeitslosenversiche- rungsanstalt ging, daß aber niemand die Frage ernsthaft auf geworfen hat, ob denn die Arbeitslosigkeit sein müsse und ob sie nicht an -der Wurzel beseitigt werden könne? Die beste, die hundertprozentige Sanierung der Versicherung gegen Arbeits losigkeit wäre doch eine Wirtschaftspolitik, die alle Arbeitslosig keit beseitigte. Dieser Seite -des Problems scheint man aber im Parlament mit fatalistischer Apathie gegenüber zu stehen. Man nimmt die Arbeitslosigkeit einfach als gegebenen Dauerzustand hin. Die Sanierung jetzt geht von der Annahme aus, daß wir mit 1,1 Millionen Arbeitslosen jährlich zu rechnen haben. Auf 30 Erwerbstätige kommt also im Durchschnitt immer ein Ar beitsloser, der von den anderen 29 mit erhalten werden muß. Schon vor 4 Wochen warfen wir die Frage auf: wielange kann sich «das deutsche Volk namentlich in seiner ohnehin schon aufs äußerste angespannten Lage das leisten? Denn welche Gewähr -besteht denn dafür, daß es nicht schlimmer -damit wird, wenn man sich nur mit der Versicherung gegen die Folgen der Ar beitslosigkeit begnügt, dem llbel selbst aber nicht zu Leibe zu rücken Ivagt? Wir sagten schon, die -Sanierung jetzt baut auf der Voraussetzung von 1,1 Millionen Arbeitslosen auf. Was aber, wenn ihre Zahl auf lii, auf Il4 Millionen steigt? Da ist die ganze Sanierung, -die setzt mit Mühe erreicht ist, zum Teufel. Mehrbelastung -der noch arbeitenden Wirtschaft zwingt nur wei tere Betriebe zur Schließung,'-verbessert die Lage also nicht, sondern verschlimmert sie weiter. Mit Recht wurde auch schon darauf hingewicsc-n, daß die Versicherung gar Nicht das ganze Risiko -deckt. Daneben bestehen noch -die schon jetzt -gewaltigen Lasten -der Kommunen für Unterstützungen aller Art. Jode Ent lastung -der Versicherung bedeutet vorläufig locitgehend nur eine Verschiebung der Last auf -diese kommunalen Schultern. Auch hier jedoch ist -die Wirtschaft die eigentliche Trägerin und Auf- bringcrin. So mündet das Arbeitslosenproblcm eben doch in der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Man wird nicht darum herum- 1094 kommen, hier zu grundlegenden Reformen zu schreiten, wenn die Dinge wirklich besser werden sollen. Je eher und je gründlicher das geschieht, desto besser. Denn die Lage -der öffentlichen Finan zen ist ja ebenfalls längst mehr als gespannt. Auf den Ernst der Finanzlage der öffentlichen Hand war selbst oben in dom Monatsbericht des preußischen Handelsministeriums hingewiesen. Im RoichsfinanziniNisterium wird nun seit einiger Zeit schon an einer umfassenden Finanz- resorm gearbeitet. Uber den Stand -dieser Arbeiten berichtete kürzlich der »Sozialdemokratische Prefsedionst--, daß es sich um einen sehr weitgehenden Umbau -des -ganzen Finanzsystems han delt. Vor allem scheint Herr Hilferding an eine beträchtliche Ermäßigung -der Einkommensteuer zu denken, und zwar sowohl nach unten (Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums) wie auch nach oben (Auseina-nderziehung-der Stufen, Ermäßigung-der höchsten Sätze). Die Kapitalertragssteuer soll für festverzinsliche Emissionen, nicht aber für Aktien beseitigt werden. Die Jndu- striobelastung will man in Etappen -verschwinden lassen. Dafür soll -die Vermögenssteuer erhöht werden. Um der Landwirtschaft gerecht zu werden, rechnet man mit -der Aufhebung der Renten bankbelastung der Landwirtschaft. Die -geplante Senkung der Besitzsteuern wird auch auf die Realsteuern übergreifen. Als Entschädigung -dafür soll -den Kommunen zwar nicht das Recht auf Erhebung von Zuschlägen zu -den Einkommensteuern gegeben werden, wohl aber entsprechende Einnahmen aus der Erhebung von Verwaltungskoste-nbeiträgen. Dabei handelt es sich um eine Art Kopfsteuer. Als Ausgleich für die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums wird an Mehreinnahmen aus den Genußmit- telstcuern -gedacht. Hier käme nicht nur die Erhöhung der Bier steuer in Frage, sondern auch -die Errichtung eines Tabakmono pols. Daß man sich mit dem Monopolgedankcn auch sonst be freundet, bewiesen kürzlich die Nachrichten über die Verhand lungen -mit -dem schwedischen Zündholztrust. Ist aber dieser »Aus verkauf der deutschen Konsumenten-, wie man schon gesagt hat, wirklich die letzte Rettung? Auch -die obigen Finanzreformpläne lassen Zweifel über Zweifel offen, ob sie wirkliche Befreiung ver sprechen. Was auf der einen Seite an Erleichterungen ver sprochen wird, scheint durch unvermeidliche Erhöhungen auf der anderen Seite letzten Endes wieder aufgehoben. Schließlich wer den wohl nur -die Erhöhungen übrig -blcibcn. Selbst der Vor wärts mußte bei der Veröffentlichung -der Andeutungen übri gens -darauf aufmerksam machen, daß die Nachrichten auch inso fern völlig unzulänglich seien, als sie jeden Hinweis darauf ver missen lassen, -daß die Steuerermäßigung nur möglich ist, wenn zuvor zwei andere Fragen erledigt sind. Das ist einerseits die Sanierung des Reichsctats für 1928 und 1929, -die mehrere 100 Millionen erfordert, und andererseits die Sanierung -der Kasfen- lage -des Reiches, die durch den Fehlbetrag im außerordentlichen Haushalt nach wie vor äußerst kritisch ist. Jede Steuerermäßi gung muß auf diesen Zusammenhang Rücksicht nehmen. Dazu kommt, daß die Finanzreform von vornherein auch noch durch andere politische Hypotheken belastet -bleibt. Die sozialdemokra tische Reichstagsfraktion läßt sich jedenfalls, wie im Vorwärts zu lesen war, nach wie vor von der Anschauung leiten, -daß eine Steuersenkung erst möglich ist, wenn die Reichsfina-nzen völlig saniert sind und wenn diese Steuersenkung keine Krise der sozialen Aufgaben und Ausgaben von Reich, Ländern und Ge meinden zur Folge hat. Bedenkt man freilich, wie gerade auch die Kommunen durch steigende kurzfristig« Verschuldung dem Abgrund immer näher zu treiben, so können wohl Bedenken auf- steigcn, wie lange solche Forderungen noch werden aufrecht er halten werden können. Die Gesamtsanicrung erfordert schier übermenschliche Energien. Schon wird aber -die Kritik von der mangelnden Tatkraft gerade des Reichsfin-anzministers immer lauter. Man kann -daher der weiteren Entwicklung nur mit Sorge entgegenblicken. Das gilt um so mehr, als auch die weltwirtschaft lichen Hintergründe dieses unheilschwangeren Bildes düster genug sind. Die Gründung der internationalen Tribut bank, von -der ausfälligerweise im Haag so gar nicht die Rede war, steht noch in weiter Ferne, obwohl ja das vorbereitende
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