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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.06.1931
- Strukturtyp
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- 1931-06-04
- Erscheinungsdatum
- 04.06.1931
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- Deutsch
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X- 126, 4. Juni 1931. Redakttoneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhandel. Es steht auch die mühsam errungene Einheitlichkeit der deut schen Rechtschreibung (Anordnung der Buchstaben gehört, wie schon gesagt, zu der Rechtschreibung!) für das deutsche Sprach gebiet auf dem Spiel, denn cs ist fraglich, ob Österreich, ob die allen sprachlichen Neuerungen so abholde Schweiz uns Nachfolgen. Es hätte niemals dazu kommen dürfen, die Regelung gegen die überwiegende Mehrzahl zu versuchen. Aber vielleicht ist es noch Zeit, den falschen Weg zu Verlässen. Der Börsenverein mutz sein Gewicht einlegen für die Einheitlichkeit, und die kann nach der ausgezeichneten wissenschaftlichen Begründung des Herrn Or. Theodor Steche nur im Sinne des bisherigen Anordnungsverfahrens und durch Bekämpfung der sprach widrigen Neuerung der Bibliothekare erhalten werden. Leipzig, 16. Mai 1931. vr. F. Brandstetter. Zweihundert Jahre deutsches Feuilleton. In diesen Tagen ist das deutsche Feuilleton genau 200 Jahre alt geworden. Das Feuilleton wurde im Fahre 1731 gleichzeitig in Hamburg und Halle ins Leben gerufen: in Ham burg als der GelehrteArtikel in der Nachrichtenzeitung und in Halle als das belehrende und unterhaltende Feuilleton im In t e l li g en z bl at t, d. i. in der Anzeigen zeitung. Das Feuilleton in der Form des Gelehrten Artikels war der Anfang der Kritik und damit der Anfang einer bewußten Bildung öffentlicher Meinung in der Zeitung überhaupt. Und das Feuilleton in seiner unterhaltenden Form war der erste Anlaß in der Zeitung, dem Leser literarischen Genuß und damit zu gleich Ausspannung, Erholung, Amüsement zu bieten. In beiden Zweigen des Feuilletons äußert sich bas erziehliche Moment der Zei tung, ihr Bildungscharakter, der ihr mit Recht den Beinamen der Fortbildungsschule für die Erwachsenen eingetragen hat. Beide Zweige des Feuilletons sind seit etwa 1800 endgültig in der deutschen Presse vereinigt. Sie waren nur während der Ent« ftehungsepoche des Feuilletons getrennt. Dennoch ist das Wesen des Feuilletons seither dasselbe geblieben. Geändert haben sich nur in dem rückliegenden Jahrhundert immer wieder der aktuelle Gehalt und Stil des Feuilletons, die jeweilige Form, die es in den verschiedenen Generationen gehabt hat, also die eigentümliche Ausprägung, die es in jeder einzelnen Zeit gefunden hat. Diesem Generationsgesicht und Gestaltwanbel des deutschen Feuilletons, die eine der interessan testen Erscheinungen der deutschen Kulturgeschichte sind, aus die Spur zu kommen, versucht heute die junge Disziplin der Zeitungswissen schaft, die an den meisten deutschen Universitäten bereits Heimatrecht gewonnen hat. Wie ist nun bas moderne Feuilleton aus der Zweiheit, die — vor 200 Fahren — sein Ansang und Wesen war, entstanden? — Nach dem um die Wende des 18. Jahrhunderts, in Auswirkung der Ideen und politischen Veränderungen, die mit der französischen Revolution auch nach Deutschland herübergrifsen, allenthalben ein großer Auf schwung des Zeitungswesens einsetzte, blieb davon das Feuilleton zunächst unberührt. Die Politik beherrschte das Feld und verdrängte die schöngeistigen Bedürfnisse fast vollends. Erst nach Beendigung der Freiheitskriege drang der romantische Geist, der die deutsche Lite ratur damals erfüllte, in die Zeitungen ein und führte eine schnelle und unheimliche Blüte des Feuilletons herauf. Damals, als Saphir in Berlin die Regierung im Reiche des Kunstgeschmacks und der lite rarischen Kritik angetreten hatte, gab es — so scheint es uns wenig stens heute — überhaupt keine anderen als schöngeistigen Interessen mehr, gab es nur noch Theater, Geselligkeit, Spielerei und Getändel des Lebens. In der Zeitung war jedenfalls alles Fassade gewor den: man nährte sich vom Wortwitz, von der Plauderei als Selbst zweck. Der Journalismus des Biedermeiers ist — so ist man ver sucht zu sagen — im Feuilleton erstickt. Man ahmte Jean Paul, seine leichte Hand nach und glaubte gleichzeitig seinen abgrundtiefen Ernst und die Fülle seines Weltbildes mitzuersassen. Oder man wandelte auf den Spuren von Heine und bemühte sich dennoch ver gebens, die Flüssigkeit seines Stils und den graziösen Schwung seiner Causerien und Sprachgewandtheit zu erhaschen. Einem Mann wie Ludwig Börne und den beiden Rellstabs in Berlin ist das vielleicht hier und da geglückt. Die Mehrzahl der deutschen Zeitungs schreiber in jener Zeit pslegle jedoch die ödeste Wortmacherei und erniedrigte die Zeitung zu einem Tummelplatz alberner Bagatellen, die, mit Geistreichelei und Splitterrichterei gespickt, nach etwas ans- schen sollten. Das Biedermeier war keine würdige Epoche des deutsche» Feuille tons. Weil damals säst die ganze Zeitung Feuilleton geworden war, weil jedenfalls überall in deutschen Landen die Presse unter dem Gesetz und der Willkür des Feuilletons stand und seufzte, war das Feuilleton in seiner Breite nicht mehr ernst zu nehmen. Nun darf man auch in diesem Falle nicht ungerecht sein. Aus seiner romantischen Epoche hat sich bas Feuilleton die enge Beziehung zur Literatur, die stilistische Verfeinerung und das Bestreben, auf allen Gebieten des Lebens heimisch zu sein und zu bleiben, also seine ohne Zweifel sehr schätzenswerte Universalität in unsere Zeit hin übergerettet. Und das sind doch Vorzüge, die wir ihm heute hoch anrechnen müssen. Die »Feuilleto-nisierung« der Zeitung in der Zeit der Romantik fand ihren natürlichen Abschluß, als mit dem Zeitalter der Revo lutionen, das mit dem Jahre 1830 beginnt und etwa 1850 zu Ende ist, neues politisches Interesse erwachte und überhaupt der romantische Überschwang aus den Höhen der Kunst und Literatur in die po litische Arena Hinabstieg. Die Presse entseuilletonisierte sich in dem selben Maße, als sie sich politisierte. Das war von Jahr zu Jahr deutlicher sichtbar — und vollends 1848/40 war für das Feuilleton in den Zeitungen kein Raum mehr vorhanden. Die Reaktion setzte auch hier gleichzeitig mit der politischen Rück bildung der Verhältnisse ein und es entwickelt« sich die sogenannte bürgerliche Epoche des deutschen Feuilletons, die man rund von 1850 bis 1880 anseben kann. Das war trotz des etwas verdächtigen Namens in Wirklichkeit die große Zeit desdeut schen Feuilletons; es war die Zeit, in der cs gründlich und gewissenhaft wie nie, und darum auch kulturell einflußreich und erfolgreich wie in keiner anderen Periode der deutschen Geschichte gewesen ist. Ein Name leuchtet hier vor allen anderen: Lev in Schlick ing — an der Kölnischen Zeitung. Er war wohl der größte dichterische Kulturpsychologe und auch Kuiturrepräsentant in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, den wir in Deutschland gehabt haben. Schllckings Talent der össentlichen und persönlichen Wirkung war einzigartig und es befähigte ihn zur Bezwingung und Leistung der ihm gestellten Ausgabe, das erste deutsche Feuilleton als Mitt lerin und gleichsam als Zeitgeschichte des gesamten deutschen Kultur strebens aus die Beine zu stellen. In der Leistung Levln Schllckings in der Kölnischen Zeitung scheu wir deshalb das wichtigste und tragfähigste Fundament des modernen deutschen Feuilletons. Schllcking, seine Mitarbeiter und seine Anhänger, also seine Mitstreiter in der übrigen deutschen Presse seiner Zeit, haben es vorbildlich verstanden, im Feuilleton den deut schen Kulturbegriff in seinen mannigfachen. Ausdrucksforme» barzu stellen. Die bürgerliche Epoche des deutschen Feuilletons war zu gleich seine Glanzzeit. Von hier stammen auch die Wesenselemente des modernen Feuilletons. Tatsächlich stehen wir mit allem, was wir sind und schassen, wenn auch schwankend, so dennoch organisch gewachsen aus dem Grunde unserer Väter. Zwei ober drei Generationen sind im Leben eines Volkes mitunter nicht einmal eine meßbare Spanne, Der Weg des Feuilletons ist seit Levin Schllcking, seit 1850, also seit 80 Jahren, deutlich gewiesen, fein Ausbau vor gezeichnet, seine Ausgabe gestellt, sein Schicksal begründet. Und doch erleben wir heute wieder einmal etwas grundlegend Neues in der Entwicklung des Feuilletons. Wir erleben es, daß bas Feuilleton wieder einmal eine innere Wandlung durchwacht, daß es sich nicht von seinem Grundwesen ent fernt, aoer gewissermaßen ein neues zeitliches Gewand anzieht und in ihm glänzt. Der Gestaltwandel des Feuilletons hat eine neue Reihe begonnen. Das Feuilleton hat sich voll und ganz in den Strudel der modernen Zeit gestürzt, es hat sich in ihren Rhythmus eingeschaltet und läuft spornstreichs in ihrem Tempo davon. In der Tat — das Feuilleton hat wie alle wichtigen Erscheinungen unseres geistigen und technischen Lebens — ich spreche hier nicht von politischen Dingen, — bas Feuilleton hat Siebenmeilenstiesel ange zogen und ist uns immer ein ganz großes Stück voraus. Wie ver stehen wir das? — Die Bildung und die Entspannung, die das Buch gibt, will heute fast ausschließlich die Zeitung bieten, obwohl gleichzeitig ihr Stoffgebiet riesenhaft angeschwollen ist und ihr Tempo sich im Rhvth- mus der Setz- und Rotationsmaschinen verdoppelt, verdreifacht und verzehnfacht hat. Die Folge ist, daß sich in allen Gebieten der Zeitung das Feuilleton einnistet, bah der Plauderton die Oberhand gewinnt, daß der spezifische Zeitungsstil entstanden ist, der jetzt alle Sparten der Zeitung beherrscht, selbst in die Politik und in den lokalen Teil eingesllhrt und — in der Andeutung — sogar im techni schen und im Handelsteil bereits anzutreffen ist. Es gibt eine deutlich sichtbare Feuilletonisierung der Zeitung, so wie schon einmal im Ausgang des 18. Jahrhunderts und wie auch später in der Biedermeierzeit. Aber damals war bas Feuilleton durchaus 547
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