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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.03.1922
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- 1922-03-27
- Erscheinungsdatum
- 27.03.1922
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73, 27. März 1922. Redaktioneller Teil. schaftlichen, darin erweisen sich schließlich auch ihre praktischen Tendenzen, die vor allem für die Weltwirtschaft wichtig sind. Die Reisebeschreibung hat längst aufgehört, ein Abenteuerroman zu sein, sie gehört auch, wenn sie gut ist, längst nicht mehr allein der Erdkunde im Schullehrbuchsinne an. Man kann ein Werk wie Fridtjof Nansen, Spitzbergen. Mit 18V Zeich. nungen, Karten u. Diagrammen vom Verfasser. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1922, das in eingehend begrün deten Untersuchungen die Bedeutung prüft, die die Spitzbergen Tiefsee für das europäische Klima hat, die der Kohlenrcich- tum Spitzbergens für die europäische Kohlenversorgung haben könnte, nicht mehr allein der geographischen Spezialliteratur zu rechnen. Man kann sich sogar vorstellen, daß es sich ein englischer Staatsmann in die Handbibliothek stellt, denn solche Bücher sind schon in früheren Jahrhunderten mächtige Hebel der Politik ge wesen. Aber davon soll hier nicht die Rede sein, ebensowenig wie von der Unterhaltung, die die Schilderung dieser modernen Wikingelfahrt gewährt, wie von den mannigfachen Ausschlüssen, die sie gibt. Das alles wird man von dem Buche eines Mannes, dessen Lebensberuf die Nordpolforschung war, ohnehin erwarten, und der Kllstenbummler, der in den leider verflossenen Zeiten billiger und billigster Vergnügungsreisen bis nach Spitzbergen gelangte, wird ja Wohl auch nicht glauben, daß ihm Fridtjof Nansen Neuer nicht zu sagen habe. Es soll jedoch einmal darauf hingewiesen sein, daß Bücher wie dieses, mit Bildern nach des Verfassers Zeichnungen, in einer Sondergruppe den illustrierten Büchern zugehören, die als solche die Aufmerksamkeit der Büchcr- sammler noch wenig gefunden hat. Einmal handelt es sich hier wn Autorilluftrationen <über welche bibliographische Beziehung ich letzthin ausführlicher in meiner -Vierteljahrsschrift für ange wandte Bücherkunde berichtete), sodann um bisweilen keineswegs künstlerisch zu unterschätzende Leistungen. Man kann ja nicht selten die Beobachtung machen, daß die Fähigkeit zu meisterhaften Naturschilderungen mit einiger Geschicklichkeit in der Handhabung von Pinsel und Stift verbunden zu sein Pflegt, und die an Ort und Stelle, die im Augenblicke des Erlebnisses bildlich skizzierten Eindrücke haben gewiß auch in ästhetischer Hinsicht, nicht ledig lich in bloß dokumentierender, einen höheren Wert als die durch einen Fernerstehenden späterhin nach ihnen ausgeführten Bilder. Soweit ich sehe, sind die Buchaussiellungen und vor allem die Buchkunstausstellungen an einem solchen verlockenden Thema vorübergegangen, das sich ja keineswegs lediglich auf Reise beschreibungen einschränkt, sondern überhaupt aus dem fachwis- senschafllichen Schrifttum die mannigfachsten Beispiele heran ziehen kann. Hier wäre auch für Buchhändler, die gelegentlich einmal einer Ladenschau eine neue Richtung geben wollen, eine hübsche Aufgabe. Dazu dürfte es auch nicht an buchgewerblichen Anregungen fehlen. Die Ausartungen des Buchschmucks um 1900 haben die alten typographischen Ziermittel zu Unrecht in Bausch und Bogen verurteilen lassen, obschon gerade sie für die Aus stattung des billigen Buches wichtig genug sein könnten, zumal dann, wenn sie ein Buchmotiv auszuwerten und festzuhalten ver stehen. Dafür sei als ein Muster Sven Hedin, Tsangpo Lamas Wallfahrt. Die Pilger. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1922, genannt, eine Erzählung, die man gleich zeitig als Muster des ethnographischen Romans, dessen verküm mernde Reste in denJugend- und Jungenschriften weiterleben, rüh men muß: lebenstreue und lebensvolle spannende Schilderungen, doch keine bloße Abenteureret, sondern eine Handlung, die einem hohen ethischen Ziele zuführt, ein Werk, von dem cs mit Recht heißen kann, es sei für jung und alt empfehlenswert. Dieses Buch hat einen Schmuck nach tibetischen und mongolischen Vor lagen erhalten, der nicht allein von originaler Wirkung ist, son dern auch auf gute Lösungen typographischer Probleme hinweist. Allerdings, der dilettierende Küstenbummler mit seiner Kamera und seinem Notizbuch, der jedes Rundreiseheft sogleich in einen Band Reiseeindrücke verwandelte, hat jener Art von Reisebeschcei- bungen, die im Zeitalter des Verkehrs (sofern in Deutschland jetzt noch diese Bezeichnung verstattet wird) sich den Forschungsreise werken anschlossen und die man mehr oder minder schon insofern der Memoirenliteratur zurechnen muß, als in ihnen die Fremde der Schauplatz persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse ist, vielen Schaden zugefügt, weil er durch Massenhaftigkeit den Rang einer literarischen Gattung minderte, die in ihren besten Leistungen und als eine Fortsetzung der im achtzehnten Jahrhundert beliebten Europareisen-Sittenschilderungen sehr hoch zu schätzen ist. Es ist gewiß keine Übertreibung, wenn man die immer noch viel zu wenig bekannten Reisedücher Stephan v. Kotzes unter die klas sischen Schriften der deutschen Kolonialliteratur rechnet. Zwei von ihnen, aus deren unterhaltsamer Vergnllglichkcit sich heute noch und gerade heute noch mehr lernen läßt als aus dicken Wäl zern amtlichen Charakters, erschienen eben in neuer Auslage (welche Auflagenziffern hätten sie erreicht, wenn sie englisch ge schrieben wären!) und seien nachdrücklichst empfohlen: Stephan v. Kotze, Australische Skizzen. Mit einem Vor wort von Eugen Zabel. Berlin, Verlag der Täg lichen Rundschau 1921, und Stephan v. Kotze, Süd- see-Erinnerungen aus Papuas Kulturmorgen. Berlin, F. Fontane L Co., 1921. Auch die zweite Auf lage eines nach Verdienst berühmten Reisetagebuches ist hier nichi zu vergessen: Harry Keßler, Notizen über Mexiko. Leipzig, Insel-Verlag, 1921. Und nicht allein der lite rarischen Bedeutung dieses Werkes ist zu gedenken, sondern auch seiner buchkunstgeschichtlichen. Denn die erste Auslage (1898) war eines der ersten der neudeutschen Buchkunstbewegung gelungenen schönen Bücher. Da ist das Vergleichen ein Vergnügen, besonders wenn man erkennen wird, daß der Poeschel L Trepte verdankte Druck der zweiten Auflage den Buchcharakter mit einer ganz andern Sicherheit festzuhalten verstand, als das der ersten Auslage schon glücken wollte. In Kriegs- und Revolutionszeiten Pflegt die Memoirenlite ratur zur Polemik-, Propaganda-, Tendenz-Literatur zu werden. Damit ist nicht gesagt, daß sie nicht auch solcherart Meisterwerke emporsteigen lassen könnte, aber im allgemeinen pflegt dann doch die Qualität hinter der Quantität zurückzubleiben, tritt das eigentlich lebensgeschichtliche hinter die Darstellung des poli tischen Stoffes zurück. Ist doch auch das bedeutendste deutsche politische Memoirenwerk, das im letzten Halbjahrhundert veröf fentlicht wurde und dessen dritter und letzter Teil eben erst ein bibliographisches Ereignis gewesen ist, sind doch auch Bis marck' s Gedankenund Erinnerungen nichts anderes als eine durch Geist und Form ausgezeichnete große retrospektive Staatsschrift. Ereignisse und Persönlichkeit in ihren Wechsel wirkungen bleiben immer der Gegenstand einer Lebensgeschichte. die, wenn ihr nicht die Ereignisse zu Erlebnissen sich gestalteten, ihre Anziehungskraft den äußeren Geschehnissen verdanken wird, in deren Mittelpunkt oder doch in deren Nähe ihr Schildere! stand, oder der gewissenhaften oder der glänzenden Art, in der ein Lebensgang mit der Beschreibung gesellschaftlicher Zustände ver flochten wird, oder schließlich auch der Rücksichtslosigkeit, mit der, wie der Verfasser meint oder zu meinen vorgibt, die Wahrheit gesagt wird. Bei den Nationen, deren gesellschaftliche Bildung aus diesem oder jenem Grunde, denn mancherlei ist hierfür maß gebend, weniger entwickelt wurde, bleibt auch die literarische Form der Memoirenliteratur mit ihren besonderen Verzweigungen, wie etwa der zur Anekdotenkunstferligkeit, zurück. Gegensätze von Schrifttumsrichtungen, die man sich, im groben, etwa vergegen wärtigen kann, wenn man die deutsche Autobiographie mit den französischen Memoires vergleicht, wobei dann das Eigene einer jeden Richtung sogleich schärfer hervortritt, dort Vereinheit lichung zur Verinnerlichung, hier Vervielfachung zur Verwelt lichung, dort ein Betonen der individuellen, hier der soziologi schen Momente. Der Herzog von Saint-Simon sah von feinem Fenster am einsamen Schreibtisch aus das höfische Leben in Ver sailles herab, der Staatsminister von Goethe gab sich inmitten einer regen Tätigkeit einen Rechenschaftsbericht über sein Leben, in dessen Umkreise er Personen und Zustände verstehen wollte. Ein Einsehen und ein Hinaussehen, die sich schon durch ihre Blickzicle trennen. Zweifellos hat eine derart verschiedene Betrachtungs- weise auf die ganze Gattung zurllckgewirkt. Den Franzosen gab sie Behendigkeit, Leichtigkeit, ja Leichtfertigkeit, amüsant und ele gant Unbeträchtlicherem einigen Wert zu geben, aber auch ihre psychologische Intuition, die das Menschliche in der Personal notiz aufdecken läßt, den Deutschen aus dem Bemühen, seelische 387
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