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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1922
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- 1922-06-06
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Redaktioneller Teil. 129. 6 Juni 1922. Medizirische Bibliotheken*). Mit dem Buchdruck nahm die Verbreitung der Bücher, bei einem s 'fvctigcn Preissturz rund auf die Hälfte, erheblich zu. Zunächst wurde ja die Mehrzahl alles dessen in die Presse gebracht, was schon seit ! bis 2 und mehr Jahrhunderten hoch im Werte stand, die ganze scholastische Gelehrsamkeit der Mediziner: Avicenna, Razes, Serapion, Nesue, und wie sie alle heißen, und ganz allmählich erst drangen die Autoren der Renaissance und die Textbücher der antiken Arzte durch, bis schließlich die fortschrittlichere zeitgenössische Ärzteliteratur nicht ohne Widerstände das Feld eroberte. Ausschlaggebend war für den Buchhandel schließlich (wie heute) das Verlangen der kaufenden Kund schaft, und insofern ist der Wandel in Buchdruck und Verlag auch ein Beleg für den Wandel in der Ärzteschaft selbst. Mäßig umfangreiche private Ärztebibliotheken werden nun immer häufiger; große bleiben aber eine Seltenheit, und die von Polyhistoren erst recht, von denen beispielsweise die des Nürnbergers Christoph Gottlieb Murr (1733—1811) Erwähnung verdient. Von dieser ist ein mit dem Bildnis Murrs geschmückter Auktionskatalog im Jahre 1811 gedruckt, der 5835 Nummern zählt, von denen nur etwas über 250 medizinische Gegenstände betreffen. Eine der größten medizinischen Bibliotheken des 18. Jahrhunderts besaß Albrecht Haller (f 1777), die nach seinem Tode von der österreichischen Regierung angckauft und auf die Universitäten Padua, Mailand, Pavia verteilt wurde, während die groste Bibliothek des bedeutenden Nürnberger Arztes Christoph Jakob Trew (f 1769) nach Altorf und von dort nach Erlangen ge kommen war, wo sie für die ältere medizinische Literatur heute noch den hochbedeutcnden Grundstock bildet. Unterdessen waren aber an den Lehrstellen selbst theoretische wie praktische Bibliotheken entstanden, die weiten Kreisen dienten, so an den Medizinschulen verschiedener Art, bei den Fakultäten der Medizin, bei ärztlichen Körperschaften und allmählich an den Krankenhäusern, z. B. dem berühmten St. Bartholomäus- und St. Thomas-Hospital in London. Von Körperschaften sei beispielsweise das Uo>sl College ok LIixsieiavZ in London als Besitzer besonders alter Bibliotheksbestände genannt, dem 1603 William Gilbert bei seinem Tode seine wertvolle Bibliothek vermachte, die allerdings 1666 bei der großen Londoner Feuersbrunst mit in Flammen aufging. Misse Aldrovandi stiftete 1605 seine große Bibliothek der Universität Bologna. Das Florentiner Spital von Santa Maria Nova besaß schon 1679 eine nennenswerte Bibliothek, das Edinburger Ärztekollegium und die Fakultät der ?liy- Licians und Luigeons zu Glasgow seit 1681. Große Bibliotheken er standen auch in Wien, Hamburg, Berlin usw., denen medizinische Be stünde nicht mangelten. Deutsche Collegia snatomreo-clnrurgies, wie das in Braunschwcig, legten sich früh nennenswerte Bücherbestände zu, die heute noch bestehen und Bedeutung haben. Die Pariser medi zinische Fakultät hatte bis 1732 nur 32 Werke besessen, die damals stiftungsweise um 2273 Bände auf einmal vermehrt wurden; heute nennt sie eine der größten medizinischen Bibliotheken der Welt ihr eigen. Tie Bibliothek des Londoner Arztes Sloane brachte 1753 dem Britischen Museum einen gewaltigen Zuwachs an Büchern und Tausen den von Handschriften. Jahrzehnte vorher hat der große Lancisi in Rom seine eigene Bibliothek in eine öffentliche verwandelt (1711). Die öffentliche Bibliothek der Vorlc Citx wurde 1692 ge gründet, die der Harvard Cnivermty schon 1638. Ein Arzt war in Philadelphia der Gründer der ersten Bibliothek und ihr erster Leiter. Bei der Gründung der Bibliothek des Pennsylvania-Hospitals (1760) war Benjamin Franklin hervorragend beteiligt. Zu Hallers Zeiten wurde in London die große Bibliothek Richard Meads versteigert (1751), die größte damalige ärztliche Privatbiblio- thek in England, die 5196 Pfund Sterling brachte. William Hunter besaß rund 7000 Bände, die später an die Universitätsbibliothek zu Glasgow kamen. Aus Bücherschätzen, die er in Kurland auf dem Kricgspsade errafft hatte (1711), gründete Peter der Große die kaiser liche öffentliche Bibliothek in St. Petersburg (geöffnet seit 1717). Die Senckcnbergsche Bibliothek zu Frankfurt a. M. wurde 1763, zahlreiche medizinische Bibliotheken Englands in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gegründet, so am Guy's-Hospital (1777), die der 8oci6t6 Oe mödeeine zu Lyon (1789), der Berliner militärärztlichen Akademie 1795, des lio^sl College ok Lur^eona zu London 1800^ In Nordamerika gab es im gleichen Jahre schon 8 öffentliche medi zinische Bibliotheken bei Spitälern und Colleges und Gesellschaften. 1876 wurden deren schon 60 gezählt, als größte davon die der lUedieal *) Nachstehende Ausführungen bilden den Schluß einer historischen Plauderei über »Medizinische Bibliotheken« von Geheimrat Prof. vr. Karl Sudhosf in Leipzig, die dieser berühmte Gelehrte dem Katalog »Geschichte der Medizin« der Buchhandlung Gustav Fock G. m. b. H. in Leipzig als Vorwort bcigegeben hat. Der Abdruck erfolgt nach gütig erteilter Erlaubnis. 810 and Cdirurgical kseult^ ok Klarzdand in Baltimore. Dank der Energie ! und dem organisatorischen Talent und Weitblick von John Shaw Bil lings (1838—1913) besitzen die Vereinigten Staaten von Nordamerika heute überhaupt die größte Zahl medizinischer Bibliotheken von allen Ländern der Erde und die größte medizinische Bibliothek der Welt zu Washington neben der der Pariser medizinischen Fakultät, die vor dem Weltkriege 210 000 gebundene Bände und 800 000 Broschüren be saß, gegen 2Ä 000 und 332 000 der Lurgeoim Oeneral 1.ibrar> zu Washington, während die militärmedizinischc Akademie in Petersburg 180 000 Bände zählte, was die Berliner Kaiser Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen (69 000) und das Kaiserliche Ge- snndheitsamt (101000) zusammen nicht einmal erreichten. Die großen Privat-Bibliothcken des 19. Jahrhunderts haben gar vielfach ihre dauernde Verewigung in Auktions- und Antiquariats katalogen erfahren, auch die medizinischen. So liegt mir der Katalog der Nosenmüllerschen Bibliothek vor, des Anatomen in Leipzig (1771 —1820), vom Jahre 1821, der mit Anatomie und Geburtshilfe als erster Rubrik anhebt (1000 Nummern), der Wundarzncikunst (1001 bis 1500), Physiologie, Pathologie, Nosologie und Therapie (—1996), Pharmazie und Chemie (—2177), Gerichtliche Arzneiwissenschast, Licrarzneiwissenschaft usw. folgen, die das Ganze auf 5396 Bände an- schwellcn lassen. Als historisch besonders beachtenswerte derart bekanntgewordene Bibliotheken können beispielsweise auch die von Hcusinger und Renz bezeichnet werden. Karl Friedrich Heusingers (1792—1883 in Mar burg) große, namentlich epidemiologische Bibliothek kann als solche direkt neben der Johann Lucas Schönleinschen (1793—1861) Seuchen- bibliothck, heute in der Universitätsbibliothek Wllrzburg, genannt wer den. Wilhelm Theodor Renz' balncologische Bibliothek umfaßte rund 3000 Werke und kam im Oktober 1900 bei K. Theod. Völcker in Frank furt a. M. zur Versteigerung. Der sorgfältig hergestcllte Auktions katalog ist heute noch ein vielfach nützlicher Behelf zum Nachschlagen. 1893 wurde meines einstigen Mitarbeiters Eduard Schubert, dcS Paracelsusforschers, Bibliothek in London zum Verkaufe ausgeboten — 191 Paracelsus-Ausgaben, 518 Schriften über Hohenheim, 351 Alchi mie«, in Summa 1093 Nummern— und von John Ferguson in Glasgow erworben, die nach dessen Tödc der Universität Glasgow vererbt wurde. Durch Schenkung oder Kauf sind Rudolf Virchoms und Oskar Lassars Bibliothek an die Berliner Medizinische Gesellschaft, Baums und du Bois-Neymonds Bibliothek nach Chicago, Pagels Bibliothek nach St. Louis, William Oslers Musterbibliothek nach Montreal in Canada (kleCill Cnivermty), How. A. Kellys Büchersammlung au Johns Hopkins Hospital gelangt, und ganz kürzlich die an orientalischer Me dizin besonders reiche Bibliothek des Mcdizinhistorikers Prof. vr. Ernst Seidel an die vans dledieal vibrar^ der Stanford-University in Kali fornien (6000 Bände). Schon vor 20 Jahren ließ der Nestor deutscher Geschichtsforschung Julius Hirschberg in Berlin den Katalog seiner Büchersammlung er scheinen, soweit sie die Augenheilkunde, Optik und Medizin-Geschichte umfaßt, vortrefflich geordnet und mit Namen- und Sachregister ver sehen. Sie soll, unfraglich bis dahin wesentlich noch erweitert, nach seinem Tode durch Schenkung an die Berliner Medizinische Gesellschaft übergehen. Als besonders ausgewählte Sammlung persönlichster Note auf mebi- zingeschichtlichem Gebiete sei zum Schlüsse die des namhaften englischen gelehrten Arztes John Frank Payne genannt, des Verfassers der »vnZImb Uedieius in tlie ^nZIo-Laxon 1ime8«, Oxford 1901. Der 1911 ausgegcbene Katalog seiner Bibliothek umfaßte wohl nur 731- Nummern, war aber besonders sorgfältig hergestellt und in kleine Sonderrubrikcn, wie Pestschriftcn, geschieden, wenn auch im ganzen die alphabetische Ordnung dnrchgcführt war. Zur Versteigerung ist es gar nicht gekommen, da die an Seltenheiten, wie dem ersten lateinischen Cclsusdruck von 1178, und Harvey-Druckcn reiche Sammlung zum Preise von 2300 L, also 16 000 Mark Vorkriegspreis, an einen Privatmann vorher wegging, mithin diese wenigen Bändr nach heutigem Valuta stande rund 700 000 Reichsmark. Wie hoch soll man da die folgende umfängliche Bibliothek, die beispielsweise die Bibliothek des als Mcdi- zinhistoriker und Helminthologe geschätzten Johann Christoph Huber in Memmingen enthält, von rund dem achtfachen Umfange bewerten? Doch rechne man, wie man will, unbestreitbar ist heute noch wie' vor 3000 und mehr Jahren der grundlegende wissenschaftliche Wert einer großen Bibliothek trotz aller Fortschritte der Methodik, biologischer und exakt experimenteller Technik, samt aller Reichhaltigkeit des Bcob- achtungswissens. So wurde hier im Leipziger Institut für Medizin geschichte ein wirkliches methodisches, zielsicheres Arbeiten erst völlig möglich, nachdem neben den Sammlungen und Handschriften-Ncper- torien und -schätzen eine beachtliche Bibliothek geschaffen ist, die heute rund 15 000 Bände zählt. Man bedenke, daß der schlimmste Hemmschuh
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