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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.10.1930
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1930-10-08
- Erscheinungsdatum
- 08.10.1930
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
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- Saxonica
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7S4S X- 234, 8. Oktober 1930, Fertige Bücher, Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhandel. soksnn äebsstisn 6sck kort äcksllplstten Fromm trug da« Grammophon unterm Arm und Edna hielt Platten, 8s war nirgend« Platz für den Kasten, da setzte sich 8dna auf den Loden ln dle Mitte des Räume« und drehte da« Grammophon auf. Lach, der schon hlnter seinem Klavichord saß, hatte sich erhoben und schaute ver wundert auf 8dna, »Herr Hofkapellmeister*, sagte 8dna, als sie seine Llicke auf sich ge lichtet sah, »bevor Sie beginnen, hören Sie hier einmal zu, Ich bringe Ihnen den unsterblichen Johann Sebastian Lach,* Sie legte die Platte auf und setzte den Stift an, llnd durch da« Zimmer sang Lach« reinste und edelste Fuge, au« einer Orgel, die einem Walde von Stimmen glich. Lach lauschte eine kleine Weile, bann runzelte er die Stirne und neigte den Kopf, 8r machte einige große Schritte zu 8bna hin und legte ihr die Hand leicht auf die Schulter, »Wist Eie die Gnade haben und diese entsetzliche Musikschachtel eln- halten lasten*, sagte er ergrimmt, »wer hat denn diese« Verbrechen began gen 7 Wer wagt e« denn, die Musik» auf solche Weise zu schanbieren?* Verblüfft und mit hochrotem Kopfe stellte Edna den Apparat ab, 2m Hintergründe lächelte die Distel vor sich hin, Schweigen lag über dem ganzen Zimmer, Aber 8bna gab sich nicht geschlagen. »Herr Hofkapelimeister!" begann sie und stand mit einem Ruck auf, daß die Röcke flogen und die ganze Äachfamiiie betroffen auf die schönen, freien Leine de« Mädchen« schauten, »Herr Lach, es Ist Ihre Musik —* »Rein!* brüllte Lach wütend, »Sie irrt sich, es ist nicht meine Musik! 8s ist eine verbrecherische und tote Musik, davon ich niemals einen Ton komponiert habe!* 8dna und der alte Lach sahen sich feindlich an, »Ia*, dachte 8dna verstimmt, »warum wist er es denn nicht begrei fen um alles in der Welt, und es ist doch der teuerste Apparat, den man sich denken kann, ohne Rebengeräusche!* Lach trat plötzlich näher, »Gerechtigkeit*, sagte er ruhiger und lächelte Edna an, »die Orgel scheint exzellente zu sein. Habe niemals solche Stimmen in der Orgel gehört. Wist Sie die Güte haben und die Schachtel noch einmal spielen lasten?* Edna setzte sich gehorsam auf den Loden und streckte ungeniert die Leine in« Zimmer, erheitert sah der Hofkapellmeister herunter, llnd die Fuge begann zu singen. Lach stand mit tiefgesenktem Kopfe eine lange Weile, dann ging er plötzlich in die Knie und beugte die Ohren tief auf die Platte, Mächtig füllte da« schöne Instrument den Raum. Lach hatte begonnen, leise die wohlbekannte Melodie mitzusingen, und als die Fuge zu Ende war und der Stift mißtönend ins Leere lief, schrak er zusammen, »Wohl*, flüsterte er zu Edna, »es ist doch meine Musik, wer hat da« gemacht und in welchem Lande kennt man den Lach dermaßen?* Edna antwortete leise: »Auf der ganzen Welt kennt man den Lach!* Sie sah ihm nahe in« Gesicht, ein weiches, asttägliches, bürgerliches Gesicht, nichts war darin ausgeprägt, was auf einen Genius hingedeu- tet hätte, nur dann und wann zuckte durch die Augen ein mächtiges Wetterleuchten, Zimmerbusch hatte sich erhoben und ging hinaus. Als er wiederherein kam, legte er zu Edna« Füßen eine Platte nieder, die sie hastig zur Seite schob, »Was ist das hier?* fragte Lach neugierig, »Ach*, antwortete Edna verlegen, »eine amerikanische Iazzkapelle.* Lach hob die Augenbrauen, »Amerikanisch? Iazz? Was ist bas? Kann die Schachtel das spielen?* Edna sandte einen wütenden Llick zu Zimmerbusch, dann legte sie die Platte resigniert auf, llnd sogleich wippte der ganze Raum von Saxophonen und Trommeln auf und nieder, und Edna sah, wie Lach aufsprang. Er fuhr sich durch die Haare, Dann ging er eilends hinter sein Klavichord, als ob er dort Schutz suchen wollte, er beugte sich weit herüber und riß di« Augen auf. »DesTeufelS!* schrie »plötzlich,und seineAugenbegannenzu funkeln, »Oes Teufels!* schrie er noch einmal und starrte auf den Apparat, Er atmete heftig, und durch den ganzen Raum ging eine Unruhe, llnd nun begannen auf der platt- die Musikanten zu singen, einen jener halblauten, rhythmischen, englischen Iazzgesänge von blauen Rächten und Liebe, von Heimweh und Meeren und Monden und Son nen, Die Platte fegte mit einem heilen Saxophonschrsi zu Ende, In diesem Augenblick schoß im Hintergründe des Zimmers ein Knabe senkrecht von seinem Stuhle, Es war derselbe, der ihnen die Türe ge- öffnet hatte, Sr hatte di- Finger ineinander verkrastt- sein Gesicht war blaß, und ln seinen Augen stand ein entzücktes Glimmen, »O Vater* sagte er atemlos, »Vater, erlaubt mir, daß ich da« noch einmal höre,* Sr zitterte an asten Gliedern, Lach sah, ln tiefe« Rach- denken versunken, seinen Sohn an, »Oes Teufels*, erklärte er bann, »es ist Musik des Teufel«, tnstru- mentaliter, aber virtuos. Das muß man studieren,* llnd schon hatte Edna den Apparat wieder aufgezogen und ließ die Platte laufen. Wieder schmetterten die Rhythmen einher,, wieder be gannen die Musikanten mit ihren gedämpften Gongs, Da kamen vom Klavichord her dünne Klänge, Edna sah erstaunt auf, und auch die anderen sahen aufgeschreckt hinüber. Lach saß mit geschloffenen Augen vor den Tasten, den Kopf hinten, übergebeugt, und über den Rhythmen der Iazzkapelle schwebten jetzt, dünn und durchdringend, aber ohne klanglich zu stören, Akkorde ohne Zahl, Lach setzte die Akkorde genau dort ein, wo sie den Leichtsinn der Iazz- melodie auffingen und zerstörten, seine Hände griffen in rasender Folge das Klavichord ab, und indessen im Grammophon die Geigenläufe da hinfegten, die Trommeln wippten und die Lläser überraschend einher taumelten, gab der alte Äachsntcht um Haaresbreite nach, fegte hinter her, überholte jene, überflügelte sie, ging in Tonarten über, die ergänzten und vervostkommneten, streute neue Melodien dazwischen, wirbelte Arp- pegten darüber, geriet wie ein Sturmwind zwischen die Iazzmusikanten, llnd indessen aste im Zimmer fasziniert waren von solcher Virtuosität und solcher Einfühlungskrast. wußte im Hintergrund die Distel astein, was Lach unternahm. Sie wußte, daß er den Zauber dieser Platte durch seine Akkorde vor sich selber brechen und zerstören wollte, daß er vor seinem Iungen dort au« dem Leichtsinnigen da« Ernste und aus dem Freien das Fromme machte, daß er sich wehrte mit der ganzen Kraft seiner Kunst und mit der ganzen Stärke seiner Seele gegen den Überfall dieser unbekannten, dämonischen Musik, llnd als die Sänger auf der Platte zu singen begannen, war es nicht mehr wie ein sentimentale« Quartett von Riggern, sondern Lach rückte mit seiner Musik auch diesem Chor zu Leibe, Auf einmal schwebten durchs Zimmer die süßen Läufe einer Geige, Lach hob den Kopf, und sein Gesicht leuchtete. Sie sahen den Knaben, der seine Geige anS Kinn gehoben hatte, und aus dieser strömten nun die Melodien rein und mächtig einher und fügten sich zu der Musik des Vaters, sie hatten sich gefunden und marschierten nun zusammen mit ihren Instrumenten gegen eine Musik, die nicht von ihrer Welt war, und das Können der beiden umarmte sich in diesem Gang durch die Finsternis, llnd als die Platte zu Ende gelaufen war, musizier ten sie weiter, als ob sie den letzten Schmutz aus ihren Ohren fegen wollten und aus dem Zimmer treiben und aus der Welt schaffen. Mit einem strahlenden Akkord brachen beide gleichzeitig ab, llnd da geschah es, daß Lach schastend lachte. Er stand auf und schlug sich auf die Schenkel, und die Schultern des Knaben zuckten vor Vergnügen. »Geschlagen, geschlagen!* schrie Lach, Dann machte er eine Handbewegung, »llnd jetzt wosten wir euch Musik machen.* neuen Roman: Textprobe aus dem » Dei^Lanä läuft fcrlzcä lm. ^tunäengla§« Union Oeutscke Verlaßäßesellsckait in Ztuttßnrt
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