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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.03.1895
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 12.03.1895
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- Deutsch
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^ 60, 12 März 1895. Nichtamtlicher Teil. 107 t gestoßen zu werden auf einen tieferen gesellschaftlichen Rang, eine Stellung, die wir längst glaubten überwunden zu haben. Gegenüber den hier und da hervorgetretenen Angriffen der Sortimentsbuchhändler sei doch darauf hingewiescn, daß für viele Personen die höfliche Anfrage eines Detail-Reisenden wcnigcr lästig ist, als die Zusendung eines Bücherpackcts zur Ansicht; den erstcren wird man, wenn man nichts kaufen will, schnell los; aber wenn man das Paket des Sortimenters erst geöffnet hat, so muß mau es sorgsam aufbewahrcn, ver schnüren, adressieren und frankieren, kurz sich recht sehr genieren, was man dem Kolportage-Buchhandel gegenüber nicht nötig hat. Läßt man das Paket liegen und läßt sich's der Sorti menter holen, so wird, falls Artikel 7 angenommen würde, sein Bote bei Leibe nicht beim Abholen fragen dürfen, ob man denn nichts kaufen will; denn dann fiele auch dieser gute Mann unter den Hausicrparagraphen, müßte einen Hausierschein haben und so und so alt sein, so daß also in Zukunft der Sortimenter hierzu nicht mal seinen »Stift« ver wenden könnte. Der Hausierer, dem der Detnilreisende gleichgestellt werden soll, nimmt aber in der Gewerbe-Ordnung eine so außerge wöhnlich schlechte Stellung ein, daß er auch dem Richter gegenüber nahezu vogclfrei erschciut. Dies steht nicht direkt im Gesetz, aber die Entscheidungen höchster Gerichtshöfe thun dies dar. Wir bringen die Ent scheidung des Münchener Obcrlandesgerichts in Sachen Gerst- maier und Huber in Anlage V. Danach steht die Sache so: Es kaufen sich zwei Personen in Berlin Unter den Linden am Schnittpunkte der Friedrich- straße je ein Exemplar irgend einer Klatschblattes. Dasselbe enthält ein bedenkliches Feuilleton. Der eine kauft's in dem Selter- und Zeitungskiosk, der andere bei der hin- und her trippelnden Zeitungsfrau. Ein Schutzmann konfisziert diese Zeitungsnummern, weil das Feuilleton geeignet ist, in sittlicher Beziehung Aergernis zu erregen. Unter ß 184 N.-Str.-G.-B. fällt dasselbe nicht! Was geschieht nun? Redakteur und Verleger bleiben straffrei, gegen sie liegt etwas Strafbares nicht vor. Auch das Fräu lein in der kohlcnsauren Zeitungsbude ist straffrei, sie ist in einem »stehenden Gewerbe« thätig, dagegen fällt das arme Zcitungsweib hinein, denn sie betreibt ihr Gewerbe im Umherziehcn, und ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit ist es, wenn sie Zeitungen verkaufen will, dieselben dahin zu prüfen, ob nichts darin steht, was in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergernis zu geben geeignet ist. Ja, das ist die verfluchte Pflicht und Schuldigkeit solch' eines Zeitungswcibes im Deutschen Reiche des Jahres 1895! Das Münchener Landgericht hatte diesen horrenden Zu stand in II. Instanz als absurd nicht wollen gelten lassen, aber das Münchener Oberlandesgericht hat die Vorinstanz eines bessern belehrt, und in unfern Blättern ist anerkannt, daß nach der derzeitigen Lage der Gesetzgebung die Entschei dung überall so ausfallen mußte! Es mag wohl mancher der hohen Herren Mitglieder des deutschen Reichstages sich hierbei sagen, daß er eine solche Ano malie nicht habe ahnen und voraussetzen können, welche zur Folge hat, daß der Herr Verleger stolz die »Linden« herabfährt, während ein Verkäufer seines Blattes abgefaßt wird, daß jenem nichts passiert, während der Verkäufer zu soundsoviel Mark Geld und eventuell zu Freiheitsstrafe verurteilt wird, obwohl jeder vernünftige Mensch sich sagen muß, daß die Forderung, welche das Gericht auf Grund der Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung an den Händler im llmherziehen stellen muß, einfach unerfüllbar ist. Daß hier ein arger Mißgriff der Gesetzgebung vorliegt, dürfte den hohen verbündeten Regierungen kaum uubckannt geblieben sein. Davon, daß nach dieser Richtung eine Aendernng der Gewerbeordnung geplant sei, davon hat leider nichts ver lautet, obwohl es doch Gewissenspflicht der Gesetzgebung ist, den Schwachen zu schützen und Unmögliches von keinem Staatsbürger zu verlangen, was doch hier offenbar geschieht. Wir verkennen die Schwierigkeiten nicht, welche sich den hohen verbündeten Regierungen hier entgegcnstellen; es müßte an dem viel umstrittenen § 56 Abs. 10 d. N.-G.-O. etwas geändert werden, und dieser Paragraph ist anscheinend für manche Väter desselben ein Xoli ws tsnZere. Wir können nicht erhoffen, daß wir bei dieser Gelegen heit die Beseitigung desselben durchsetzen; aber darauf müssen mir Hinweisen, daß nach diesem Stande der Gesetzgebung, falls Artikel 7 des Entwurfs Gesetz wird, jeder Buchhandlungs reisende, abgesehen von allen polizeilichen Scherereien, fort und fort der Gefahr ausgesetzt bleibt, unschuldig - im Sinne des gesunden Menschenverstandes, nicht der R.-G.-O. — vom Richter bestraft zu werden. Vertreibt er Goethes Werke, wer bürgt ihm dafür, daß nicht die eine oder andere Stelle, sei cs in den Römischen Elegieen oder sonst wo, in sittlicher oder religiöser Beziehung Aergernis zu geben geeignet erscheint? Unter diesen Para graphen kann man recht viel bringen; wer weiß, ob nicht in Schillers Werken, z. B. den Erzählungen, einiges hierunter zu bringen wäre? Daß einige Abschnitte aus Beckers Welt geschichte (Ludwig XIV. und XV.) hierunter gehören, erscheint kaum zweifelhaft. Und so weiter in intwitnm. Indes unter den Buchhandlungsrcisendcn sind wohl auch frühere Juristen, neben Offizieren und Angehörigen anderer Berufsklassen, aber sic sind nur spärlich vertreten, und welcher Laie wäre imstande, selbst wenn er die ungeheuere Lesearbcit zu bewältigen wüßte, ohne an seinem Verstände Schaden zu leiden, mit einiger Sicherheit zu sagen, daß in allen den schönen Sachen, die er vertreiben soll, nichts enthalten sei, was ihn unter diesem Ge sichtspunkte strafbar machen könnte. Es besteht somit ein schweres Ausnahmegesetz, unter welchem die wirklichen Hausierer mit Druckschriften leben müssen. Es ist daher erklärlich, daß der gesamte Stand der Kolportage-Buchhändler sich aufrafft, um von seinen Reisenden die Gefahr, ebenfalls unter dieses Ausnahmegesetz gestellt zu werden, abzuwenden. 3. Und wenn dies dieser Stand thut, so kann er darauf pochen, daß er etwas geleistet hat, was ihm niemand zu getraut uud was selbst seine Gegner, soweit sie ehrlich sind, haben anerkennen müssen, nämlich: »Es ist dem Kolportagebuchhandel gelungen, aus den Deutschen, die von jeher für litte- rarische Genüsse zwar entschiedene Neigung zeigten, aber nur wenig Geld übrig hatten, ein Bücher kaufendes Volk zu machen, sicher ein schweres Stück nationaler Kulturarbeit!« Dies sagen nicht wir, sondern das sind die Schlußworte einer gegnerischen Schrift Band XIX Heft 10 der Zeitfragcn des christlichen Volkslebens: Moderne Colportageliteratur von Paul Dehn. Aus dieser Schrift, deren Schilderungen freilich von Uebcrtreibuugen zu unseren ungunsten strotzen, ersehen wir, daß es auch eine umfangreiche katholische Kolportage-Litteratur giebt mit einer im Borromüus-Verein zusammengefaßtcn starken Organisation, aber auch mit recht sonderbaren Aus wüchsen, gegen welche vielleicht »einzuschreiten« wäre. So lesen wir da, daß in Innsbruck eiue Zeitschrift »Sendbote des göttlichen Herzens Jesu, Monatsschrift des Gebetsapostolntes« erscheint; Herausgeber ist Joseph Malfatti, Priester der Gesellschaft Jesu. Dieser Priester-Herausgeber 186*
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