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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.10.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-10-25
- Erscheinungsdatum
- 25.10.1920
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Redaktioneller Teil. X- 240, 25. Oktober 1920. Ich meine, die humorvolle Schilderung der sozialistischen Parteibuchhandlung sollte Herrn Elberfeld zu der Frage veran laßt haben, ob die Folgen der Parteipolitisierung des Buch-! Handels überhaupt erwünscht wären. Diese Folgen muß man sich klar machen, um zu einem Urteil zu gelangen. Von vorn herein sei bemerkt, daß ich im folgenden natürlich keiner Partei das Recht absprechen will, Verkaufsstellen für ihr« Broschüren einzurichtcn. Es handelt sich hier wie in den Ausführungen Elberfelds um die Gründung parteipolitischer Sortimente, was nach meiner Meinung eine Spezialisierung im übelsten Sinn« wäre. Der gewitzte Bllcherkäufer würde die Buchhandlung seiner Partei bevorzugen und also einseitig orientiert werden; der ahnungslose Kunde würde der Beeinflussung seines Buchhänd lers ausgesetzt, und zwar ebenfalls in ganz einseitiger Weise. Die Folge wäre jedenfalls, daß der Sortimenter sich zum Zensor seines Publikums aufwersen mühte — eine Rolle, die sich wohl kein Sortimenter anmaßt. Nein, Herr Elberfeld, die Aufgabe des Buchhändlers verkennen Sie vollkommen I Er ist weder ein Lehrmeister seiner Kunden, noch das aussührcnde Organ einer politischen Partei, die eine Kontrolle über seine Büchervorräte ausüben dürfte. Der Buchhändler ist, ebenso wie der Biblio thekar, höchstens ein Berater des unerfahrenen Käufers. In seiner Eigenschaft als Berater spielt natürlich seine Welikenntnis und -anschauung eine gewisse Noll«, aber zu einer parteipoliti schen Beeinflussung kan» und darf das nicht werden. Dafür sorgt schon das von den Sozialisten so sehr verurteilt« Eigen interesse; denn wollte ein Buchhändler statt verlangter sozia listischer Schriften dem Kunden etwa Spttta, Psalter und Harfe, oder Tirpitz, Erinnerungen, anbieten, so würde er eben-sehr bald den betreffende» Kunden verlieren. Aber di« Folgen einer Parteipolitisierung des Buchhandels Wären noch viel schwerere, weittragendere. In der heutigen Zeit der inneren Zerrissenheit des deutschen Volker, dem von Herrn Elberfeld und Genossen «ifrigst der »Klassenkampf als die massive Grundlage unserer Kultur- ge predigt wird, sollte es doch noch einige neutrale Orte geben, an denen man das Empfinden der Zusammengehörigkeit aller Deutschen hat. Dazu gehören nicht nur das Wartezimmer der Arztes und dos Bureau der Steuerbehörde, sondern vor allen Dingen die Stätten geistiger Kultur: die HScsäle unserer Uni versitäten, die Konzert- und Thcatersäle, und nicht zuletzt auch die Buchhandlungen. So gut wie Bach und Wagner und all die andern Großen mit ihrer Kunst jeden Deutschen erfreuen und erheben, so gut sprechen auch Wallenstein und Faust zu jedem Deutschen. Denn wenn wir hinaussteigen »ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen-, dann liegt auch hinter uns »in wesenlosem Schein« das, was uns alle bändigt, das Gemeine-. Und wenn der jubelnde Schlußchor der 9. Symphonie, das »Seid umschlungen, Millionen- ertönt — dann möchte ich denjenigen sehen, der noch an Partetunterschtede denkt. Steht cs denn nun mit den Erzeugnissen, die der Buch handel darbietet, anders? Die Literatur ist für das ganze Volk da. Freilich kann sich nicht jeder mit jedem einverstanden erklären; und der «ine mag bei der Lektüre eines Romans mehr Gewicht auf die soziale Seile legen, während der andere sich mehr über die Schönheit der Sprache freut. Hier entscheidet die individuelle Veranlagung. Aber das hindert nicht, daß Lite ratur, Kunst und Wissenschaft allen gemeinsam gehören. Und weiter: wahre Bildung beruht auf Vielseitigkeit, nicht aber auf Einseitigkeit, wie sie von einer parteipolitischen Buch handlung zweifelsohne gefördert werden würde. Der Wissens und Bildungsdrang, der im deutschen Volke wahrscheinlich tiefer wurzelt als in mancher anderen Nation, kann nur befriedigt werden, wenn man nach dem Prinzip verfährt: prüfet alles und erwählet das Beste. Das ist eine Aufgabe, die der einzelne selbst vorzunehmen hat, der sich über eine bestimmte Frage eine eigene Ansicht bilden will. Die Mittel und Wege dazu aber weist ihm nur ein unparteiischer Buchhändler, wie ihn der deutsche Sortimenter bisher darstellte und hoffentlich auch weiter darstellen wird. Wollte man den Ansichten Elberfelds folgen und besondere Buchhandlungen für den Arbeiter errichten, in denen 1274 er nur das sieht, was die Partei für gut befindet, so würde man den Schrei nach Gedankenfreiheit, der im Don Carlos gegen Zeinen despotischen König erhoben wird, an die Leitung der- Wenigen Parteien zu richten haben, die die Freiheit auf ihre Fahne geschrieben haben. Darum zurück von dem Wege der Parteipolitisierung unserer Kultur, bei der leider verschiedene Richtungen am Werke zu sein scheinen. Da wir von unseren Feinden äußerlich versklavt sind, soll wenigstens auf geistigem Gebiete der alte Fliesenspruch gelten: Lewer duad üs Slav! Ich deutete oben bereits darauf hin, daß der Sortimenter von heute kein Diener kapitalistischer Interessen ist. Erwerbs trieb und Konkurrenz nötigen ihn, zu verkaufen, was verlangt wird, wenn es nicht gerade Schund ist. Herr Elberfeld möge nur einmal den Versuch machen, ob bei reger Nachfrage nach sozia listischer Literatur nicht sehr bald jede Buchhandlung einen größeren Vorrat davon haben wird. Wenn Herr Elberfeld in einem Durchschnitts-Sortiment heute nicht das findet, was er sucht, so ist das nur ein Beweis dafür, daß die betreffende Lite ratur wenig gekauft wird. Es gibt zahllose Spezialgebiete, von denen der mittlere Sortimenter nur wenig oder nichts vorrätig hat. Daraus zu folgern, der Sortimenter wolle von dieser Art Literatur nichts verkaufen, ist absurd. Die technische Seile der Frage nach parteipolitischer Spezia lisierung des Sortiments scheint mir von Herrn Elberfeld auch nicht in sehr kompetenter Weise geprüft zu sein. Zunächst möchte ich ihn darauf aufmerksam machen, daß er als Marxist, der er doch zu sein scheint, nicht logisch korrekt bleibt. Die Errichtung parteipolitischer Buchhandlungen würde bei der Vielzahl unserer Parteien doch eine Zersplitterung des Buchhandels bedeuten — wo bleibt da die »Tendenz zur großkapitalistischen Konzen tration-, von der die Marxisten so oft und gern reden? Woher sollen ferner bei der Bildung zahlreicher kleiner Sortimente die literarisch bewanderten, buchhändlerisch geschulten Kräfte ge nommen und bezahlt werden? Diese und. viele ähnliche Fragen drängen sich auf; ihre Beantwortung überlasse ich den Befür wortern sozialistischer Buchhandlungen. Herr Elberfeld stellt den bisherigen sozialistischen Partei buchhandlungen das wenig ehrenvolle Zeugnis aus, daß sie außer Kautabak und Schundliteratur nur Marlitt, Courths- Mahler und ähnliche Romane verkaufen, daß aber das innerlich wertvolle Buch nicht bis dahin dringe. Ich kann daraufhin nur die obige Frage wiederholen: ob er meint, daß das durch möglichste Zersplitterung des Buchhandels besser würde. Ich glaube nicht. Geht W. Elberfeld aber in eine wirkliche Buch handlung, so wird er sich überzeugen, daß dort neben einfachen guten Romanen alle Stufen einer verfeinerten Literatur anzu- Ireffcn sind. Jeder Kunde kann das für seinen Bildungsgrad und seine Geschmacksrichtung passende Buch erhalten, und zu den Fähigkeiten des Sortimenters gehört es, den Käufer zu beurteilen und ihm darnach Vorschläge zu machen. Allerdings die »aller- erbärmlichste Schundliteratur-, die Herr Elberfeld nach seinen eigenen Worten in den sozialistischen Buchhandlungen fand, ist in einem wahren Sortiment nicht anzutreffen. Der lebhafte Kampf gegen den Schund, den der deutsche Buchhandel führt, zeugt davon, daß er sich nicht als Vertreter privatkapitalistischer Interessen betrachtet, sondern sich seine Aufgaben höher steckt! Darum möge Herr Elberfeld seinen Parteifreunden nur ruhig die »bürgerlichen Buchhandlungen- empfehlen, denn diese besorgen auch sozialistisch« Schriften, und vor Schund sind die Arbeiter bei Betreten solcher Geschäft« bewahrt! Wenn Herr Elberfeld den sozialistischen Buchhandlungen anrät, »größere Restbestände von guten Büchern und Klassikern antiquarisch aufzukaufen-, so würde er zweifellos dem Sorti ment einen großen Gefallen tun, wenn er ihm Quellen für solche Restbestände angeben könnte. Dieser Vorschlag zeugt von sehr geringer Kenntnis der heutigen Verhältnisse im Buchhandel und im Wirtschaftsleben überhaupt. Papiernot, hohe Löhne und Frachten und vieles andere bewirken eine grüße Bücherknapp, heit sowie schnelles Bergriffensein vielverlangter Bücher — wo her sollen da wohl die »größeren Restbestände- kommen?!
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