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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.06.1920
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- 1920-06-29
- Erscheinungsdatum
- 29.06.1920
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. X- 141, 28. Juni 192V. gewinnenden sogenannten soziologische» Rechtsaufsassung. die in der Erforschung des Lebens und der wirtschaftlichen Bedürf nisse ihre Hauptaufgabe sieht und bei Auslegung von Rechts fragen sich von diesen Prinzipien tragen Iaht. Man darf annchmcn, daß bei Abschluß eines Vertrags der übereinstimmende Wille der Parteien dahin geht, diejenigen Verhältnisse zu regeln, von denen die Durchsetzung des mi! dem Vertrage Beabsichligten bedingt ist. Der Vertragswille umfaßt mithin alle die Lebensverhältnissc (im weitesten Sinne des Wortes), deren Zusammenwirken in dem beim Vertragsabschluß angenommenen Maße die Errcichrnrg des Vertragszwecks ermög licht. Beim gegenseitigen Vertrage, in dem eine Leistung der anderen gegenüberslcht, werden die beiden Leistungen von den Parteien als gleichwertig betrachtet. Wird die eine Leistung unmöglich, oder ist sie infolge eines nicht in der Person des Leislungsverpflichteten (man dcnle an die Fälle von der Liefe rung ausländischer Rohmaterialien während des Krieges) ge gebenen Umstands nur mit größten Opfern zu erwirken, so ist der Vertragszweck weggefallen, da dieser nicht darauf gehen kann, dem einen Teile ohne Gegenleistung oder gegen eine unverhält nismäßig kleine Gegenleistung einen Vermögensvorteil zu ver schaffen. Als entscheidend darf mit Oertmann der von diesem bereits vor dem Kriege ausgestellte Grundsatz gelten: »ob die Verhältnisse der beim Vertragsschluß vorhandenen und als fort- bcstehcnd unterstellten Verhältnisse die Grenze überschritten ha ben, jenseits deren von einer Erreichung des Vertragszwecks nicht mehr die Rede sein kann». (Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, Leipzig 1814, S. 208.) Diesen nach der Verkehrs sitte, nicht nach dem Wunsche der einen Partei zu bemessendcn Vertragszweck sestzustellen, ist Aufgabe des Richters im Einzel falle. Das Reichsgericht Halle bezüglich der Unmöglichkeit von vertraglichen Leistungen in seinen bekannten Urteilen dann eine Aufhebung des Vertrags infolge Unmöglichkeit festgestellt, wenn der Inhalt dieser erlangten Leistung infolge der zeitlichen Hin ausschiebung der Lieferung für beide Teile ein anderer geworden sei, sodaß sie nicht mehr als die beim Vertragsabschluß erwar tete oder gewollte zu erachten sein würde (so die Urteile vom 27. März 1817 RGZ. 8V, 102, und RGZ. 93, 341, vom 15. Ok- tober 1818 RGZ. 94, 46, und vom 22. Oktober 1918 RGZ. 94,68). Eine Ausnahme von dieser Regel erblickt das Urteil vom 15. Ok- tober 1918 lediglich in einer zwischen den Paricicn getroffenen Abmachung, daß die Leistung unter alle» Umständen erfolgen muß, was aber ein seltener Ausnahmesall sei, wie durch Urteil vom 28. Oktober 1919 (Jur. W. 1920, S. 376) nochmals hervor gehoben wird. In allen diesen Fällen wird also die völlige Um wälzung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Richtung vom obersten Gerichtshof bewertet, daß sie den Lieferungsvcrpflichtetcn entband, weil die an und für sich mögliche Leistung nicht mehr von den Parteien bezweckt war. Eine laisächliche Unmöglichkeit lag mithin nicht vor: die vom Reichsgericht angenommene Un möglichkeit war eine Fiktion im Sinne von Vaihingcr. Eine neue Beurteilung haben diese Tatbestände durch die Rechtsprechung des 2. und 7. Zivilsenais des Reichsgerichts in dessen Urteilen vom 28. Oktober 1919 (Jur. W. >290 S. 276) und vom 24. Februar 1920 (Jur. W. 1920 S. 434) erfahren. Diese Zivilsenate operieren nicht mit dem Begriff der Unmöglichkeit, sondern sie halten in diesen Fällen einen Zwang zur Erfüllung mit der durch 8 242 BGB. gebotenen Rücksichtnahme auf Treu und Glauben und auf die Verkehrssitte sttr unvereinbar. Be sonders das zweite Urteil ist so bemerkenswert, daß ich darauf näher eingehen will. Der Tatbestand war hier der, daß eine Werft sich durch Vertrag von November und Dezember 1916 verpflichtet hatte, für einen bestimmten Preis einen Schtffsrumpf zu bauen und ihn binnen Jahrespflicht zu liefern. Die Aus führung des Baues wurde gehindert durch ein bis zum November 1918 in Kraft gewesenes Bauverbot des zuständigen General- kommandos. Nunmehr verlangte der Besteller Lieferung des Sehiffsrumpfes, während die beklagte Schiffswerft mit Rücksicht auf die seit der Revolution eingetretenc Umgestaltung des Wirt schaftslebens Befreiung von dem Vertrage wünschte. Das Reichs- 691 geruht hat sich der Ansicht der Werft angeschlossen, indem es unter Darlegung der jetzigen wirtschaftlichen Verhältnisse aus- führt, daß nach dem Vertragszweck die im Vertrage vorgesehene Vergütung ein angemessenes Entgelt für ihre Leistung darstellen sollte, und es fährt dann wörtlich fort: »Die vertraglichen Be rechnungen der Parteien haben jede Grundlage verloren, ihre Leistungen würden wirtschaftlich von ganz anderer Bedeutung sein, als sie nach dem vertraglich gemeinten Willen sein sollten. Müßte die Beklagte den Bootsrumpf zum Preise von 33 900 liefern, so würde sie nicht nur jeden Verdienst einbllßen, sondern noch sehr bedeutende Geldauswendungen zusetzen müssen, wäh rend der Kläger ein Werk erhielte, dessen Wert sich dem Doppelten des Preises nähern würde. Ein solches Ergebnis könnte nicht billig und gerecht erscheinen. Die gebotene Rücksichtnahme auf Treu und Glauben führt unter den hier in Betracht kommenden Verhältnissen nicht zur Aufrechterhaltung des Vertragserfül- lungszwangs, sondern vielmehr zur Befreiung des Unterneh mers von der Leistungspflicht«. Man sieht, daß das Reichsgericht hierbei einen billigen Aus gleich der beiderseitigen Interessen der Parteien versucht Hai, und daß es diesen Ausgleich hier in der Befreiung der anderen Partei von diesem Vertrage gefunden hat. Mit Rossnthal (in Jur. W. 1920, S. 434) erblicke ich in diesem Urteil die Grund lage einer neuen Rechtsprechung in dieser Frage. Das von mir wiedcrgegebene Urteil des 7. Zivilsenats ist umso bemerkens werter, als der gleiche Zivilsenat in seinem Urieil vom 2. De- zember 1919 (Jur. W. 1920, S. 374) noch nicht die Rücksicht nahme auf Treu und Glauben im Verkehr als die Grundregel ausgestellt hat, hier vielmehr noch die Unmöglichkeit der Leistung ^ und die daraus folgende Lieferung von der Vorhersehbarkeit der Preiserhöhung abhängig macht. Auch geht die in diesem Urteil geprägte Rechtsanschauung wett über die Bedeutung der eingangs erwähnten clausula robus sic swutibus hinaus. Denn diese Klause! besagt, daß eine Fortsetzung des Vertrags wegen Änderung der geschäftlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung des Zlvecks und Inhalts des Vertrags der einen Partei nicht mehr zuzumuten ist. Die Klausel löst also das Vertragsverhältnis auf. Anders die Anwendung der vom Reichsgericht angegebenen Gesichtspunkte. Denn wenn man de» Grundsatz von Treu und Glauben im Ver kehr als obsiegende Richtschnur bewertet, wird man in vielen Fällen nicht zu einer glatten Befreiung des Lieferungsverpslich- teten kommen, sondern das durch die Umgestaltung des wirtschaft lichen Verhältnisses bedingte Mißverhältnis zwischen beiden Leistungen dadurch beseitigen, daß man die Gegenleistung ent- sprechend erhöht. Dieses ist meines Erachtens eine notwendige Folg« des erwähnten Rechlsgrundsatzes. Denn wenn die Be freiung des Schuldners aus dem Grunde eintrttt, weil ihm nach Treu und Glauben diese Leistung infolge Mangels einer gleich- artigen Gegenleistung nicht zugemutct werden kann, hat der Let- stungsberechligle einen Anspruch aus die Leistung, wenn er die Erfordernisse der Zumutbarkeit begründet, dem Leislungsver- Pslichteien den ihm durch die Leistung drohenden Schaden ver- gütet. Denn der Anspruch des Schuldners kann meines Erachtens nur aus Abwehr dieses Schadens gehen, nicht dagegen auf Er zielung eines irgendwie angemessenen Gewinns. Andererseits aber kan» auch der Leistungsvcrpflichtete leisten und seinerseits de» angemessenen Gegenwert fordern. Denn da für ihn wegen der Nichlzumulbarkcit der Leistung Befreiung vom Schuldverhält- üs eingctrcten ist, leistet er an einen Nichtbercchttgten, sodaß dieser durch seine Leistung bereichert wird und demgemäß nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung haftet. Die Mög lichkeit einer unter Aufrcchterhaltung des Vertrags erfolgenden Preiserhöhung wird, soweit ich sehen kann, bisher nur vom Oberlandesgericht Hamburg im Urteil vom 24. 3. 1919 (Hans. Ge- richlszeitung 1919 S. 81) zugegeben: m. E. folgt sie zwingend aus den oben dargclegten Gründen. Es wird also m. E. auf Grund der im letztgenannten Urteil des Reichsgerichts ansgeführien Rechtsgrnndsätze möglich sein, dort, wo der Zweck des Vertrags dadurch vereitelt ist, daß die geldliche Gegenleistung nicht mehr das angemessene Entgelt seiner Leistung ist, diese durch Richterspruch auf die angemessene Höhe
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