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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1913
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- Deutsch
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160, 14. Juli 1913. Redaktioneller Teil. VSrlenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. 7259 lFortsestun» zu Leite 7240. > je dagewesen« — heißt es gleich eingangs. Es schließen sich daran Ausführungen von größter Schärfe. Ich weiß nicht, welche Schriftsteller dem genannten Verein angehören und ob er daneben auch eine quantitative Bedeutung hat. Immerhin hat der Artikel eine symptomatische Bedeutung, er ist ein erneuter Beweis dafür, daß man allerorten anfängt sich gegen die ano nyme Majoritäts-Zensurierung zu wehren, gegen diese Zen- surierung, die sich nicht damit begnügt, ein Buch als gut oder schlecht zu bezeichnen, sondern zugleich auf Grund ihrer ausge bauten und weitverzweigten Organisation nichts anderes neben sich dulden will, als was von ihr approbiert und entweder mit einem sichtbaren Stempelaufdruck versehen oder in »das Ver zeichnis« ausgenommen ist. Aus der Zeit der körperlichen Gängelbänder sind wir heraus; dafür sollen geistige Gängel bänder zur Herrschaft kommen. — Beiläufig bemerke ich, daß zum Vorstand des Dürerbundes, und zwar zur besonderen Wahrnehmung der Jugendschriften-Angelegenheiten, die Herren H. Wolgast, Herman L. Köster, H. Scharrelmann und Gansberg gehören. Wenn nun der Vorstand des Dürerbundes eine öffentliche Erklärung zugunsten des Hamburger Jugendschriften- Ausschusses erlassen hat: drängt sich da nicht der Gedanke auf, daß die Herren in eigener Sache Richter gewesen sind? — Von Prozessen, mit denen sich der vorige Abschnitt beschäf tigte, zu Kriminalisten ist ein naheliegender Schritt. In der schönen Zeit nach Pfingsten tagten in Hamburg die Krimina listen und beschlossen ihre Tagung mit einer Wallfahrt nach Friedrichsruh zu Bismarcks Grabstätte. Dort hielt einer der Geistlichen au unseren großen Gefängnissen eine Rede, in der er Bezug nahm auf eine Bismarcksche Reichstagsrede zur Todes strafe; er hat, glaube ich, einige Sätze der Rede in vollem Wort laut zu Gehör gebracht und seine Hörer gemahnt, nicht zu weichlich in der Rechtsprechung zu sein. Darob große Verstim mung bei den Kriminalisten. Ich halte mich nicht für berechtigt, zu dieser Frage im allgemeinen Stellung zu nehmen, meine per sönliche Meinung geht allerdings dahin, daß unser Zeitalter stark feministisch-weichlich durchsetzt ist. Aber einen Einzelfall möchte ich doch zu der Frage beibringen. Mir, als dem Sittlich keits-Apostel — die Bezeichnung ist im höhnischen Sinn auf mich geprägt worden, ich fasse sie jedoch als ehrenvoll auf —, wird allerlei »zu weiterer Veranlassung« angeschleppt, so auch Anfang Dezember vorigen Jahres mehrere bildliche Darstellungen so unzüchtiger Art, daß sie darin schwerlich übertroffen werden konnten. Ich habe dann pflichtgemäß das Weitere veranlaßt. Diese Bilder wurden auf dem Hamburger Dom, dem wochen lang dauernden Weihnachtsmarkt, halb versteckt, halb offen feil geboten. Schon nach sechs Monaten, nämlich Anfang Juni, kam die Sache zur gerichtlichen Aburteilung: eine Geldstrafe von 70 ^ wurde über den betreffenden Händler verhängt! Das Strafgesetzbuch sieht dafür vor Geldstrafe bis zu 1000 und Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre oder eine von den beiden Strafen. Demgegenüber halte ich das ergangene Urteil in der Tat für sehr milde. Jetzt habe ich wieder ähnliche Bilder, teil weise nur noch roher, die in Cafes auf St. Pauli — so sagt man in Hamburg — durch Postkartenhändler verkauft worden sind, der Polizeibehörde eingereicht. Ich bin begierig, welches Strafmaß demnächst das Gericht anwenden, bzw. ob eventuell die Staatsanwaltschaft Berufung gegen zu milde Verurteilungen einlegen wird. Im Zusammenhang damit teile ich mit, daß ich in den letzten Monaten oft buchhändlerisch angegangen wurde, um ein Re ferat, das ich im Jahre 1904 auf einem internationalen Kongreß in Köln über die Pflicht des Buchhandels im Kampf gegen unsittliche und unzüchtige Schrift- und Bildwerke gehalten habe. Es wurde seinerzeit ohne mein Zutun gedruckt; ich habe schon längst kein Exemplar mehr. Darin hatte ich ausgeführt, daß der schmutzige Strom zuerst über die Bühnen ins deutsche Land und Volk geflossen wäre, danach hätten der Roman und die Lyrik und Graphik zu diesen Reizmitteln gegriffen, natürlich immer im Namen der Dichtung und der Kunst. »Die heikelsten Dinge werden in dezenter Weise und künstlerischer Formvollendung dargestellt« — so oder ähnlich hieß es damals schon und heißt es heute noch. Der Niederschlag dieser »künstlerischen« Dar bietungen sind die gemeinsten Unzüchtigkeiten und deren Folge eine erschreckende Zunahme von natürlichen und widernatür lichen unzüchtigen Handlungen, eine rapide Ausbreitung der Ge schlechtskrankheiten und ein deutlich bemerkbares Siechtum des ganzen Volkskörpers, Physisch wie sittlich. Schon vor Jahren wies der Kreis Norden in einem Rundschreiben seine Mitglieder auf diese Gefahren hin, und forderte seine Sortimenter-Mit glieder auf, die belletristische Literatur, die grobe erotische Stoffe behandelte, vom Vertriebe auszuschlietzen. »Der Roman soll das deutsche Volk bei seiner Arbeit aufsuchen.« Wie viele Ro mane beherzigen das heutzutage noch? Ach, erschreckend groß ist die Zahl der Romane, aus denen man den Eindruck gewinnt, daß »Geschlechtsgenuß der Lebenszweck ist« — so hieß es damals in dem Rundschreiben des Kreises Norden. In der Tat, bei sehr vielen Romanen gewinnt man den Eindruck, als ob deren Verfasser und Verfasserinnen ernste, stetige Arbeit überhaupt nicht kennen, sondern dafür Tändeleien, künstlerische Betätigungen und Geschlechtsgenuß als Lebenszweck ansehen. Wo soll das hinaus? Möchten doch alle Verleger und Sortimenter sich der Verantwor tung bewußt bleiben, die sie dem ganzen Volkskörper und be sonders seiner Jugend gegenüber zu tragen haben! — Die F e r i e n z e i 1 ist angebrochen. Gewiß, jedem ist nach t ü ch t i g e r A r b e i t in langen Wintermonaten — Goethe re dete nur von sauren Wochen — eine Ausspannung zu gönnen, und ich habe schon längst in meinem Geschäfte einen nicht zu knappen Sommerurlaub allgemein eingerichtet. Früher kannten wir das nicht, und doch wurde auch damals tüchtig gearbeitet, wahrscheinlich länger als heute. Ich war 35 Jahre alt, ehe ich selbständig wurde, und habe bis dahin Wohl mal einzelne Tage, aber niemals wochenlang Urlaub gehabt, und selbst dann hat es noch 12 Jahre gedauert, ehe ich mir einen regelmäßigen Sommer urlaub gönnte. Auch war damals die Entlohnung der Arbeit, selbst relativ, geringer als heute. Mein erstes Gehilfengehalt be trug im Jahre 1869 in Kassel monatlich 62 50 H nach heuti gem Gelde. Und Weihnachtsgeschenke — du lieber Gott! — beim alten Noa Gottfried Elwert in Marburg erhielt ich 2 Taler und den Stoff zu einer Samtweste, die ich natürlich nie getragen habe; bei meinem hochverehrten Hamburger Chef, meinem Ge schäftsvorgänger G. E. Nolte, das erste Jahr eine Papierschere (»sie möge unsere Freundschaft nicht zerschneiden«, sagte er bei der Überreichung), von Kling in Tuttlingen bezogen, die meinem Pulte höchst nötig war; das zweite Jahr ein Kistchen Zigarren und später gar nichts mehr. Das alles hat aber meine Geschäfts und Arbeitsfreudigkeit nie gestört, ich habe dabei gelernt und bin vorwärts gekommen. Heute beherrscht, wie man aus Zuschriften in den Zettelpaketen erkennen kann, ein anderer Geist weite Kreise der Gehilfenschaft. Sie betrachten sich offenbar nicht mehr als Gehilfen, sondern als Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung stun denweise verkaufen wollen. Die logische Folge davon wäre eine Entlohnung der Arbeit nach Stunden, wie sie für Handwerker und Handlanger üblich geworden ist. Damit würden natürlich Ferien, richtiger die Fortzahlung des Gehaltes während der Ferien, und Weihnachtsgeschenke wegfallen. Würde das ein wünschenswerter Zustand sein? Überhaupt scheint es mir, als ob auch jene Kreise die Arbeit nicht als Lebenszweck ansehen, sondern den Genuß; oder, um es genauer auszudrllcken, bei möglichst wenig Arbeit möglichst hohe Entlohnung zu möglichst viel Genuß. Gewiß soll jeder danach streben, möglichst viel zu verdienen. Aber möglichst wenig zu arbeiten, nein, dafür bin ich nicht, am wenigsten während der jungen Jahre. Allerdings heißt es, daß die jungen Leute freie Zeit zu privater Aus- und Fortbildung haben müßten, und ich bezweifle auch nicht, daß einzelne ihre freie Zeit so benutzen, be zweifle es aber entschieden für die Mehrzahl. Man braucht nur einen Blick in die immer mehr entstehenden Cafss zu werfen: was sitzt da an jungen Leuten umher! Und leider häufig nicht einmal allein, sondern als »Pärchen«. Das ist ein gefährliches Beginnen, denn Freundschaft zwischen Mann und Weib gibt es nicht, wenigstens nicht in jungen Jahren; das läuft natur gemäß immer auf geschlechtliche Annäherung oder doch Anreize und Versuche dazu hinaus. Deshalb billige ich auch nicht, so
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