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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.01.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-01-08
- Erscheinungsdatum
- 08.01.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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202 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 5, 8. Januar 1913. aus kann ich wenigstens wahrheitsgetreu berichten oder Erörte rungen anstellen, die vielleicht auch anderslvo nachempfunden werden. Gute und vorsichtige Kunden erschienen bereits im No vember, um sich zu erkundigen, was es denn diesmal gäbe für den Weihnachtstisch. Da habe ich denn oftmals geantwortet: Dies und das, und jenes noch, aber was aus dem Schoße des Berlages bis zum Feste noch hervorsprietzen wird — das weiß nur der liebe Gott! — Indessen, wir hatten bereits zwei große Erscheinungen: die Werke Friedrichs des Großen, von denen Band II zuerst ausgegeben war, und das Neue Busch-Album, das den hiesigen Exporteuren von einem gemütvollen »Kollegen« (außerhalb Hamburgs) mit 207» Rabatt an- geboten wurde. Wir Hamburger Sortimenter hatten also die Nachlese einzuheimsen! — Im Laufe des Monats November hatte mit mir mein ganzes Personal eine wahre Riesenarbeit zu bewältigen. Wegen des Umzuges im Oktober war ich gezwun gen, alle großen Lagersendungen für Weihnacht zur Expedition Anfang November zu beordern. Nun kam alles mit einem Male! Ganz natürlich; aber während zweier Wochen sah es fürchterlich bei mir aus, und an einem Tage waren nicht weniger als 8 große Kisten und Ballen bei mir auszupacken. Mit der erwar tungsvollen Weihnachtsstimmung wurde jedoch alles glücklich überwunden. Eine kleine Nacharbeit, die sich später noch ver schiedene Male wiederholte, ergaben die Verlagssakturen. Auf ihnen war deutlich zu ersehen, daß der Aussteller ein Postscheck- Konto besitze. Da ich aber meine Barverpflichtungen durch die Deutsche Bank erledige und ein Postscheck-Konto nicht führe, so mußte ich im Offiziellen Adreßbuch erst ermitteln, welchem Ver leger ich meine Schuld durch Banküberweisung bezahlen konnte. Warum wohl, so dachte ich bei mir, die geheimnisvolle Verschweigung der Bankkonten!? Nun weiter. Es war am 3. Dezember, als ich aus meinem Kontor in den Laden gerufen wurde: »Es ist eine Dame da, die Sie selbst sprechen möchte.« Und nun stand ich ihr gegenüber, einer alten Kundin und Freundin. Sie überreichte mir ein kostbares Rosenbukett und sagte dazu: »Ich war nicht Wohl in letzter Zeit, sonst wäre ich schon früher erschienen, um Ihnen Glück zum Umzuge zu wünschen.« »Außerdem aber«, so fuhr sie fort, »möchte ich meine Weihnachtseinkäufe bei Ihnen machen«, und die alte Freundin hatte alsdann gar manches einzukaufen! Meine Kollegen im Sortiment werden mir zustimmen, daß solche Momente, die auf Grund, jahrelanger inniger Beziehungen sich ergeben, einem schönen Bilde gleichen, das in treuer und dank barer Erinnerung verbleibt. Ein Lichtpunkt im Leben des Sorti menters, der wohl in keinem Warenhause jemals leuchten dürfte! Wollte ich alle Beweise von Anhänglichkeit und liebenswürdiger Gesinnung, wie ich sie am Schluß des Jahres 1912 anläßlich meines Geschäftsumzuges empfangen habe, hier Mitteilen, so wäre das für jeden freundlichen Leser eine arge Zumutung. Ergo zurück ins Geschäft. Schaufenster und Auslagetische im Laden. In und auf beiden ist ausgebreitet, was das alte Jahr an guten und interessanten Büchern beschert hat. Das ist nicht wenig, — zu viel, viel zu viel sogar, wenngleich sogenannte Schlager kaum zu nennen sind. Indessen die Kraft des »Eisernen Jahres« hatte sogar ein »Volk Wider Volk« heraufbeschworen. Der musikliebende Bücherfreund konnte aus »Schwammerl« in stiller Wehmut des großen Liedersängers Franz Schubert gedenken. Wer zur Som merszeit das liebliche Thüringen besucht hatte, dem durfte man raten, sich Paul Schreckenbach anzuvertrauen, der seine Leser »Um die Wartburg« führt. Als interessantes Gegenstück zu den »Bekenntnissen einer schönen Seele« traten die »Bekenntnisse einer glücklichen Frau« in Erscheinung, und wer des Glückes noch weiter teilhaftig werden wollte, konnte sich erbauen an Pastor Victors köstlichem Buche »Ein fröhlicher Mensch«. Allen Freun den eines gesunden Humors, der mitunter allerdings auch etwas derben Ausdruck nicht scheut, war beizuspringen mit Krieger: »Familie Hahnekamp und ihr Freund Schnurrig«. Dieser nach Niedersachsen ausgewanderte echte Sächser Schnurrig heißt eigentlich nur Schurig, aber kein verständiger Kritiker dürfte an dieser Namen-Verballhornung etwas auszusetzen haben. Von dem Hinweis auf weitere Romane, die besonders zahl reich auftraten, will ich absehen, weil meine Betrachtung nur ein Ausschnitt ist und sein soll — es sei mir jedoch stestattet, noch zwei Bücher als Nachzügler vorzuführen — es sind: 1. »Der neue Amtsrichter« von Uhden. Was hier erzählt wird, ist der aus jugendlichem Eifer geführte Kampf gegen kleinstädtische Borniertheit und engherzigen Kastengeist, gewürzt mit erfrischen dem Humor, und dazu in warmer Farbengebung ein lieblich einfaches Landschaftsbild der Lüneburger Heide. 2. Charitas Bischofs, Bilder a. m. Leben. Ich möchte dieses reizende Buch als ein Kabinettstück der deutschen Unterhaltungsliteratur be werten — ein Juwel für jedes deutsche Haus. Wer als Sorti menter die hier genannten Bücher gelesen hat, bedarf keines weiteren Anstoßes, er wird schon wissen, daß er auch nach Weih nachten erfolgreich mit ihnen arbeiten kann. Aus anderen Lite raturgebieten waren ebenfalls manche interessante und wertvolle Erscheinungen vorhanden. An Memoirenwerken z. B.: Katha rina II. von Rußland in der stattlichen Ausgabe des Insel-Ver lags, Die Lebenserinnerungen der Malerin Vignä-Lebrun, der 2. Band von Adelheid von Schorns Nachklassischem Weimar, Gustav Falke: Stadt mit den goldenen Türmen, ein liebens würdiges Buch, das vom Verfasser in das Gewand eines Romans gekleidet ist, ferner: die Tagebücher der Königin Viktoria aus ihrer Mädchenzeit, und endlich die deutschen Erinnerungen des feinsinnigen Diplomaten Whitman, die ich als die bedeutendste Er- cheinung der Memoirenliteratur von 1912 erachte. Von Reise werken ist zu nennen Amundsens Südpol, Adolf Friedrichs neues Afrikabuch, und —man erschrecke nicht — Cooks Nordpol. Aus himmlischen Ruhmeshöhen, die ihn nach seiner Rückkehr um gaben, ist der Ärmste später herabgeschleudert in dunkle Nacht tiefen. Nun hat er versucht, sich zu rechtfertigen. Ob und wie weit ihm zugestimmt werden kann, vermag ich nicht zu ent scheiden, aber sein Buch liest sich ausgezeichnet. Was wäre weiter noch zu nennen? Es ist m. E. so viel, daß der Raum für eine Weihnachtsbetrachtung weit überschritten werden müßte. Ich möchte daher zum Beschluß nur noch zweier Werke gedenken, die überall, wo sie auch auf einen Weihnachtstisch gelegt wurden, gewiß große Freude hervorgerufen haben. Zuerst nenne ich (man verzeihe mir den Lokalpatriotismus) das wundervolle Album von Ernst Juhl, der im Aufträge des Staates 90 ideal-schöne Bilder von Hamburg und Umgebung ausgenommen hat, für deren muster gültige Wiedergabe der Verlag von Boysen L Maasch gesorgt hat, während in dem ebenfalls wunderschönen Buche Ed. Gabains die Reize der Südheide stimmungsvoll auftreten. Zuguterletzt gedenke ich des vom Delphin-Verlag herausgegebe nen Werkes über den Klassiker der Genremaler Karl Spitzweg, zu dem Uhde-Bernays den Text schrieb und daneben auch Ge dichte und Briefe des unvergeßlichen Künstlers beisteuerte. Ar mer Spitzweg! Zu deinen Lebzeiten bezahlte man deine Bilder mit Hunderten — heute mit vielen Tausenden! Das ist das Los des Schönen auf der Erde! Nachklänge von Weihnacht 1912 habe ich diese Aufzeichnungen genannt. Sie sollten im Rahmen einer kurzen Betrachtung gegeben werden, und nun sehe ich zu meinem Schrecken, daß die Feder mit mir davongelaufen ist! Ich bitte also meine freundlichen Leser um Verzeihung, und bitte ferner, mir noch ein kurzes Schlußwort zu gestatten — es soll dem Buche, dem guten deutschen Buche gelten! Der Münchener Verein hat uns Sortimentern ein sehr hübsches Weih nachtsgeschenk beschert, ein Plakat, das in leuchtender Farbe und Schrift aller Welt verkündet: »Das beste Weihnachtsgeschenk ist ein gutes Buch-. Hoffentlich hat dieses Plakat in vielen deutschen Städten Einzug gehalten und seinen Zweck erfüllt. Ein gutes Buch — wir leiden daran wahrlich keinen Man gel, und daher meine ich, wir Sortimenter müßten es als unsere vornehmste Aufgabe und Pflicht erachten, gute Bücher selbst kennen zu lernen. Wir müssen unausgesetzt lesen, um uns ein Urteil zu bilden und durch dessen Weitergabe ans Publikum zu wirken. »Gute Bücher, gute Freunde«, so lautet ein be währter Spruch, dessen Bedeutung wir Sortimenter aber nur dann auf unser Publikum zu übertragen vermögen, wenn auch wir dauernde Freundschaft geschloffen haben mit guten Büchern! Hamburg, 2. Januar 1913. Hermann Seippel.
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