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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.03.1905
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 01.03.1905
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- Deutsch
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verweilen, was die Rechtslehre und die Gesetze uns über das Recht am Briefe selbst sagen. Hier herrscht vollkommene Einigkeit unter den Gelehrten — und die allgemeine Meinung schließt sich ihnen sicher an — daß, wenn .5 einen Brief an I! schreibt, li im gewöhn lichen und äußern Sinne Eigentümer dieses Briefs wird, sobald er in seine Hände gelangt ist. Das heißt: die Brief schaft, das beschriebene Papier, ist in derselben Weise sein, wie das Paar Handschuhe, das er sich eine Stunde vorher gekauft hat; er kann es verwahren oder vernichten — wo fern nicht etwa der Briefschreiber es ausdrücklich zurllck- verlangt hat, da es in diesem Falle ja nur als ein Depositum betrachtet werden kann, — er darf es an andre verschenken oder durch letztwillige Verfügung vermachen, so daß es auf den Auktionstifch kommen kann und dadurch in der Welt weiter wandert; auch als Autograph darf er es verkaufen. Nur eins darf weder der Adressat noch der, dem er seine Rechte bezüglich des körperlichen Briefs übertragen hat, tun: er darf den Brief ohne Einverständnis und Billigung des Briefschreibers nicht herausgeben, veröffent lichen. Letzteres wird vielleicht kaum allen so ohne weiteres ein leuchten; manche werden meinen, Eigentum sei Eigentum, und man könne damit machen, was man wolle. Hier liegt jedoch eine Vermengung zweier verschiedener Begriffe vor. Im ersten Fall, wo der Adressat im engern Sinn über den Brief Herr wird, der ja mitunter einen wirklichen Wert haben kann — man denke z. B. an Briefe von Napoleon, Bismarck, Richard Wagner —, ist nur die Rede von materiellem Eigentum. Aber durch seinen Inhalt, feine Gedanken, Stimmungen und Ideen kann der Brief auch unkörperlichen Wert haben, und in diesem Fall verbleibt das Eigentumsrecht dem Briefschreiber. Auch hierüber herrscht bei den Schriftstellern, die dieses Thema mit be sonderer Ausführlichkeit behandelt haben iso in Deutschland Köhler, Bluntschli, Wächter) so ziemlich Übereinstimmung, indem man mit vollem Recht davon ausgeht, daß ein geistiger Inhalt sich nicht übertragen läßt, so daß er Eigen tum eines andern Mannes würde. Etwas andres ist es natürlich, daß ein Briefschreiber frei willig dem, mit dem er schriftlich Gedanken austauscht, das Recht übertragen kann, seine Briefe herauszugeben, und so den aus der Ausgabe möglicherweise entstehenden materiellen Vorteil ihm zugute kommen lassen kann. Hier hat dann eine Eigentumsübertragung im gewöhnlichen Sinne des Worts stattgefunden Aber wir denken hier nur au diejenigen Fälle, wo eine solche nicht vorliegt, und da mutz man sagen, der Briefschreiber ist Herr über die Gedanken und das Jdeenieben, das er in seinen Briefen entwickelt, und niemand darf sie ohne seine Einwilligung herausgeben. Nur ein einzelner deutscher Rcchtsgelehrter, Goltdammer (im Archiv für preußisches Strafrecht), hat sehr doktrinär die Behauptung festhalten wollen, daß bei der Briefübertragung mehr als eine Schenkung des bloßen Schriftstücks vor sich gehe Er geht davon aus, daß der Briefschreiber sich in eine geistige Gemeinschaft zum Adressaten stellt und ihm dadurch näher tritt als der Ver fasser eines Buchs seinem Leser. Er tauscht Gedanken mit ihm aus, und diese Gedanken sind eine Gabe. Doch wird jeder leicht einsehen können, daß es ein eigen Ding ist, von solchen geistigen oder ideellen Gaben zu reden. Eigentum im gewöhnlichen Sinne wird der Brief nicht, und wir wollen vorläufig annehmen, daß dem Briefschreiber das Recht am Inhalt seines Briefs zustehe und damit das Recht, allein über seine Veröffentlichung zu entscheiden. Es ist doch ganz offenbar damals, als er den Brief schrieb und absandte, keineswegs seine Absicht oder sein Gedanke gewesen, daß der Empfänger einen materiellen Nutzen davon haben solle. Aber, so wird man weiter fragen, von welchen nähern Börsenblatt für den deutschen Bnchbandel. 79. Jahrgang. Gesichtspunkten aus besteht dieses Recht des Briefschreibers, oder was für ein Recht wird verletzt, wenn der Empfänger den allein für seine Auge» bestimmten Brief veröffentlicht?, und endlich — gilt dies Recht für Briefschaften jeglicher Art, für zufällige Mitteilungen sowohl wie für intime Familienbriefe, für eine geschäftliche Nachricht sowohl wie für literarische oder wissenschaftliche Auseinandersetzungen? Hier hört die Einigkeit unter den Gelehrten auf. Ein fran zösischer Jurist (Advokat Tissier), der diese Frage zum Gegenstand einer sehr eingehenden Untersuchung gemacht hat, zieht hier erstlich eine Grenze zwischen konfidentiellen und nicht-konfidentiellen Briefen, wie er es nennt, und meint, diese Grenze müsse die Grenzscheide zwischen dem Ver fügungsrecht des Briefschreibers und des Empfängers bilden. Er nimmt ferner an, daß die Bewahrung des Briefgeheim nisses auf einem selbstverständlichen, stillschweigenden Über einkommen zwischen den beiden beruhe und an den Brief selbst geknüpft sei, daß insbesondere der Empfänger es respektieren müsse, weshalb er auch den Brief, außer mit Einwilligung des Absenders, nicht veröffentlichen könne. Was die letztere Betrachtung anlangt, so ist sie ja im wesentlichen moralischer Art und beruht auf solchen ethischen Grundsätzen, die wohl für gewöhnlich die Grundlage für Auftreten und Lebensführung eines »xsntlemau- bilden. Aber sie scheint doch nur in geringem Grade die Basis sein zu können, auf welcher die Gesetzgebung operieren kann. Denn diese muß auch auf die weniger regelmäßige Handlungsweise der Individuen Rücksicht nehmen und kann sich nicht damit begnügen, auf stillschweigende Abkommen zu vertrauen. Von diesem Gesichtspunkte aus ist über das Benehmen des Adressaten, wenn er einen nur für ihn be stimmten Brief veröffentlicht, zu sagen, daß er sich einer Verletzung des Friedens des Privatlebens schuldig macht. Wenn der französische Rechtsanwalt ferner die Unterscheidung zwischen Briefen vertraulichen Inhalts und dem Gegenteil zur Grundlage für eine Rechtsverletzung machen will, so ver folgt er augenscheinlich den gleichen Gedankengang. Von einem personenrechtlichen Gesichtswinkel aus erkennt er dem Briefschreiber das Recht an seinem Briefe zu. Unter Laien ist diese Auffassung wohl auch die allge meine, weil man mehr nach dem, was allgemein als recht und billig angesehen werden muß, folgert, als nach dem, was das Gesetz fordert. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung, was in Dänemark geschah, als der Pädagog und Literar historiker Peder Hjort 1867 die erste Sammlung »einer Auswahl von Briefen dänischer Männer und Frauen« ini Gyldendal'schen Verlag herausgab. Hjort hatte viele Jahre hindurch mit einer Reihe hervorragender Personen des geistigen Lebens aus dem goldenen Zeitalter der dänischen Literatur in Briefwechsel gestanden, und er gab nun einen bedeutenden Teil dieses Briefwechsels heraus, der — wie zu erwarten war — ganz vorzügliche Beiträge zur Geschichte der dänischen Literatur enthält, außer viel biographischem Stoff, — eine ergiebig sprudelnde, reiche Quelle, aus der viele nachher geschöpft haben. Aber während man sich jetzt ohne Skrupel dieser Sammlung freut, war die Freude bei ihrem Erscheinen vor achtunddreißig Jahren nicht so ungemischt, da eine er hebliche Anzahl der Personen, von denen Hjort Briefe veröffentlichte, noch lebte und in diesen Briefen auch lebende Dritte besprochen wurden, nicht immer in schmeichel hafter Weise (so unter anderm Hauch über H. C Andersens Jugenddichtung). Hjort hatte sich ohne Zweifel hier einer großen Taktlosigkeit schuldig gemacht und die Nemesis blieb nicht aus. Überall in der Presse erhob sich ein Sturm gegen den unglücklichen Briefherausgeber; die Sammlung hätte allgemeine Entrüstung wachgerufen, hieß es, sic sei ein Flecken auf Hjorts Namen, weil er erwiesenes Vertrauen 274
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