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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.04.1911
- Strukturtyp
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- 1911-04-29
- Erscheinungsdatum
- 29.04.1911
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mit ihren Ansichten ziemlich einsam dastehen. Die Lehrer schaft ist eben auch auf dem Gebiete der Jugendschriftenfrage mündig geworden und will sich nicht länger von einigen Fanatikern am Gängelbande führen lassen. Der für sie unwürdige Zustand hat wahrlich lange genug gedauert. Die große Zahl der Prüfungsausschüsse beweist wohl, daß inner halb der Lehrerschaft ein reges Interesse für die Jugend schriftenfrage vorhanden ist, aber nicht, daß die Lehrerschaft mit den überspannten und einseitigen Forderungen der Hamburger einverstanden ist. Soll die Jugendschriftenbewegung in Bahnen kommen, die ein wirklich erfolgreiches Arbeiten gewährleisten, nicht nur, wie es bisher war, ein Hinarbeiten auf Scheinerfolge durch Suggestion und Autorirätszwang, so muß erst einmal der Kinderforschung auf diesem Gebiete ihr Recht verschafft werden. Die Hamburger Pädagogen und Jugendschriftenkritiker sind aber gar nicht imstande, die Jugendschriftenbewegung, wie es die moderne Pädagogik verlangt, auf der Psychologie des Kindes zu basieren, weil sie sich in der theoretisch-ästhetischen Richtung festgelegt haben und weil sie wohl wissen, daß die psychologische Methode die ganze Einseitigkeit und übertriebenheit ihrer Ansichten klar und deutlich zeigen würde. Die rein ästhetisch-literarische Wertung der Jugendschrift muß, den Forderungen der Pädagogik entsprechend, abgelöst werden von einer psycho logischen Richtung, die vom Kinde ausgeht, seinen Geschmack, seine Bedürfnisse zu ergründen sucht und nach Mitteln und Wegen forscht, diese Keime eines literarischen Geschmackes zu pflegen und zu entwickeln . . . Nur ganz kurz soll hier über die Wertung der Kampfserien gegen den Schund gesprochen werden. Es ist geradezu kindlich, wenn die Hamburger meinen, es käme vor allem darauf an, der Jugend und dem Volke möglichst bedeutende Kunstwerke zu bieten, damit sei die Arbeit getan. Es kommt bei diesen Kampfserien nicht darauf an, daß eine literarische Höhenkunst geboten werde, es ist vielmehr ihre Aufgabe, in kluger Ab wägung das zu bieten, was der Psyche des Kindes und des Volkes entspricht und vor allem geeignet ist, die Leser in ethischer Hinsicht zu fassen. Der literarische und ästhetische Wert ist in die Forderung mit einbegriffen, das betonen wir, um Mißverständnissen vorzubeugen, ganz besonders, aber weil die Schundliteratur viel mehr eine soziale Not als eine literarische und ästhetische ist, kommt man ihr mit dem Hamburger Ästhetentum nie und nimmer bei. Es ist also schon eine Verblendung, wenn man hier ,besten Inhalt' und literarisch wertvollsten Inhalt gleichsetzt.« Durch diese Ausführungen erhebt die Freie Lehrer vereinigung als erste pädagogische Organisation grundsätzlichen Einspruch gegen die von Wolgast eingenommene und durch ihn für die Vereinigten Prüfungsausschüsse in der Jugend schriftenkritik maßgebend gewordene Position, die an das Stormsche Paradoxon angehängte Verwerfung der »spezi fischen Jugendschrift« und den im Zusammenhang damit stehenden Kampf gegen die »Tendenz« im Kunstwerk. Der Fanatismus Wolgasts und seiner Anhänger duldete keine Diskussion mehr über die von ihm gefundene ästhetische Lösung des Problems; seine Intoleranz unterdrückte in der Jugendschriften-Warte alle kritischen Einwendungen, wie sie von namhaften Literarhistorikern, Dichtern und Pädagogen erhoben wurden; und seitdem meine Volks- und Jugend schriften - Rundschau gewaltsam vom Eckart verschlungen wurde, fehlte es diesen an einem einigenden Organ, so daß Lehrerschaft und Öffentlichkeit glauben konnten, die Ham burger Grundsätze seien als allgemein gültig anerkannt! Wie wenig Wolgast das ihm durch Übertragung der Redaktion der Jugendschriften-Warte von seiten der Ver einigten Prüfungsausschüsse bewiesene Vertrauen rechtfertigt, zeigt in eklatanter Weise sein Angriff gegen Professor Brunner in der Aprilnummer. Statt die Leser der Jugendschriften-Warte über die eifrige und erfolgreiche Tätigkeit Brunners im Kampf gegen Schmutz und Schund zu informieren und eine wenn auch kritische Darstellung der von ihm in der Hochwacht vertretenen Grundsätze zu geben, benutzt Wolgast die mißbräuchliche Verwendung eines Empfehlungsbriefes durch den Verleger Lehmann, um mit dem Schundliteraturoerleger auch den Bekämpfer der Schundliteratur abzuschlachten — nein, seine seit 15 Jahren vertretene Theorie glänzend zu rechtfertigen: »Wer beim Kampfe gegen den Schund mit der Kritik von Jugend schriften den ästhetischen Boden verläßt, kommt ohne Gnade aus dem Regen in die Traufe, aus dem Elend in den Sumpf«. Wenn Wolgast sich hier in die Toga heiligster Überzeugung hüllt, so erhält das eine eigentümliche Be leuchtung durch die Erklärung an Brunner: »Der scharfe Angriff war notwendig nicht nur aus Gründen der Selbst achtung (nachdem Sie es für richtig befunden, uns so miß achtend zu behandeln)«. Die Rechtfertigung seiner Theorie ist also mehr durch verletzte Eitelkeit veranlaßt. Daß Wol gast aber diese Rechtfertigung seiner Theorie zu einem »scharfen Angriff« gegen Brunner gestaltete, daß er diesem die Überschrift: »Lehmann-Brunner« gab, erscheint harmlos gegenüber der Tatsache, daß er seinen theoretisch und moralisch bemäntelten Angriff erhob, obgleich ihm und Herrn Brunckhorst von Professor Brunner genaue Mitteilungen über die Angelegenheit gemacht und das gesamte Akten material zur Einsicht angeboten war. Ohne dies ab zuwarten, erhob er seinen Angriff und scheute sich nicht, die Tatsachen zu verdrehen und zu entstellen. Professor Brunner hatte in dem Glauben, Lehmann zu einer andern verlegerischen Tätigkeit veranlassen zu können, die drei ersten Hefte der Jung Siegfried-Bücherei nach erfolgter Prüfung empfohlen. Als die folgenden Hefte seinen Er wartungen nicht entsprachen, Lehmann aber seinen Em pfehlungsbrief dafür mißbrauchte, erzwang er unter An drohung gerichtlichen Einschreitens das Unterlassen seiner Empfehlung und erklärte diese Hefte für Schundliteratur. Obgleich Wolgast das alles wissen konnte, stellt er es so dar, als habe Brunner nicht bloß alle jene Hefte, sondern sogar die sonstigen anrüchigen Literaturerzeugnisse des betriebsamen Herrn Lehmann mit seinem Namen empfohlen, gibt Proben aus den Heften 4—7, die Brunner bekämpfte und macht ihn zum Befürworter eines solchen Machwerkes, um auf diese famose Weise seine Theorie glänzend rechtfertigen zu können. Daß Wolgast den Mann, dem gegenüber er in seinen Briefen von »unserer gemeinsamen Arbeit« spricht, öffentlich so abtut: »Wenn ein deutscher Professor und Doktor die Fahne gegen den Schund erhebt, glaubt jedermann, die Sache sei in guten Händen. Und was sehen wir? Wir sehen einen Mann den Schund bekämpfen, dem vollständig das Organ abgeht, den Schund zu erkennen«, steht auf der selben Höhe literarischer Diskussion wie die Äußerungen des achtundzwanzigjährigen Herrn Brunckhorst gegenüber Herrn Georg W. Dietrich in der Februarnummer der Jugendschriften- Warte: »Nun, man kann ja von Herrn Dietrich nicht verlangen, daß er schon viel Erfahrung auf dem Gebiete gesammelt hat, über das er hier so ins Blaue hinein redet — nein, man kann es wirklich nicht verlangen. Denn als wir vor zwanzig Jahren unsere große und mühselige Arbeit, den Ur wald der Jugendschriftenproduktion zu roden, begannen, als unser Wolgast sein grundlegendes Buch über »Das Elend der Jugendliteratur« veröffentlichte, da war Herr Dietrich noch mit Jugendliteratur zu versorgen, und jetzt ist er auch erst seit vier Jahren Jugendschriftenverleger. Es hätte danach Herrn Dietrich wohl besser angestanden, wenn er etwas be scheidener aufgetreten wäre und nicht in so plumper dema-
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