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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.05.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-05-22
- Erscheinungsdatum
- 22.05.1915
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 116, 22. Mai 1915. Volkening, Eduard (16. Mai bis 12. September). Boß' Sortiment (16. Mai bis 12. September). Wagner, Franz (22. Mat bis 18. September). Wagner, H., L E. Debes (das ganze Jahr). »Wallmann, H. G. (15. Mai bis 15. September). Wunderlich, Ernst (l6. Mai bis 12. September). >/,6 Uhr: »Thomas Komm. Gesch., Theod. (16. Mai bis 12. Sept ). 6 Uhr: Borggold, Otto (vom 16. Mai bis 12. September). Forberg, Rob. (1. Juni bis 1. September). Meyer, Bernhard (das ganze Jahr, 12 bis 2 Uhr geschlossen). Woerl's Reisebücher-Verlag (das ganze Jahr, V-1 bis 3 Uhr geschlossen). Das Ausland und wir. Eine Entgegnung. (Vgl. Bbl. Nr. 108.) An dem schönen sonnigen Morgen des Himmelfahrtsfestes erhielt ich das Börsenblatt Nr. 108 mit dem Artikel des Herrn Georg Müller-München über »Das Ausland und wir«. Ich hatte gerade mit der Post die Nachricht bekommen, daß zu den fünf lieben Schwägern in kurzem nun auch noch der sechste einberufcn werde — der älteste von vier, seit Anfang des Krieges draußen stehenden Brüdern und auch wie diese Familienvater —, und es legte sich mir unwillkürlich ein leichter Druck auf die Seele. Doch bald brachte ein kurzer Spaziergang durch unfern herrlichen Großen Garten — doppelt schön in seinem von Hellem Sonnen schein überstrahlten Frühlingsschmucke — Ruhe und neue Hoff nung und stärkte den Glauben, daß Gott uns Deutsche nicht ver läßt. Dann las ich den genannten Artikel. Ich muß sagen, daß er furchtbar ernüchternd auf mich wirkte. Wieder also eine Stimme des leider Gottes schon verschiedentlich hie und da versuchten Wiedereinschläferns unseres kaum erwachten Nationalbewußt- seins und eine Inschutznahme gerade des Übels, durch das bisher vielleicht gerade am schlimmsten gesündigt worden istl Es hat schon lange vor dem Krieg genug Stimmen, um nicht zu sagen Prediger in der Wüste, gegeben, die warnten und von der Bahn abrieten, auf die unser sogenanntes »deutsches Schrift tum« durch seine vom Ausland hereingetragenen »Kulturwerte« hinlenkte, von denen manchmal auch Wohl die Frage aufgeworfen wurde, ob es oftmals bei dem Import nicht mehr aus ein »seinen Zwecken dienstbar machen« als auf ein »in sich aufnehmen« ankam. War nun unser »Universalempfinden«, unser Weltbürgertum (selbst mit dem Zusatz »im besten Sinne«) immer ein »Vorzug des deutschen Wesens«? War das, was wir bicnengleich von den fremdländischen Blüten aufnahmen, wirklich immer »wertvoll und kultursördernd«? Das sind Fragen, die Wohl viele von uns nicht schlechthin als unanfechtbare Tatsache hinstellen möchten. »Die großen Dichter fremder Nationen«, sagt Herr Müller, »genießen bei uns Deutschen mehr Schätzung als bei den betreffenden Na tionen selbst. Und wie in der Literatur, so ist es in der Kunst, der Musik, in den Wissenschaften und in der Technik«. Leider müssen wir aber hinzufügen, sie genossen oft mehr Schätzung als unsere deutschen Dichter und Künstler selbst. Oder waren wir vielleicht nicht wieder sehr nahe daran, wie vor mehr als 100 Jah ren schon einmal, daß durch die Überschätzung alles Fremdländi schen — das wie in der Mode, so auch in Kunst und Literatur bald zu einer armseligen Nachahmung, um nicht zu sagen Nach äffung führte — unser heimisches Schrifttum oft kaum so Be achtung fand wie so manches fremdländische Blendwerk? Sollte wirklich darin eine »auch von den fremden Nationen jetzt wäh rend des Krieges anerkannte geistige Vorherrschaft« unseres Vol kes liegen? Nach all dem, was uns die letzten Jahre und Jahrzehnte von fremdem Kulturdünger in unfern Garten (man verzeihe das bäuerliche Bild) gebracht haben, dürfte unser Bedarf auf lange hinaus reichlich gedeckt sein, und es kann darum nicht von einem 772 »verhängnisvollen Nicht-Wissen um das Fremde« die Rede sein. Nein, wir kennen das Fremde jetzt aus den Taten, und man sollte meinen, es müßte unseren französisierlen Ästheten und Genossen ein Grauen ankommen, wenn sie bei Betrachtung der Heimat ihrer fremden Kulturwer^c an das Wort denken: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!« Darum scheint es mir eigentlich logischer, anstatt »die Forde rung aufzustellen, daß der Deutsche noch mehr als bisher sich in Zukunft das Wissen der Welt aneignen soll«, zu verlangen, daß »jeder, der die deutsche Kultur ernst nimmt«, oder sagen wir lieber, der die Absicht hat, unserer deutschen Volksseele von fremd ländischer Seelenkultur etwas einzuimpfen, daß der jetzt doppelt und dreifach die Pflicht hat, zu untersuchen, was wirklich gut und heilsam, und was Gift ist! Und nicht einer, nein hundert ehr liche deutsche Kritiker sollten erst prüfen, ehe durch neue Über setzungen vom Auslande sogenannte »neue Werte in. kultureller und literarischer Hinsicht« weiterhin in unser Volk hineingetragen werden dürfen. Woher kam denn das in der modernen Literatur immer mehr sich geltend machende erotische und atheistische Ele ment? Deutsch war das nicht. Herr Müller führt auch einige charakteristische Namen von Autoren an, deren Werke bei uns nicht ausgeschlossen werden könnten, »ohne daß wir uns selbst schädigten«. Haben wir der »prachtvollen Memoiren- und Briefliteratur Frankreichs« keine gleichwertige deutsche gegenllberzustellen, oder ist aus unserer deutschen Geschichte weniger Kulturgeschichte zu lernen, als aus der französischen? — Seien wir doch ehrlich: Es ist das Pikante, die verschiedenen »liaisono ckanxereuses«, die den Herren Fran zosen den Vorzug sichern. Gewiß glaube ich auch nicht, daß ein großer Teil der geschätzten »Bibliophilen«, wenn sie jetzt etwa gute biedere deutsche Schriftsteller in den »prachtvollen« Aus gaben vorgelegt bekommen würden, so leicht zugreifen möchten wie bei den reizenden französischen Kulturwerken — aber es haben sich schließlich jetzt so viele an das kräftige Kriegsbrot verhältnis mäßig schnell gewöhnt, daß man es doch mal mit Ähnlichem auch auf literarischem Gebiet versuchen könnte! Sicherlich würden we nigstens die Empfehlungen der Herren Verleger mit dem Hin weis auf die Kulturwerte dann weniger skeptisch ausgenommen werden, als das bisher meist der Fall war. Es ist nicht meine Sache und hier auch nicht der Ort, an den Kulturwerten für unser Volk aus den Schriften der Herren, die Herr M. nennt, Kritik zu üben — Wohl aber wäre es für eine be rufene Feder zurzeit eine besonders dankbare Aufgabe. Ich muß für meinen Teil ehrlich gestehen — und ich glaube, es geht noch vielen so —: von allem, was ich von den Symbolisten Verlaine oder Villiers d'Jsle oder auch Maeterlinck kenne, oder von den großen Russen Dostojewski und Puschkin gelesen habe, hat kein Werk einen so nachhaltigen Eindruck auf mich ausgeübt wie manche deutsche Bücher, etwa von Gottfried Keller, O. Ludwig, Fontane, Polen; u. a. Ich will aber doch die beiden klangvollsten Namen Tolstoi und Zola nicht übergehen. Das starke Talent und die hochentwickelte Romantcchnik des letzteren wird niemand leug nen; aber schon bei zwei- oder dreimaligem Lesen eines Zola- Romans merkt man, daß der Verfasser ein großer Blender ist, weil sich dann bei den meisten seiner Werke die geniale Mischung von Sensationsmache mit dem Reiz zum Sinnlichen aus der raffi nierten Technik immer klarer löst. Und brauchen wir etwa zu un serer Kultur etwas von der Kultur des Slaventums, dessen her vorragender Künder Tolstoi ist? Oder können und wollen wir ihm auf die Wege zum Asketentum und dem Mystizismus folgen, auf die er besonders in der zweiten Periode seines Schaffens geriet? Was rät uns doch Chamberlain in seinen Kriegsaufsätzen? Man lese die Abschnitte »Deutschland« oder »Die deutsche Sprache«: Sorgt, ihr Deutschen, daß alle eure Sprache lernen, vielleicht, daß sie dabei auch von eurem Wesen etwas mit- fühlen werden! Wie anders klingt diese Sprache und kommt noch nicht mal von einem geborenen Deutschen! Von dem Danke, den uns unsere Vermittlung der Auslands kultur eingebracht hat, wollen wir schweigen — wir hätten manche andere Dankesfrucht erwarten dürfen. Aber es scheint mir jetzt wirklich keine Überhebung, wenn wir
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