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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.10.1937
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- 1937-10-12
- Erscheinungsdatum
- 12.10.1937
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- Deutsch
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Victor Mors elbstredend mußte ich einen falschen Namen annehmen, da der meine ja verfemt war. Nun löste sich diese Frage noch bester, als ich "gehofft hatte. In Omsk, wo dieser Transport zusammengestellt wurde, war ein Leutnant vom k. und k. Infanterieregiment 23 sterbend zurückgeblieben. Er wurde aber, wie der Kaiserjägerhauptmann gesehen hatte, auf der ruffischen Transport- liste geführt. Da den Panjeö diese Unstimmigkeit noch nicht aufgefallen war, war es das Gegebene für mich, die Stelle dieses Kranken ein- zunehmen. Da war nichts Absonderliches. Seltsam berührte mich nur mein neuer Name: Victor Mors. Der Kürassier zeigte mir das Abteil, in dem noch ein Platz für mich war. „Lorett!" rief er den zur Zeit einzigen Insaffen des Abteils an, einen Herrn in Lcderweste und Bridges, der, einen riesigen Berg von Seifen schaum unter dem Monokel, sich gerade rasierte. „Lorett! Hier ist ein Kamerad, der bei Ihnen wohnen soll." „Lorett" drehte sich um und musterte mich kritisch durch sein EinglaS. „Bundesbruder oder Komerod?" Das sollte heißen: Oefterreicher oder Ungar? — Er gefiel mir auf den ersten Blick. Er war etwas über mittelgroß, schlank, hatte ein scharf geschnittenes Gesicht. Und weil er mir gefiel, beschloß ich impulsiv, mein Inkognito ihm gegenüber nicht beizubehalten. „Berliner!" sagte ich. Einen Augenblick sah er mich ver- buht an, dann stellte er sich mit sehr korrekter Verbeugung vor: „Fritz Lorett. Vermutlich Oberleutnant." Er meinte wohl damit, daß er zwar als Leutnant gefangen, daß aber inzwischen schon seine Beförderung zum Oberleutnant „vermutlich" erfolgt sein müßte. „Victor Mors", sagte ich ebenso korrekt. „Verdammt komischer Name. Victor Mors — warten Sie mal, das heißt doch auf deutsch .Sieger Tod'." „Kann mich auch nicht daran gewöhnen — obwohl ich ihn schon eine halbe Stunde trage." „Ist also nicht Ihr richtiger Name?" „Nein. Ich bin nämlich leider erschossen." Gerade am nächsten Morgen erfolgte die erste Kontrolle dieses Trans portes seit seinem Abgang aus Omsk. DaS geschah so, daß der Starschi mit einem großen Buch, in dem die Namen aller diesem Transport Angehörenden standen, durch alle Abteile ging. Hinter den vorgezeichneten Namen mußte von nun an jeder zweimal am Tage, morgens und abends, seinen Namen eintragen. Zum Glück begann der Starschi seinen Kontroll- gang in unserem, dem letzten Wagen. So wurde vermieden, daß er den Vicror Mors erst unter den Oefterreichern suchte, wo er hingehört hätte, und von diesen, die von einem Vertreter nichts wußten, darüber auf geklärt werden konnte, daß Mors in Omsk zurückgeblieben war. Als der Starschi an mich, der ich noch auf meiner Pritsche lag, herantrat und ich mich als der österreichische Offizier Victor Mors ausgab, zeigte er sich ungehalten darüber, daß ich als Oefterreicher im Wagen der Reichs deutschen mein Quartier genommen hätte. Da mir aber aus persönlichen und auch aus Gründen der Sicherheit viel daran lag, bei meinen Ka meraden zu bleiben, so log ich eine Geschichte zusammen, daß ich zwar von Geburt Oefterreicher sei, aber durch Abkommandierung zur deutschen Armee dieser jetzt zuzurechnen sei. Der Starschi wollte, da diese konfuse Ge schichte durch LorettS Zwischenrufe — er las aus einem deutsch-russischen Sprachführer recht und schlecht das Frage- und Antwortspiel aus dem Abschnitt „Besuch eines Theaters" auf russisch mit großer Wichtigkeit vor — noch konfuser wurde, das zuerst nicht verstehen. Er verstand eS erst, als ich ihm drei Rubel in sein großes Buch legte und, nachdem ich mit einiger Mühe den Namen „Victor Mors" dort gefunden hatte, mich ohne weiteres eintrug. Seitdem hatte „Victor Mors" keine Schwierigkeiten mehr. ^ Herbstliche Geigen Warmer Wind wehte von Süden nach Norden. Das Tauwetter machte die Wege grundlos. Meine udechesischen Schuhe aus Fischhaut kamen jetzt erst recht zu Ehren. Bei uns hier oben verrannen die Waffer bald. Ueber Nacht ergrünte die Erde; Tage nur — und hellrote Nelken sterne blühten auf der Wiese um Steinkes Grab. Die Abende waren erfüllt von verhaltener Süße und zarter Ver heißung. Wieder wie vor einem Jahr schlich ich mich fort von den Kameraden und träumte in den herbstlaubbunten abendlichen Himmel. Und die Erinnerung kam — an einen anderen Frühling und an Maria. Und ich war krank vor Sehnsucht. Ja, eine wirkliche Krankheit war es. Ich konnte nur noch träumen, wünschen, daß sie wie damals auf ihren hohen, schlanken Beinen zu mir träte und mit ihrer dunklen Stimme zu mir spräche. Aber wiederum konnte ich nicht einmal den Entschluß fassen, ihr Nachricht von mir zu geben. Norberg mußte bemerkt haben, daß mir etwas fehle; denn eines Abends setzte er sich zu mir auf den gestürzten Ahornstamm. Da sprachen wir von Maria. * Du! Mein lieber Abrek! Sieben Monate schicke ich nun schon alle Gedanken meiner stillen Stunden, all meine Sehnsucht nach Osten. Aber ich weiß ja gar nicht, ob nicht der Wind Dich schon rings um die Erde wehte und ob meine Gedanken und Wünsche nicht einen viel kürzeren Weg zu Dir hätten, 4632 Nr. 236 Dienstag, den 12. Oktober 1937
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