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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1931-04-29
- Erscheinungsdatum
- 29.04.1931
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- Deutsch
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98, 29. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt s. b.Dtschn.Buchhandel. 2793 Langsam gehe ich weiter und hänge meinen Gedanken nach. Der Wald kommt näher. Eine Katze strolcht über den Weg. Der Bahndamm schneidet durch die Felder bis zum Gehölz. Da könnte man Unterstände bauen, denke ich, ordent lich tief und mit Betondecken — dann die Grabenlinie links entlangziehen mit Sappen und Horchposten und drüben ein paar Maschinengewehre — nein, zwei nur, die andern an das Gehölz, dadurch liegt das ganze Gelände dann fast unter Kreuzfeuer — die Pappeln müßte man abhauen, damit sie der feindlichen Artillerie das Ziel nicht markieren — und hinten am Hügel eine Anzahl Minenwerfer — dann laß sie nur kommen — Ein Zug pfeift. Ich blicke auf. Was mache ich da nur? — Ich bin hievhergegangen, um die Landschaft meiner Jugend wioderzufinden — und jetzt ziehe ich Schützengräben hin durch —. Es ist die Gewohnheit, denke ich, wir können keine Landschaft mehr sehen, nur Gelände — Gelände zum An greifen und Verteidigen — die alte Mühle auf der Höhe ist keine Mühle — sie ist ein Stützpunkt — der Wald ist kein Wald — er ist Artilleriedeckung — immer spukt das wieder hinein — Ich schüttele es ab und versuche, an früher zu denken. Doch es gelingt mir nicht recht. Ich bin auch nicht mehr so froh wie vorhin und habe keine Lust, weiterzugehen. Ich kehre um. Von weitem sehe ich eine einsame Gestalt. Sie kommt mir entgegen. Es ist Georg Rahe. „Was machst du denn hier?" fragt er verwundert. „Und du?" „Nichts", sagt er. „Ich auch nichts", antworte ich- „Und das Einmacheglas da?" fragt er und sieht mich ein wenig spöttisch an. — Ich werde rot. „Brauchst dich nicht zu schämen", sagt er, „wolltest wohl mal wieder Fische fangen, was?" Ich nicke. „Und?" fragt er. Ich schüttele den Kopf. „Ja, so was geht eben nicht mit einer Uniform", sagt er nachdenklich. Wir setzen uns auf einen Stapel Holz und rauchen. Rahe nimmt seine Mütze ab. „Weißt du noch, wie wir hier Brief marken getauscht haben?" „Ja, ich weiß es noch. Die Holzpläße rochen in der Sonne stark nach Harz und Teer, die Pappeln flimmerten, und kühl kam der Wind vom Wasser her — ich weiß alles noch — wie wir Laubfrösche suchten, wie wir Bücher lasen, wie wir von der Zukunft sprachen und vom Leben, das hinter dem blauen Horizont wartete, lockend wie sine gedämpfte Musik." „Es ist dann etwas anders geworden, Ernst, was?" sagt Pahe und lächelt, dieses Lächeln, das wir alle haben, etwas bitter und etwas müde. „Im Felde fingen wir die Fische dann auch anders. Eine Handgranate ins Wasser, und schon schwammen sie mit geplatzten Schwimmblasen und weißen Bäuchen an der Oberfläche. Das war praktischer." „Wie mag das nur kommen, Georg", sage ich, „daß man hier so herumsitzt und eigentlich nicht recht weiß, was man anfangen soll?" „Es fehlt was, Ernst, nicht?" Ich nicke. Er tippt mir auf die Brust. „Ich will es dir mal sagen, — ich habe auch schon darüber nachgedacht — dies da", er zeigt auf die Wiesen vor uns, „das war Leben, es blühte und wuchs, und wir wuchsen mit. Und das hinter uns —", er deutet mit dem Kopf zurück in die Ferne, „das war Tod, es starb und zerstörte uns sin bißchen mit." Er lächelt wieder- „Wir sind ein wenig reparaturbedürftig, mein Junge." „Vielleicht wäre es besser, wenn Sommer wäre", sage ich, „im Sommer ist alles leichter." „Daran liegt es nicht", antwortet er und bläst den Rauch von sich, „ich glaube, es ist ganz was anderes." „Was denn?" frage ich. Er zuckt die Achseln und steht auf. „Gehen wir nach Hause, Ernst. Soll ich dir mal erzählen, was ich mir über legt habe?" Er beugt sich herunter zu mir. „Wahrscheinlich werde ich wieder Soldat." „Du bist verrückt", sage ich betroffen. „Gar nicht", erwidert er und ist einen Augenblick sehr ernst, „vielleicht nur konsequent." Ich bleibe stehen. „Aber Mensch, Georg —" Er geht weiter. „Ich bin ja schließlich schon ein paar Wochen länger hier als du", sagt er und beginnt dann über andere Dinge zu reden. Als die ersten Häuser auftauchen, nehme ich mein Glas mit den Stichlingen und gieße es wieder in den Graben. Die Fische schwänzeln rasch davon. Das Glas lasse ich am Ufer stehen. Ich verabschiede mich von Georg. Er geht langsam die Straße entlang. Ich bleibe vor unserm Hause stehen und sehe ihm nach- Seine Worte haben mich seltsam beunruhigt. Etwas Unbestimmtes schleicht um mich herum, es weicht zurück, wenn ich es greifen will, es löst sich auf, wenn ich darauf zugehe, doch dann kriecht es wieder hinter mir zu sammen und lauert. Der Himmel hängt wie Blei über dem niedrigen Ge sträuch des Luisenplatzes, die Bäume sind kahl, ein loses Fenster klappert im Winde, und in den zerzausten Holunder büschen der Vorgärten hockt feücht und trostlos die Dämmerung. Fortsetzung auf Seite 165 des heute erschienenen Buches! Börsenblatt f. ö. Deutschen Buchhanöes. SS. Jahrgang. 388
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