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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1931-04-27
- Erscheinungsdatum
- 27.04.1931
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- Deutsch
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U 96, 27. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. 2743 Die Zigarren und Pfeifen qualmen. Wünsche, Gedanken und Begierden brodeln durcheinander. Weiß Gott, was aus ihnen wird. Hundert junge Soldaten, achtzehn Leutnants, dreißig Feldwebel und Unteroffiziere sitzen hier und wollen zu leben anfangen. Jeder von ihnen kann eine Kompagnie in schwierigem Angriffsgelände mit geringsten Verlusten durchs Feuer bringen, jeder von ihnen würde keinen Moment zögern, das Richtige zu tun, wenn nachts in seinem Stollen das Gebrüll „Sie kommen" schallen würde, jeder voll ihnen ist in zahllosen, unbarmherzigen Tagen gehämmert, jeder von ihnen ist ein vollkommener Soldat, nicht mehr und nicht weniger. Aber für den Frieden? Taugen wir dazu? Paffen wir überhaupt noch zu etwas anderm, als Soldaten zu sein? Dritter Teil I Ich komme vom Bahnhof, um Adolf Bethke zu besuchen. Sein Haus erkenne ich gleich; er hat es mir draußen oft genug beschrieben. Ein Garten mit Obstbäumen. Die Aepfel sind nicht alle gepflückt. Viele liegen noch im Rasen unter den Bäumen. Auf einem freien Platz vor der Tür steht eine riesige Kastanie. Der Boden unter ihr ist über und Uber voll von rotbraunen Blättern, auch der Steintisch und die Bank darunter. Da zwischen schimmert das rötliche Weiß der aufgeplatzten, stach ligen Fruchtschalen und das glänzende Braun der heraus gefallenen Kastanien. Ich nehme ein paar auf und betrachte die lackierte, geäderte Mahagonischale mit dem helleren Keimfleck darunter. Daß es so etwas gibt, denke ich und sehe mich um — daß es überhaupt das alles noch gibt: diese bunten Bäume, die blau umdunsteten Wälder, — Wälder, keine granatenzerfreffenen Baumstümpfe mehr; diesen Wind über den Feldern, ohne Pulverrauch und Gasgestank, diese umbrochene, fettig schimmernde Erde mit ihrem starken Geruch, die Pferde vor den Pflügen, nicht mehr vor Munitionskolonnen, und hinter ihnen, ohne Gewehre, heim gekehrt, Pflüger, Pflüger in Soldatenuniformen. Die Sonne ist über einem Wäldchen hinter den Wolken versteckt, aber Strahlenbündel schießen silbern dahinter her vor, die bunten Drachen der Kinder stehen hoch am Himmel, die Lungen atmen, kühl schwingt die Luft hinein und heraus, es gibt keine Geschütze, keine Minen mehr, kein Tornister klemmt die Brust, kein Koppel hängt schwer am Magen — vorbei ist das ziehende Gefühl der Vorsicht und des Lauerns im Nacken, das halbe Schleichen, das immer in der nächsten Sekunde in Fallen, Liegen, Grauen und Tod übergehen konnte — frei und aufrecht, mit sorglosen Schultern gehe ich und empfinde die Stärke dieses Augenblicks: da zu sein und meinen Kameraden Adolf zu besuchen. Die Haustür steht halb offen. Rechts ist die Küche. Ich klopfe. Niemand antwortet. Ich sage laut guten Tag. Nichts rührt sich. Ich gehe weiter und öffne noch eine Tür. Jemand sitzt allein am Tisch; jetzt steht er auf, verwildert, eine alte Uniform, ein Blick: Bethke. „Adolf", rufe ich erfreut, „hast du nichts gehört? Wohl grade geschlafen, was?" Er bleibt in seiner Haltung und reicht mir die Hand. „Wollte dich mal besuchen, Adolf." „Ist gut von dir, Ernst", sagt er trübe. „Ist was los, Adolf?" frage ich verwundert. „Ach, laß man, Ernst . . ." Ich setze mich neben ihn. „Mensch, Adolf, was hast du denn?" Er wehrt ab. „Schon recht, Ernst, laß man. Nur gut, weißt, gut, daß mal einer von euch kommt." Er steht auf. „Man wird ja verrückt, so allein . . ." Ich schaue mich um. Seine Frau ist nirgendwo zu sehen. Er schweigt eine Zeitlang, dann sagt er noch einmal: „Gut, daß du gekommen bist." Er kramt nach Schnaps und Zigaretten. Wir nehmen einen Korn aus dicken Gläsern, die unten rosa Einlagen haben. Vor dem Fenster liegt der Garten und der Weg mit den Obstbäumen. Es weht. Die Gartentür klappert. Aus der Ecke schlägt eine dunkel ge beizte Standuhr mit Gewichten. „Prost Adolf." — „Prost Ernst." Eine Katze schleicht durchs Zimmer. Sie springt auf die Nähmaschine und schnurrt. Nach einiger Zeit beginnt Adolf zu sprechen. „Da kommen sie und reden, Eltern, Schwieger eltern, und dabei verstehen sie mich nicht und ich sie nicht. Als wenn wir alle nicht mehr dieselben Menschen wären." Er stützt den Kopf aus. „Du verstehst mich, Ernst, und ich dich, aber da bei denen ist es, als wäre eine Wand da zwischen." Schließlich höre ich dann alles. Bethke kommt nach Hause, den Affen auf dem Nacken, einen Sack guter Lebensmittel bei sich, Kaffee, Schokolade, sogar Seide für ein ganzes Kleid. Er will ganz leise kommen, um die Frau zu überraschen, aber der Hund kläfft wie verrückt und reißt die Hütte fast um — da hält es ihn nicht mehr, er rennt den Weg zwischen den Aepfelbäumen entlang — seinen Weg, seine Bäume, sein Haus, seine Frau, das Herz schlägt ihm wie ein Schmiede hammer oben im Hals, Tür auf, tiefes Atmen, hinein — „Marie . . ." Er sieht sie, sofort hat sein Blick sie umfaßt, es llber- strömt ihn, Halbdunkel, Heimat, die tickende Uhr, der Tisch, der großen Ohrenstuhl, die Frau — er will auf sie zu. Aber sie weicht zurück und starrt ihn an wie einen Schatten. Er begreift noch nichts. „Hast du dich so erschreckt?" fragt er lachend. „Ja", sagt sie angstvoll. „Wird sich schon geben, Marie", antwortet er, zitternd vor Aufregung. Jetzt, wo er im Zimmer ist, bebt alles an ihm. Zu lange ist es auch her. „Ich wußte nicht, daß du schon kommst, Adolf", sagt die Frau. Sie ist zurückgewichen zum Schrank und steht ihn mit großen Augen an. Etwas Kaltes faßt ihn einen Moment und quetscht ihm die Lungen zusammen. „Freust du dich denn gar nicht?" fragt er unbeholfen. „Ja doch, Adolf . . „Ist denn was passiert?" fragt er weiter und hat immer noch alle Sachen in der Hand. N Fortsetzung morgen! 2
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