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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.04.1931
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- 1931-04-27
- Erscheinungsdatum
- 27.04.1931
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Das rote Ausland Wenn zu Beginn dieses Kapitels die Forde rung erhoben worben ist, den Sowjetstaat in erster Linie als ein spezifisch russisches Ge bilde und im Rahmen der Entwicklung Ruß lands zu betrachten, so sollte damit die Rolle des Bolschewismus als internationales Ereig nis keineswegs verkleinert werden. Auch Na poleons Reich war, um bei unserem Vergleich zu bleiben, zwar zunächst ein französisches, dann aber auch ein großes europäisches Pro blem. Sowjetrußland ist für Europa und die übrige Welt nicht nur ein Staat, mit dem man gewisse wirtschaftliche und machtpolitische Be ziehungen unterhält — es erhebt den Anspruch, Vorbild für alle Staaten der Welt zu sein, ja, es bezeichnet sich in seiner Verfassung aus drücklich als den ersten Schritt zur sozialisti schen Räte-Weltrepublik und lädt alle sich neu bildenden Sozialistischen Räte-Republiken zum Eintritt in die Sowjetunion ein. Das Ziel des bolschewistischen Imperialis mus ist in der ganzen Welt bekannt: Welt revolution, bas heißt Sturz sämtlicher übrigen Herrschafts- und Wirtschaftsformen, Vernich tung sämtlicher Kirchen und Errichtung von bolschewistischen Räterepubliken nach russischem Vorbild. Der weitaus stärkste Grundpfeiler des roten Weltgebäudes aber ist die bloße Tat sache der Existenz des russischen Sowjetstaates. Es ist doch so: Die er drückende Mehrzahl der europäischen Arbeiter würbe sich zwar bei einer freien Abstimmung gegen die Einführung des Bolschewismus ent scheiden — eine starke Mehrheit würde es aber auch mißbilligen, wenn das bolschewistische Ex periment in Rußland durch äußere Eingriffe abgedrosselt würbe. Ich möchte, nach meinen Beobachtungen, die Einstellung der Mehrzahl der deutschen Arbeiter zu Sowjetrußland mit folgenden Worten for mulieren: Die Arbeiterschaft beobachtet die Vorgänge in Rußland mit größtem Interesse, weil sie im bolschewistischen Experiment den ersten großen Versuch sieht, den Sozialismus zu verwirklichen. Das Proletariat wird sich, in seiner großen, unter marxistischen Lehren ausgewachsenen Masse, nur bann von der Un brauchbarkeit des Systems überzeugen lassen, wenn dieses an sich selbst, ohne äußere Ein wirkung, scheitert; es mißtraut den Meldungen der bürgerlichen Presse über Sowjetruhlanö mindestens ebenso stark wie den bolschewisti schen Propaganda-Meldungen der deutschen Kommunistenblätter. Kurz, die deutsche Ar beiterschaft nimmt im wesentlichen dem Pro blem des Bolschewismus gegenüber eine ab- wartenbe Haltung ein. Da sie sich aber von russischen Verhältnissen keine Vorstellung machen kann, ist sie geneigt, in der nun schon vierzehnjährigen Existenz des bolschewistischen Regimes einen Beweis dafür zu erblicken, daß der Sozialismus lebensfähig sei. Verantwortungslos und leichtfertig leistet ein Teil der europäischen Intelligenz der bol schewistischen Irrlehre Vorspann und macht sich durch probolschewistische Kundgebungen mitschuldig an der Vergewaltigung des russi schen Volkes. Das ist vielleicht nur aus dem .Sie und wir" fundamentalen Irrtum erklärlich, baß der Bol schewismus eine linke Bewegung fei; es ge hört ja in gewissen geistigen Sphären zum guten Ton, »links« zu sein. Abgesehen davon, daß die Begriffe Rechts und Links längst zum alten Eisen gehören, daß sie in der Gegenwart nur noch demagogische Bedeutung haben — das Sowjetregime trägt so unverfälscht re- ktionäre Züge, daß schon die politische Ahnungslosigkeit der Klubsessel-Spartakisten dazu gehört, um hier noch etwas »Linkes« her auszufinden. Zwangsrekrutierung der Ar beiter, unfreiestes aller Wahlrechte, Polizei terror virtuoser Art, Hinrichtungen ohne Ge richt und Urteil, Wohnungsverhältnisse, gegen die die Arbeiterquartiere unserer Großstädte Paläste sind, ein geradezu ausschweifender Militarismus, der alle Schulen und sogar die Frauen umfaßt, Mangel an allem und jedem was heißt hier noch »links«, was heißt hier Arbeiterstaat und proletarische Diktatur, was vor allem Freiheit? Wenn man sieht, daß Männer wie der bedeutende Ingenieur vr. Graf Arco als Mitherausgeber eines Berliner bolschewistischen Propaganda-Blättchens (»Das neue Rußland«) zeichnen, wenn man beobach ten muß, baß sich Leute wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Frhr. von Schönaich, Karl Zuckmayer zur Verteidi gung zwar künstlerischer, aber wüst klassen- kämpfertscher Fresken in einem Worpsweder Kinderheim bereitfinden, wenn man Al- red Kerrs und Franz Bleis Namen unter bolschewistischen revolutionären Aufrufen fin det, die den Justiz-Skandal des Ramsin-Pro zesfes verteidigen, dann kann man nur hof fen, daß diese Intelligenz ihren primitiven Re- voluttonismus nicht wie die russische Intelli genz einst bitter büßen muß. Spurlos aber soll und wird der Bolschewis mus nicht an Europa vorübergehen. Fast ein Jahrhundert lang hat die sozialistische Idee und über ein halbes Jahrhundert die marxi stische Doktrin die Geister der abendländischen Kultur beschäftigt und die aufstrebenden Mas sen des vierten Standes bewegt. Die Gegen wart erlebt nun die Probe aufs Exempel; schon bas ist eine große Sache. Daß diese Probe negativ ausfallen wird, daß der Kommunis mus an den Menschen scheitern wird, ist keine Frage für den, der im Menschen mehr als ein Glied der Masse, im Staate mehr als eine Wohlfahrtsbehörde und im Volke mehr als eine Sprachfamilie steht. Aber der Bolsche wismus soll und wird auch den ganz materia listtsch Eingestellten zeigen, baß Planwirtschaft leibliche Wohlfahrt und Nahrungsspirlraum nicht vergrößert. Doch ganz so einfach ist die Formel nicht Eine Gesellschaftsordnung und ein Wirtschafts system haben nicht nur einen absoluten, son dern auch einen relativen Wert. Europa wird das unwürdige Joch des Bolschewismus viel leicht nur vermeiden können, wenn es ihm eine bessere und schönere Ordnung ent gegenzusetzen vermag. Der drohende Bolschewismus wird somit eine gewaltige Mahnung zu höchste eistungsanspannung für sozia- en Ausgleich und wirtschaftliche Reform. Die relative Hilflosigkeit des kapitalistischen Systems gegenüber den Problemen der Nach kriegszeit hat sich schließlich in einer Erschei nung ausgeprägt, die man Flucht in den Staatskapitalismus nennen möchte. Ihr voran ging, seltsam getreu den Doktrinen Karl Marx', eine Konzentrierung des Kapitals und der anderen Produktionsmittel in Riesenunter- nehmungen von fast monopolistischem Cha rakter. Kartelle und Trusts schalten den freien Wettbewerb immer mehr aus und das Ver hältnis zwischen Kapitalist und Arbeitnehmer verliert seinen ursprünglichen, persönlichen Charakter. Die Kulturwelt erlebt heute einen ehr eigenartigen Prozeß: Auf einem Fllnfttetl der Landsläche unseres Planeten haben poli tische Fanatiker den Versuch unternommen, un bekümmert um wesentliche marxistische Dok trinen, bas Reis des Sozialismus einem pri mitiven, kulturarmen, frühkapitalistischen Volkskörper aufzupfropfen. Sie sind dabei zwangsläufig, in ständiger Steigerung, zur Anwendung wirtschafts- und kulturfeindlicher, reaktionärer, mittelalterlich anmutender Me thoden gekommen; es ist ihnen gelungen, ein Riesenvolk hundertprozentig zu proletarisieren und den Mangel an allem — vom Brot bis zur Freiheit — sozusagen zum Staatssymbol zu machen, nachdem sie, vierzehn Jahre vorher, unter der Devise »Brot und Freiheit!« ange treten waren. Auf dem anderen zivilisierten Teil der Erdoberfläche aber haben sich die Prophezeiungen des Marxismus in gewisser Weise erfüllt, ist der alte einfache Unter nehmer-Kapitalismus zu entpersönlichten, gi gantischen Riesengebilden ausgewachsen, denen man, um mit Marx zu sprechen, nur noch die wenigen Köpfe abschlagen muß, um den Sozia lismus herzustellen. In beiden Reichen, und das ist gänzlich doktrinwidrig, istderStaat nahezu allmächtig geworden. Welche Oberflächlichkeit, diesem großen Rin gen mit den Prädikaten Gut und Böse zu Leibe zu gehen! Wie naiv, das Geschehen in Ruß land aus der Boshaftigkeit einer Hanbvoll schlechter Menschen erklären zu wollen! Wie unehrlich, den Widerstand des Abendlandes gegen die bolschewistische Verknechtung der Menschenrechte mit dem Beharrungswillen fetter Ausbeuter und beamteter Bonzen abtun zu wollen! Kampfbem Bolschewismus? Ja! Kampf dem Bolschewismus, der mit nacht wandlerischer Sicherheit auf den Helotenftaat, den Sklavenstaat zusteuert, der um eines fal schen Ideals willen jegliche menschliche Frei heit begraben muß. Kampf, aber nicht durch starres Festhalten an fragwürdig gewordenen Normen — Kampf in revolutionärem ver antwortungsbewußtem Gcstal - tungswillenumdieneueGemein- schaft, in der der Sozialismus nicht als Form, sondern als Gesinnung lebt! Das Wol len, das allein Europa vor dem roten Irrlicht des Ostens bewahren kann, steht unter dem alten, schlichten Wort: »Ich dien'«. Aus dem Schlußkapitel des neuen Buchs von Theodor Seibert „Das rote Rußland. Staat, Geist und Alltag der Bolschewiki" (Geh. RM 4.50, in Leinen RM 6.90). Unter allen Rußlandbüchern das Rußlandbuch! Warum? Es ist sehr viel verdorben worden am internatio nalen Rußlandbild durch die Bücher von „Kurzbesuchern". Es gibt kaum mehr als ein Dutzend Nichtrussen, die allein zum Landesstudium und genügend lange im Sowjetstaat geweilt haben. Keiner von ihnen hat bisher eine umfassende Darstellung des roten Staats- und Volkslebens gegeben, vr. Seibert ist der erste! Er lebte vier Jahre in Rußland, führte in Moskau einen eigenen Hausstand und bereiste fast das ganze Land. Sein Buch wird jetzt schon als das beste Rußlandwerk bezeichnet. Jetzt, kaum 3 Wochen nach Erscheinen wird schon das 6 Tausend ausgeliefert! Die ganze deutsche Presse von rechts bis links beginnt das Buch in außergewöhnlichem Maße zu beachten. — Zur Schaufensterwerbung bieten wir kostenlos Buchattrappen mit dem wirkungsvollen roten Schuyumschlag an. Auch Prospekte stehen zur Verfügung. Auf ein 6 Kilopaket gehen: 5 Attrappen und 6 geb. Exemplare, oder: 6 Attrappen und 3 geb. und 3 drosch. Exemplare, oder: 6 Attrappen und 6 drosch. Expl. Vorzugsangebot siehe Zettel! UI ULirorr L NLrtt», <- »» !».» , s«n«u»oovr sir. so >U Alleinauslief. für Österreich, Ungarn, 0.8.und 8. S. 8.: vr. Fr. Hain, Wien I, Wallnerstr. 4; für die Schweiz: Grethlein L Co., Zürich, Mythenstr. 17.
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