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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1931-04-20
- Erscheinungsdatum
- 20.04.1931
- Sprache
- Deutsch
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90, 20. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. b.Dtschn.Buchhandel. 2575 Teppiche, der Wärme und der Frauen. Ich möchte die Haus tür öffnen und in das Zimmer hineingehen, ich möchte mich in den Sessel kauern, die Hände in die Wärme halten und mich davon überströmen lassen, ich möchte sprechen und das Harte, Heftige, Vergangene unter den stillen Augen der Frau auftauen und hinter mir lassen, ich möchte es ausziehen wie einen schmutzigen Anzug — Das Licht im Zimmer erlischt. Ich gehe weiter. Aber die Nacht ist auf einmal voll von dunklen Rufen und undeut lichen Stimmen, voll von Bildern und Vergangenem, voll von Fragen und Antworten. Ich wandere weit hinaus. Auf der Anhöhe des Kloster berges bleibe ich stehen. Silbern liegt unten die Stadt. Der Mond spiegelt sich im Fluß. Die Türme schweben, und es ist unfaßbar still. Ich stehe eine Weile und gehe dann zurück, wieder den Straßen und Wohnungen zu. Leise tappe ich zu Hause die Treppe hinauf. Meine Eltern schlafen schon. Ich höre ihren Atem — den leiseren meiner Mutter und den rauheren meines Vaters —, und ich schäme mich, daß ich so spät wieder gekommen bin. In meinem Zimmer mache ich Licht. In der Ecke steht das Bett, weiß bezogen, mit aufgeschlagener Decke. Ich setze mich darauf und hocke noch eine Weile nachdenklich so da. Dann werde ich müde. Mechanisch strecke ich mich aus und will die Decke über mich ziehen. Aber plötzlich setze ich mich wieder auf, denn ich habe ganz vergessen, mich auszuziehen. Draußen schliefen wir ja immer nur in unserm Zeug. Lang sam streife ich die Uniform ab und stelle die Stiefel in die Ecke. Dabei sehe ich, daß am Fußende des Bettes ein Nacht hemd hängt. Das kenne ich kaum noch. Ich ziehe es an. Und mit einmal, während ich es nackt und fröstelnd überstreife, überwältigt mich ein Gefühl, ich betaste die Decken und wühle mich in die Kissen, ich drücke sie an mich und presse mich hinein, in Me Kissen, in den Schlaf und wieder in das Leben, und empfinde nur das eine und nichts anderes: ich bin da — ja, ich bin da! * * » Albert und ich sitzen im Eafö Meyer am Fenster. Vor uns auf dem runden Marmortisch stehen zwei Tassen mit kalt gewordenem Kaffee. Wir sind schon drei Stunden hier, doch wir haben uns noch nicht entschließen können, die bittere Brühe zu trinken. Dabei sind wir von draußen aller hand gewohnt; aber dieses hier kann nichts anderes als auf gekochte Steinkohle sein. Nur drei Tische sind besetzt. An einem verhandeln Schieber über einen Waggon Lebensmittel; am andern sitzt ein Ehepaar, das Zeitungen liest; am dritten rekeln wir unsere hingeflegelten Hintern auf den roten Plüschsofas. Die Gardinen sind schmutzig, die Kellnerin gähnt, die Luft ist stickig, und eigentlich ist hier wohl nicht viel los; aber für uns ist trotzdem eine ganze Menge los. Wir hocken gemütlich da, wir haben endlos Zeit, die Musik spielt, und wir können aus dem Fenster sehen. Das haben wir lange nicht mehr gehabt. Wir bleiben deshalb auch so lange, bis die drei Musiker ihre Sachen zusammengepackt haben und die Kellnerin ärgerlich immer engere Kreise um den Tisch zieht. Dann zahlen wir und streichen durch den Abend. Ls ist groß artig, langsam von einem Schaufenster zum andern zu gehen, sich um nichts kümmern zu müssen und ein freier Mann zu sein. An der Stubenstraße machen wir halt. „Könnten mal zu Becker reingehen", sage ich. „Tatsächlich", stimmt Albert zu, „das könnten wir. Der wird sich ja wundern." In Beckers Geschäft haben wir einen Teil unserer Schul jahre zugebracht. Dort gab es alles zu kaufen, was man sich denken konnte: Hefte, Zeichensachen, Schmetterlingsnetze, Aquarien, Briefmarkensammlungen, antiquarische Bücher und Broschüren mit den Auflösungen der algebraischen Auf gaben. Bei Becker saßen wir stundenlang, dort haben wir heimlich Zigaretten geraucht und unsere ersten verstohlenen Zusammenkünfte mit den Mädchen der Bürgerschule gehabt. Er war unser großer Vertrauter. Wir treten ein. Rasch lassen ein paar Schüler, die in den Ecken stehen, ihre Zigaretten in der hohlen Hand ver schwinden. Wir lächeln und recken uns ein bißchen. Ein Mädchen kommt und fragt nach unfern Wünschen. „Wir möchten Herrn Becker selber sprechen", sage ich. Das Mädchen zögert. „Kann ich es denn nicht auch machen?" „Nein, Fräulein", erwiderte ich, „das können Sie nicht. Sagen Sie mal Herrn Becker Bescheid." Sie geht. Wir sehen uns an und stecken unternehmungs lustig die Hände in die Taschen. Das wird ja ein Hallo geben! Das wohlbekannte Klingeln der Kontortür ertönt. Becker kommt, klein, grau und verhutzelt, wie immer. Er blinzelt einen Moment. Dann erkennt er uns. „Sieh da, Dirkholz und Troßke", sagt er, „auch wieder da?" „Ja", sagen wir rasch und denken, daß es jetzt losgeht. „Ist ja schön! Was soll's denn sein?" fragt er. „Ziga retten?" Wir sind verdutzt. Kaufen wollten wir eigentlich gar nichts, daran hatten wir nicht gedacht. „Ja, zehn Ziga retten", sage ich schließlich. Er gibt sie uns. „Na, denn auf ein baldiges!" Damit schlurft er zurück. Wir stehen noch einen Augenblick. „Noch was vergessen?" ruft er von der kleinen Treppe. „Nein, nein", antworten wir und gehen. „Na, Albert", sage ich draußen, „der scheint zu meinen, wir wären bloß mal spazieren gewesen, was?" Er macht eine verdrossene Bewegung. „Zivilisten kamel .. ." Wir bummeln weiter. Spät am Abend stößt Willy zu uns und wir gehen zusammen zur Kaserne. Unterwegs springt Willy plötzlich zur Seite. Ich er schrecke ebenfalls. Das unverkennbare Jaulen einer Granate kreischt heran, aber dann sehen wir uns verblüfft um und lachen. Es war nur das Quietschen der elektrischen Straßenbahn. Iupp und Valentin hocken etwas verlassen in einer leeren, großen Korporalschaftsbude. Tjaden ist überhaupt noch nicht zurückgekommen. Er ist immer noch im Puff. Die beiden andern begrüßen uns erfreut, denn nun können sie einen Skat ansetzen. Fortsetzung morgen!
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