Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.04.1931
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1931-04-11
- Erscheinungsdatum
- 11.04.1931
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19310411
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193104118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19310411
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1931
- Monat1931-04
- Tag1931-04-11
- Monat1931-04
- Jahr1931
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
83. 11. Avril 1931. Fertige Bücher. Börsenblatt s. d.Dtschn.Vnchhanrel. 2367 In ihren Augenhöhlen hocken schon tiefe, fremde Schatten, aus denen sich die Pupillen nur noch wie Er trinkende hervorquälen. Andere sind still; sie folgen uns nur mit den Blicken, soweit sie können. Allmählich wird t > Rufen schwächer. Die Straßen gehen langsam vorbei. Wir schleppen viele Sachen, denn man muß doch etwas mitbringen nach Hause. Wolken hängen am Himmel. Nachmittags bricht die Sonne durch, und Birken, nur noch mit wenigen Blättern, spiegeln sich in den Regenlachen am Wege. Leichter, blauer Duft hängt in den Aesten. Während ich marschiere, den Tornister auf dem Rücken, den Kopf gesenkt, sehe ich am Rande der Straße, in den klaren Regenpfützen das Bild der Hellen, seidenen Bäume, und es ist in diesem zufälligen Spiegel stärker als in Wirk lichkeit. Eingebettet in den braunen Boden liegt da ein Stück Himmel, Bäume, Tiefe und Klarheit, lind ich er schauere plötzlich. Zum erstenmal seit langer Zeit fühle ich wieder, daß etwas schön ist, daß dieses hier einfach schön ist, schön und rein, dieses Bild in der Wasserlache vor mir — und in diesem Erschauern steigt mir das Herz hoch, alles fällt für einen Augenblick ab, und jetzt spüre ich es zum ersten Male: Frieden — sehe es: Frieden — empfinde es ganz: Frieden. Der Druck weicht, der nichts freigab bisher, ein Unbekanntes, Neues fliegt auf, Möwe, weiße Möwe Frieden, zitternder Horizont, zitternde Erwartung, erster Blick, Ahnung, Hoffnung, Schwellendes, Kommendes: Frieden. Ich schrecke auf und blicke mich um; dahinten liegen nun meine Kameraden auf den Tragbahren und rufen immer noch. Es ist Frieden, und sie müssen trotzdem sterben. Ich aber bebe vor Freude und schäme mich nicht. Sonderbar ist das — Vielleicht ist nur deshalb immer wieder Krieg, weil der eine nie ganz empfinden kann, was der andere leidet. » * » Nachmittags sitzen wir auf dem Hof einer Brauerei. Unser Kompagnieführer, der Oberleutnant Heel, kommt aus dem Büro der Fabrik und ruft uns zusammen. Es ist ein Befehl da, daß aus der Mannschaft Vertrauensleute gewählt werden sollen. Wir sind erstaunt darüber. Bislang gab es so was nicht. Da erscheint Max Weil auf dem Hof. Er schwenkt ein Zeitungsblatt und ruft: „In Berlin ist Revolution." Heel wendet sich um. „Unsinn", sagt er scharf, „in Berlin sind Unruhen." Aber Weil ist noch nicht fertig. „Der Kaiser ist nach Holland geflohen." Das weckt uns auf. Weil muß verrückt sein. Heel wird knallrot und schreit: „Verdammter Lügner!" Weil übergibt ihm die Zeitung. Heel zerknüllt sie und starrt Weil wütend an. Er kann ihn nicht leiden, denn Weil ist Jude, ein ruhiger Mensch, der immer herumsitzt und Bücher liest. Heel aber ist ein Draufgänger. „Alles Quatsch", knurrt er und sieht Weil an, als wollte er ihn fressen. Max knöpft seinen Rock los und holt ein zweites Extra blatt heraus. Heel wirft einen Blick darauf, dann reißt er es in Fetzen und geht in sein Quartier. Weil setzt das Blatt wieder zusammen und liest uns die Nachrichten vor. Wir sitzen da wie besoffene Hühner. Das versteht keiner mehr. „Es heißt, er wollte einen Bürgerkrieg vermeiden", sagt Weil. „Blödsinn", ruft Kosole, „wenn wir das nun auch ge sagt hätten, damals. Verflucht, und dafür hat man hier aus gehalten." „Jupp, faß mich mal an, ob ich noch da bin", sagt Bethke kopfschüttelnd. Jupp bestätigt es. „Dann muß es ja stimmen", fährt Bethke fort, „aber trotzdem begreife ich nichts. Wenn einer von uns das gemacht hätte, wäre er an die Wand gestellt worden." „Ich darf jetzt nicht an Weßling und Schröder denken", sagt Kosole und ballt die Fäuste, „sonst fliege ich ausein ander. Küken Schröder, das Kind, platt gehauen hat er dagelegen, und der, für den er gefallen ist, reißt aus! — Kotzverflucht —." Er knallt die Absätze gegen eine Bier tonne. Willy Homeyer macht eine wegwerfende Handbewegung. „Wollen lieber von was anderm reden", schlägt er dann vor; „der Mann ist für mich endgültig erledigt." Weil erklärt, daß bei verschiedenen Regimentern Sol datenräte gebildet worden wären. Die Offiziere seien keine Vorgesetzten mehr. Dielen hätte man die Achselstücke her untergerissen. Er will auch bei uns einen Soldatenrat gründen. Aber er findet wenig Gegenliebe. Wir wollen nichts mehr gründen. Wir wollen nach Hause. Und das kommen wir auch so. Schließlich werden drei Vertrauensleute gewählt: Adolf Bethke, Max Weil und Ludwig Breyer. Weil verlangt von Ludwig, er solle seine Achselstücke abmachen. „Hier —", sagt Ludwig müde und tippt an seine Stirn. Bethke schiebt Weil zurück. „Ludwig gehört doch zu uns", sagt er kurz. Breyer ist als Kriegsfreiwilliger zur Kompagnie gekom men und da Leutnant geworden. Er duzt sich nicht nur mit uns, mit Troßke, Homeyer, Bröger und mir — das ist selbst verständlich, denn wir sind seine Mitschüler von früher —, sondern auch mit seinen älteren Kamerden, wenn kein anderer Offizier in der Nähe ist. Das wird ihm hoch an gerechnet. „Aber Heel", beharrt Weil. Das ist eher zu verstehen. Weil ist oft von Heel schika niert worden; kein Wunder, daß er jetzt seinen Triumph erleben will. Uns ist es schnuppe. Heel war zwar scharf, aber er ging ran wie Blücher und war immer vorneweg. Da unterscheidet der Soldat schon. „Kannst ihn ja mal fragen", sagt Bethke. „Aber nimm dir Verbandpäckchen mit!" ruft Tjaden hinterher. Doch es wird anders. Heel kommt aus dem Büro, als Weil grade hinein will. Er hat ein paar Formulare in der Hand und zeigt darauf. „Es stimmt", sagt er zu Max. Fortsetzung morgen!
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder