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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1931
- Strukturtyp
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- 1931-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1931
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- Deutsch
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81, 9. April 1931. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. b.Dtschn.Buchhanbcl. 2279 Grabe. Und immer noch geschieht nichts, kein Angriff, keine plötzlich vordunkelnden, springenden Schatten . . . Die Hände lockern sich und schließen sich fester. Das ist nicht mehr zum Aushalten! Wir sind den Lärm der Front so gewohnt, daß wir das Gefühl haben, jetzt, wo er mit einmal nicht mehr auf uns lastet, zerplatzen zu müssen, hochzufliegen wie Ballons. „Mensch, paß auf, es ist Frieden", sagt Willy plötzlich, und das schlägt ein wie eine Bombe. Die Gesichter lockern sich, die Bewegungen werden ziellos und unsicher. Frieden? Wir sehen uns ungläubig an. Frieden? Ich lasse meine Handgranate fallen. Frieden? Ludwig legt sich langsam wieder auf seine Zeltbahn. Frieden? Bethke hat auch einen Ausdruck in den Augen, als würde sein Gesicht gleich zerbrechen. Frieden? Weßling steht un beweglich wie ein Baum, und als er das Gesicht abwendet und sich zu uns dreht, sieht er aus, als wollte er gleich weiter gehen bis nach Hause. Auf einmal, wir haben es kaum bemerkt im Wirbel unserer Erregung, ist das Schweigen zu Ende, dumpf dröhnen wieder die Abschüsse, und wie Spechtgehacke knarrt auch bereits von weither ein M.-G. Wir werden ruhig und sind fast froh, die vertrauten Geräusche des Todes wieder zu hören. Den Tag über haben wir Ruhe. Nachts sollen wir ein Stück zurück, wie schon oft bisher. Aber die von drüben folgen nicht einfach, sondern sie greifen an. Ehe wir uns versehen, kommt schweres Feuer herüber. Hinter uns tost es in roten Fontänen durch die Dämmerung. Einstweilen ist es bei uns noch ruhig. Willy und Tjaden finden zufällig eine Büchse Fleisch und fressen sie sofort auf. Die andern liegen da und warten. Die vielen Monate haben sie aus- geglüht, sie sind fast gleichgültig, so lange sie sich nicht wehren können. Der Kompagnieführer kriecht in unfern Trichter. „Habt ihr alles?" fragt er durch den Lärm. „Zu wenig Munition", schreit Bethke. Heel zuckt die Achseln und schiebt Bethke eine Zigarette über die Schulter zu. Der nickt, ohne umzusehen. „Muß so gehen", ruft Heel und springt zum nächsten Trichter. Er weiß, daß es gehen wird. Jeder dieser alten Soldaten könnte genau so gut Kompagnieführer sein wie er selber. Es wird dunkel. Das Feuer erwischt uns. Schutz haben wir wenig. Wir wühlen im Trichter mit Händen und Spaten Löcher für die Köpfe. So liegen wir fest angepreßt, Albert Troßke und Adolf Bethke neben mir. Zwanzig Meter neben uns wichst es ein. Wir reißen die Schnauzen auf, als das Biest ranpfeift, um die Trommelfelle zu retten, aber auch so sind wir halb taub, Erde und Dreck spritzt uns in die Augen, und der verfluchte Pulver- und Schwefelqualm kratzt uns im Halse. Es regnet Sprengstücke. Einen hat es be stimmt erwischt, denn in unfern Trichter saust mit einem heißen Granatfetzen eine abgerissene Hand, grade neben Bethkes Kopf. Heel springt zu uns herein, kalkweiß vor Wut unter dem Helm beim Aufflackern der Explosionen. „Brandt", keucht er, „Volltreffer, alles weg." Wieder kracht es, braust, brüllt, regnet Dreck und Eisen, die Lust donnert, die Erde dröhnt. Dann hebt sich der Vorhang, gleitet zurück, im gleichen Augenblick Heden sich Menschen, verbrannt, schwarz aus der Erde, Handgranaten in den Fäusten, lauernd und bereit. „Langsam zurück!" ruft Heel. Der Angriff liegt links vor uns. Ein Trichternest von uns wird umkämpft. Das M.-G. bellt. Die Blitze der Hand granaten zucken. Plötzlich schweigt das M.-G. — Lade hemmung. Sofort wiiL das Nest von der Flanke gefaßt. Ein paar Minuten noch, und es ist abgeschnitten. Heel sieht es. „Verflucht", er setzt über die Böschung, „vorwärts!" Munition fliegt mit hinüber, rasch liegen Willy, Bethke, Heel in Wurfweite und werfen. Heel springt schon wieder hoch, er ist verrückt in solchen Momenten, ein wahrer Satan. Aber es gelingt, die im Trichter fassen neuen Mut, das M.-G. kommt wieder in Schwung, die Verbindung ist da, und wir springen gemeinsam zurück, um den Betonklotz hinter uns zu erreichen. Es ist so schnell gegangen, daß die Amerikaner gar nicht gemerkt haben, wie das Nest geräumt wurde. Blitze zucken immer noch in den verlassenen Trichter. Es wird ruhiger. Ich habe Angst um Ludwig. Aber er ist da. Dann kriecht Bethke heran. „Weßling?" „Was ist mit Weßling?" — „Wo ist Weßling?" — Der Ruf steht plötzlich im dumpfen Rollen der Ferngeschütze. „Weßling — Weßling —" Heel taucht auf. „Was ist?" „Weßling fehlt." Tjaden hat neben ihm gelegen, als es zurückging, ihn dann aber nicht mehr gesehen. „Wo?" fragt Kosole. Tjaden zeigt dahin. „Verdammt." Kosole sieht Bethke an. Bethke Kosole. Beide wissen, daß dies vielleicht unser letztes Gefecht ist. Sie zögern keinen Moment. „Einerlei", knurrt Bethke. „Los", schnauft Kosole. Sie verschwinden im Dunkel. Heel springt hinter ihnen heraus. Ludwig macht alles fertig, um sofort vorzustoßen, falls die drei angegriffen werden. Es bleibt vorläufig still. Plötzlich aber blitzen Explosionen von Handgranaten. Re- volverschüsse knallen dazwischen. Wir springen sofort vor, Ludwig als erster — da tauchen die schweißigen Gesichter Bethkes und Kosoles schon auf, die jemand auf einer Zelt bahn hinter sich herschleisen. Heel? Es ist Weßling, der stöhnt. Heel? Hält die andern auf, er hat geschossen; gleich darauf ist er zurück, „die ganze Bande im Trichter erledigt", schreit er, „und zwei noch mit dem Revolver." Dann starrt er auf Weßling. „Na, was ist?" Der antwortet nicht. Sein Bauch ist aufgerissen wie ein Fleischerladen. Man kann nicht sehen, wie tief die Wunde reicht. Sie wird not dürftig verbunden. Weßling stöhnt nach Wasser, aber er kriegt keins. Bauchverletzte dürfen nicht trinken. Dann ver langt er nach Decken. Ihn friert, er hat viel Blut verloren. Ein Gefechtsläufer bringt den Befehl, weiter zurück zugehen. Weßling nehmen wir in einer Zeltbahn mit, durch die ein Gewehr zum Tragen gesteckt wird, bis wir eine Bahre finden. Vorsichtig tappen wir hintereinander her. Es wird allmählich hell. Silberner Nebel im Gebüsch. Wir verlassen die Gefechtszone. Schon glauben wir, es sei alles vorbei, da sirrt es leise heran und schlägt tackend auf. Ludwig Breyer krempelt schweigend seinen Aermel hoch. Er hat einen Schuß in den Arm bekommen. Weil verbindet ihn. Wir gehen zurück. Zurück.
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