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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1931
- Strukturtyp
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- 1931-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1931
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- Deutsch
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WM» e.- . Ein Schuß knallt. Kosole setzt die Knarre ab und späht eifrig zum Himmel. Er hat mitten in den Keil hinein gehalten. Neben ihm steht Tjaden, bereit, wie ein Jagdhund loszurasen, wenn eine Gans fällt. Aber der Schwarm fliegt geschlossen weiter. „Schade", sagt Adolf Bethke, „das wäre der erste ver nünftige Schuß in diesem Lausekrieg gewesen." Kosole schmeißt enttäuscht das Gewehr weg. „Wenn man doch ein paar Schrotpatronen hätte!" Er versinkt in Schwermut und Phantasien, was dann alles getan werden könnte. Unwillkürlich kaut er. „Iawoll", sagt Iupp, der ihn beobachtet hat, „mit Apfelmus und Bratkartoffeln, was?" Kosole sicht ihn giftig an. „Halt die Schnauze, Schreiber seele!" „Du hättest Flieger werden sollen", grinst Iupp, „dann könntest du sie jetzt mit einem Netz fangen." „Arschloch!" antwortet Kosole abschließend und haut sich wieder zum Schlafen hin. Es ist auch das beste. Der Regen wird stärker. Wir setzen uns mit den Rücken gegeneinander und hängen uns die Zeltbahnen über. Wie dunkle Haufen Erde hocken wir in unserm Grabenstück. Erde, Uniform und etwas Leben darunter. » » » Ein scharfes Flüstern weckt mich. „Vorwärts — vor wärts!" „Was ist denn los?" frage ich schlaftrunken. „Wir sollen nach vorn", knurrt Kosole und rafft seine Sachen zusammen. „Da kommen wir ja grade her", sage ich verwundert. „So ein Quatsch", höre ich Weßling schimpfen, „der Krieg ist doch aus." „Los, vorwärts!" Es ist Heel selbst, unser Kompagnie führer, der uns antreibt. Ungeduldig läuft er durch den Graben. Ludwig Breyer ist schon auf den Beinen. „Es hilft nichts, wir müssen raus", sagt er ergeben und nimmt ein paar Handgranaten. Adolf Bethke sieht ihn an. „Du solltest hierbleiben, Ludwig. Mit deiner Ruhr kannst du nicht nach vorn —" Breyer schüttelt den Kopf. Die Koppel schurren, die Gewehre klappern, und der fahle Geruch des Todes steigt plötzlich wieder aus der Erde empor. Wir hatten gehofft, ihm schon für immer entronnen zu sein, denn wie eine Rakete war der Gedanke an Frieden vor uns hochgegangen, und wenn wir es auch noch nicht geglaubt lmd begriffen hatten, die Hoffnung allein war doch bereits genug gewesen, um uns in den wenigen Minuten, die das Gerücht zum Erzähltwerden brauchte, mehr zu ver ändern als vorher in zwanzig Minuten. Ein Jahr Krieg hat sich bisher auf das andere gelegt, ein Jahr Hoffnungs losigkeit kam zum andern, und wenn man die Zeit nach rechnete, war die Verwunderung fast gleich groß darüber, daß es schon so lange und daß es erst so lange her war. Jetzt aber, wo bekanntgeworden ist, daß der Friede jeden Tag da sein kann, hat jede Stunde tausendfaches Gewicht, und jede Minute im Feuer erscheint uns fast schwerer und länger als die ganze Zeit vorher. Der Wind miaut um die Reste der Brustwehren, und die Wolken ziehen eilig über den Mond. Licht und Schatten M»W>M»W»»>»W»MW»MW»»»MWWW»WM»»MWWW»»MMWM>W»»MM»>M>WMM wechseln immerfort. Wir gehen dicht hintereinander, eine Gruppe von Schatten, ein armseliger zweiter Zug, zu sammengeschossen bis auf ein paar Mann — die ganze Kompagnie hat ja kaum noch die Stärke eines normalen Zuges —, aber dieser Rest ist gesiebt. Wir haben sogar noch drei alte Leute von vierzehn her: Bethke, Weßling und Kosole, die alles kennen und manchmal von den ersten Monaten des Bewegungskrieges erzählen, als wäre das zur Zeit der alten Deutschen gewesen. Jeder sucht sich in der Stellung seine Ecke, sein Loch. Es ist wenig los. Leuchtkugeln, Maschinengewehre, Natten. Willy schmeißt eine mit gut gezieltem Tritt hoch und halbiert sie in der Luft mit einem Spatenschlag. Vereinzelte Schüsse fallen. Von rechts klingt entfernt das Geräusch explodierender Handgranaten. „Hoffentlich bleibt's hier ruhig", sagt Weßling. „Jetzt noch eins vor den Bregen kriegen —." Willy schüttelt den Kopf. „Wer Pech hat, bricht sich den Finger, wenn er in der Nase bohrt", brummt Valentin. Ludwig liegt auf einer Zeltbahn. Er hätte wirklich hinten bleiben können. Max Weil gibt ihm ein paar Tabletten zum Einnehmen. Valentin redet auf ihn ein, Schnaps zu trinken. Ledderhose versucht, eine saftige Schweinerei zu erzählen. Keiner hört hin. Wir liegen herum. Die Zeit geht weiter. Mit einem Male zucke ich zusammen und hebe den Kopf. Ich sehe, daß auch Bethke bereits hochgefahren ist. Selbst Tjaden wird lebendig. Der jahrelange Instinkt meldet irgend etwas, keiner weiß noch was, aber bestimmt ist etwas Besonderes los. Vorsichtig recken wir die Köpfe und lauschen, die Augen zu engen Spalten verengt, um die Dämmerung zu durchdringen. Alle sind wach, in allen sind alle Sinne aufs äußerste angespannt, alle Muskeln bereit, das noch Unbekannte, Kommende, das nur Gefahr bedeuten kann, zu empfangen. Leise schurren die Handgranaten, mit denen Willy, der beste Werfer, sich vorschiebt. Wir liegen wie Katzen angeschmiegt am Boden. Neben mir entdecke ich Ludwig Breyer. In seinen gespannten Zügen ist nichts mehr von Krankheit. Er hat dasselbe kalte, tödliche Gesicht wie alle hier, das Gesicht des Schützengrabens. Eine rasende Spannung hat es gefroren, so außergewöhnlich ist der Ein druck, den das Unterbewußtsein uns vermittelt hat, lange bevor unsere Sinne ihn erkennen können. Der Nebel schwankt und weht. Und plötzlich fühle ich, was uns alle zu höchstem Alarm gebannt hat. Cs ist nur still geworden. Ganz still. Kein M.-G. mehr, kein Abschuß, kein Einschlag; kein Granatenpfeifen, nichts, gar nichts mehr, kein Schuß, kein Schrei. Es ist einfach still, vollkommen still. Wir sehen uns an, wir können es nicht begreifen. Es ist das erstemal so still, seit wir im Kriege sind. Wir wittern unruhig, um zu erfahren, was es zu bedeuten hat. Schleicht Gas heran? Aber der Wind steht schlecht, er würde es ab treiben. Kommt ein Angriff? Aber dann wäre er durch die Stille ja vorzeitig verraten. Was ist bloß los? Die Granate in meiner Hand ist naß, so schwitze ich vor Erregung. Es ist, als wollten die Nerven reißen. Fünf Minuten. Zehn Minuten. „Jetzt schon eine Viertelstunde", ruft Valentin Laher. Seine Stimme schallt hohl im Nebel wie aus einem
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