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                    Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.11.1910
- Strukturtyp
 - Ausgabe
 - Band
 - 1910-11-03
 - Erscheinungsdatum
 - 03.11.1910
 - Sprache
 - Deutsch
 - Sammlungen
 - Saxonica
 - Zeitungen
 - LDP: Zeitungen
 - Digitalisat
 - SLUB Dresden
 - PURL
 - http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19101103
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 - urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191011031
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 - oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19101103
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 - Urheberrechtsschutz 1.0
 
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel 
- Jahr1910 
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                              13188 Börsenblatt s. d. Dpchn. Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 255, 3. November ISIS. hier im Börsenblatt*) und an anderen'Orten abgedruckt war der Jahresbericht des Stadtschulinspektors in Worms (Worms hat meines Wissens eine durchaus liberale Stadt- und Schul verwaltung), worin es zur Jugendschristenfrage ungefähr wie folgt hieß: Die Jugendschriftenausschüsse Hamburgischer Observanz hätten nicht eher geruht, als bis alle Erzählungen von Hoffmann, Horn, Nieritz usw. aus deu Schülerbibliotheken verdrängt und durch für die Jugend meist ungenießbare Bücher ersetzt worden wären. Die hungrige Jugend sei deshalb in die Winkelbuchhandlungen gelaufen, um sich Schundhefte zu kaufen. Statt also Himmel und Hölle anzurufen gegen die Schundliteratur, solle man erst an die eigene Brust schlagen und eingestehen, daß man die Schundhefte, bzw. deren Ver breitung selbst verschuldet habe.« — Einerlei, ob man sich dieses scharfe Urteil zu eigen machen will oder nicht; Tatsache ist, daß das Hervordrängen des Schundes erst eine längere Reihe von Jahren nach dem Einsetzen der Bewegung für künst lerische Erziehung der Jugend sich bemerkbar machte. Diese Erscheinung gibt immerhin zu denken. Noch einen gewichtigen Zeugen gegen die Hamburger Jugendschriftenbewegung führe ich hier ins Feld, nämlich den vor etwa zwei Jahren verstorbenen Professor Friedrich P'aubsen, der in dem Buche »Aus meinem Leben« auf Seite 97 wörtlich schreibt: »Nun erhielt der Lesetrieb neue Nahrung: der Lehrer richtete eine kleine Schülerbibliothek ein, es waren die üblichen Jugend bücher von Nieritz, O. v. Horn usw. Wöchentlich durfte man eins dieser Bücher leihen gegen eine Gebühr von einem Bankschilling <3 Pf.). Ich habe viele gelesen, ich gestehe — den heutigen Reformen der Jugendliteratur zum Trotz sei es gesagt — mit viel Vergnügen und, soweit ich urteilen kann, ohne Schaden an meiner Seele oder an meinem Geschmack zu nehmen. Manche dieser kleinen Erzählungen ist mir in so lieber Erinnerung geblieben, daß ich sie noch meinen Kindern wiedergeschenkt habe: Friedl und Nazi, Aus der Franzosen zeit (ein patriotischer Schmugglerroman aus der Zeit der Kontinental sperre), Fürst Wolfgang von Anhalt, Die Belagerung von Wien (1683) usw. Sie haben meinen Gesichtskreis erweitert, meine Fähig keit, deutsch zu sprechen und zu schreiben, gemehrt, überhaupt in jeder Hinsicht mich bereichert. Und ich kann in der Verfolgungswut, die gegen diese Schriftsteller jetzt unter den neunmal gescheiten Ham burgischen Pädagogen ausgebrochen ist, nur ein Zeichen der Reforrn- und Neuerungssucht erblicken, die in dieser Zeit wie ein brüllender Löwe umhergeht und irgend etwas sucht, das sie verschlinge. Natürlich ist auch Minderwertiges unter jenen Sachen, aber nicht minder ist gewiß, daß manches Gute darunter ist, und daß es töricht ist, eine besondere Jugendliteratur überhaupt zu verwerfen: es hat sie immer gegeben und wird sie immer geben. Man darf nicht den Geschmack der Erwachsenen als Maßstab an sie anlegen; die harmlose Freude an bunten Ereignissen, das natürliche Verlangen nach einem »guten Ausgang«, das sind Dinge, die man der Jugend nicht verargen und nicht verwehren soll. Mit einer Literatur, die sie nicht selbst schätzt, sie mag im übrigen so schätzenswert sein als sie will, ist nichts gewonnen. Der Unterlehrer gab mir wohl einmal aus seinem Bücherschatz etwas mit, einen Band Ohlenschläger oder ähnliches, ich habe wohl einen Versuch damit gemacht, aber es ging mir nicht ein. Ja ich gestehe, daß ich noch als Sekundaner in Altona mit Schiller dieselbe Erfahrung machte: Don Carlos, Jungfrau von Orleans, ich habe sie gelesen, ich ehrte sie, wie Gretchen sagt, doch ohne Verlangen.« Professor Di. Brunner gibt jetzt eine Zeitschrift heraus: »Die Hochwacht«. Monatsschrift zur Bekämpfung des Schundes und Schmutzes in Wort und Bild (Ulrich Meyer, Berlin), die nicht genug empfohlen werden kann. Im ersten Hefte äußert sich der auch als Jugendschriftsteller be kannte Lehrer Wilhelm K o tz d e in Rathenow an einer Stelle wie folgt: »Bei aller guten Meinung haben sich die ästhetischen Erzieher einer gefährlichen Einseitigkeit schuldig gemacht. In ihrem Kamps gegen die Macher haben die ethischen, religiösen und vaterländischen Ideen doch manchen Hieb bekommen, statt daß man sie gepflegt hätte. In einem ihrer führenden Organe hat jemand, und zwar im Aufträge einer größeren Gruppe, eine Erzählung von Horn besprochen und ver worfen. Zur Begründung seines ablehnenden Urteils gibt er eine Probe aus der Erzählung, und wir wollen sie auch hierher setzen, um die blinde Verranntheit dieser Kritiker zu kennzeichnen. Horn schildert: »»Sie ist ein Engel! und wahrlich, das war sie. Wie schön sie sei, ahnte sie nicht; wie gut sie sei, sagte ihr seelenvolles Auge, der milde Ausdruck ihres Wesens; das verkündete ihr Leben und Tun; wie fromm sie sei, bewies ihre Andacht in der Kirche; wie fleißig sie sei, verkündete ihr Haus, ihre Reinlichkeit, ihre nie rastende Tätigkeit. Marie hatte für Arme stets eine Gabe. Die Nachbarn rühmten ihre Bereitwilligkeit, gefällig züsein, allesamt und jedermann redete Liebes und Gutes von ihr.«« — »Ich glaube, das genügt!« fügt der Kritiker hinzu. Es soll solche stille, gute, tüchtige Mädchen auch noch heute geben; aber wenn es nach den Kritikern ginge, dürste man sie nicht schildern.« Ich glaube, wenn Herr Köhler alle diese Stimmen ge kannt hätte, er würde nicht so rückhaltlos für die Prüfungs ausschüsse eingetreten sein, hätte aber vor allem nicht die ver letzenden und unrichtigen Sätze aus Eduard Engels Literatur geschichte angezogen. Für letzteres bin ich zwar dankbar, ich meine, nun das wahre Gesicht dieses Literarhistorikers erkannt zu haben. Wir Hamburgischen Buchhändler — wir waren ja auch die nächsten dazu — haben bald das Wesen unseres Hamburgischen Jugendschriftenausschusses erfaßt ge habt und sind in den Kampf gegen ihn eingetreten. Das Grundsätzliche in dieser Bewegung dürfte bald ganz, weil un wahr und unnatürlich, überwunden sein. Die von mir zitierten Stimmen beweisen, daß die Verurteilung immer allgemeiner wird. Ob man mit anders gearteten Ausschüssen Hand in Hand gehen kann, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Keinen- falls bin ich geneigt, mich deren Beurteilungen willenlos zu beugen, wie ich mir auch durchaus nicht mein Vertrauen in unsere Jugendschriftenverleger erschüttern lasse, daß sie ernstlich bemüht sind, nur gute Bücher zu bringen, wenn auch ohne die Approbation irgend eines Ausschusses. Wir Buchhändler, Ver leger wie Sortimenter, sollen uns unser eigenes Urteil be wahren und nicht im Winde beliebiger Tagesmeinungen schwanken. Herr Köhler sagt, wir Buchhändler müßten es ängstlich (?) vermeiden einer K u l t u r'bewegung hemmend entgegenzutreten. Sehr richtig; aber was ist Kultur? Die Kultur, welche uns Wolgast und Engel bringen wollen, kann ich nicht als gesund ansehen, sie ist entweder Unter- oder Uber kultur, ich bekämpfe sie nicht zaghaft und ängstlich, sondern offen und entschlossen. Bisher habe ich noch keine guten Früchte dieser Kunstbewegung erkennen können, obwohl sie schon an die zwanzig Jahre wirkt. Man zeige mir doch ihre Früchte! Aber die »hurrapatriotischen«, »frömmelnden«, »moralin behafteten« Jugendschriften früherer Jahrzehnte haben unsere Jugend stark und gesund gemacht, so daß sie ohne Bangen den Weg von Düppel über Königgrätz nach Sedan gezogen und in unfern Kolonien allzeit treu erfunden worden ist. Ich befürchte, daß die Erziehung zum Kunstgenuß dazu nicht in gleichem Maße fähig machen wird. H a mburg, 29. Oktober 1910. Justus Pape. Einige Glossen zum Artikel »Prüfungsausschüsse und Buchhandel« im Börsenblatt Nr. 248 vom 25. Oktober d. I. Herr Köhler hat seinen Artikel, die Einleitung abge rechnet, in elf Abschnitte gegliedert. Ich will nun diesen, reihefolgend, einige Bemerkungen gegenüberstellen. Leider zwingt mich die beginnende rege Geschäftstätigkeit zu dieser Kürze. Zu I: Prüfungsausschüsse für Jugendliteratur, die es sich zur Aufgabe machen, vor dem Schlechten zu warnen, werden den vollen Beifall und die Unterstützung eines jeden *) Vergl. Börsenblatt Nr. 143 v. 24. Juni 1910.
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