Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.11.1897
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 11.11.1897
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18971111
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189711110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18971111
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-11
- Monat1897-11
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
darf; und diese bietet vor allem die Lektüre der Werke, worin be deutende Schriftsteller aller Zeiten Natur und Menschenleben in richtiger, anregender und erhebender Weise zur Darstellung bringen, sei es nun in dichterischer oder in leicht verständlicher wissenschaft licher Form. Der hohe Wert, den Amerikaner und Engländer gerade auf diese Fortbildung nach eigenem Wunsch und Drang legen, entspricht ihrem von altersher an Selbstdressur und freie Bewegung gewöhnten Wesen. Die Millionen, die sie, auf langer Erfahrung fußend, für Public Libraries ausgeden, beweisen den praktischen Wert derselben besser, als dies irgend eine theoretische Auseinandersetzung vermöchte. Die Amerikaner sagen: je voller die Public Libraries, desto leerer die Gefängnisse, und nennen sie die wahren Volkshochschulen. -Betrachtet einmal-, sagt Emerson, -was ihr in der kleinsten auSgcwählten Bibliothek besitzt. Eine Gesellschaft der weisesten und witzigsten Männer, die in einem Jahrtausend aus allen civilisierten Ländern aufgefischt werden konnten, haben die Resultate ihres Wissens und ihrer Weisheit in bester Ordnung aufgestellt . . . Der Gedanke, den sie nicht einmal vor ihrem Busenfreund enthüllen mochten, ist hier niit durchsich tigen Worten für uns, die Fremden eines anderen Zeitalters, niedergeschrieben.- Was für ein Unterschied ist nun aber zwischen einer Volks bibliothek und einer gewöhnlichen Leihbibliothek? Der, daß die Volksbtbliothek 1) dem ganzen Volke und nicht nur den Begüterten dienen soll, und 2) daß sie ihm wirklich dienlich sein soll, während bei der privaten Leihbibliothek das Interesse des Be sitzers notwendigerweise im Vordergrund steht und das öffentliche nur so wett zur Geliung kommt, als es mit diesem zusammensällt. Zu 1). Die Volksbibliothek soll zwar keine wohlthätige, aber sie soll eine gemeinnützige Anstall sein. Am richtigsten ist es daher, wenn sie auf öffentliche Kosten aus den nach dem Einkommen ver teilten Stenern unterhalten wird, die durch freiwillige Spenden wohlgesinnter Bürger ergänzt werden mögen; so ist es in England und Amerika. So lange dies nicht in ausreichendem Maße er reicht ist, empfiehlt es sich, daß die Benutzer einen Teil der Kosten durch ein niedriges Lesegeld selbst aufbringen; in Deutschland hat sich dieser Weg bisher im allgemeinen als der in allen Hinsichten vorteilhafteste erwiesen. Die Volksbibliothek soll nicht einem Staude, sondern dem ganzen Volke dienen. In Deutschland indessen, das so reich an speziell wissenschaftlichen Bibliotheken ist, dürste es für das Gedeihen der Volksbibliotheken zweckmäßig sein, sie fürs erste von jenen gelehrten Bibliotheken getrennt, gewissermaßen als Laienbibliothek vielseitigster Art, sich entwickeln zu lassen, um die freie und lebhafte Cirkulation der Bücher, die für sie notwendig ist, nicht durch die bei jenen älteren Bibliotheken für notwendig ge haltenen Kautelen hindern zu lassen. Da durch das Lesegeld (in Eimsbüttel 5 H pro Band oder 50 H pro Vierteljahr) nur etwa die Hälfte der Unkosten der Biblio thek gedeckt werden, so mögen bemittelte Leser, so lange die Bibliothek noch nicht auf die öffentlichen Steuern übernommen ist, es als eine Ehrenpflicht ansehen, ihr zugleich als -Mitglieder- (Beitrag mindestens 2 ^ pro Jahr) beizutreten, um sich nicht sagen zu müssen, daß sie auf anderer Kosten lesen. Zu (2). WaS ist aber dem ganzen Volke wirklich dienlich? Wir lesen zu zweierlei Zweck, zur Unterhaltung und zu innerer Bereicherung. Jene Hilst uns, wie ein anderes Vergnügen, Stunden angenehm zu verbringen, Sorgen zu vergessen, unsere Stimmung zu verbessern; diese liefert uns neue oder klarere Vorstellungen oder Gefühle, in deren Besitz wir unsere Lebensaufgabe, in welcher Richtung es auch sei, besser erfüllen können. Auch jener erste Zweck hat nichts Verwerfliches an sich, ja selbst, wo seine Verfolgung zur Leidenschaft wird, gehört diese zu den harmlosesten: der Lese rausch ist sicher dem Alkoholrausch bei weitem vorzuziehen. Gegen die Lesewut, die verschlingt, ohne zu verdauen, soll der Vorstand einer Volksbibliothek allerdings kein Entgegenkommen zeigen. Die richtigen Leser sind die, die ein gutes Buch zwei-, dreimal be dachtsam lesen, nicht die, die in einer Woche zehn schlechte Romane hinunterwürgen. Weit höher, als der Zweck der Unterhaltung, steht der zweite der genannten Zwecke, und diesem muß eine Voiksbibliothek ge weiht sein. Ihr Programm für die Auswahl der Bücher muß dasjenige sein, das ihr in einem Vortrag bei ihrer Gründung vor- gezeichnet wurde: -Alles das, was die Weltanschauung erweitert und charakterbildend wirkt.» Wir geben zu. daß die Praxis diesem Programm nicht ganz entsprochen hat: durch die eingangs an gegebene Entstehungsart unserer Büchersammlung wurde ihr von vornherein, trotz aller Revisionen, ein gewisser Leihbibliotheks- Stempel aufgedrückt, und auch bei späteren Erwerbungen ist viel leicht manchmal zu viel Wert auf die Wünsche des Publikums gelegt worden. Mber wir können dies nicht bedauern, denn durch das Entgegenkommen gegen die Leser in diesem wie in allen anderen Punkten haben wir das gewonnen, was das Wich- LteruW cchz iz,icx yrgu »L- tigste ist und was so vielen derartigen Unternehmen fehlt: das Publikum. -Looks lrks ooins ars usstui oulz- irr oireulatrou-, hat ein amerikanischer Autor gesagt, und unsere Bücher stehen nicht unnütz aus ihren Borden, sondern sie find in regem Gebrauch, nicht nur die leichte Ware, sondern auch die edleren Erzeugnisse unserer wirklichen Dichter und die bedeutende Sammlung geschichtlicher, geographischer und naturwissenschaftlicher Werke, über die wir ver fügen. Mancher Leser -liest sich von jener zu diesen hinauf«. Es ist aber jetzt, da wir einmal Wurzel in der Bevölkerung gefaßt haben, unsere Aufgabe, die seichte, verschrobene Darstellung der Welt, wie sie viele der sogenannten -Lieblinge des Publikums bieten, mehr und mehr durch die Schriften von Lessing, Storm, O. Ludwig, Anzengruber, H. v. Kleist, Tieck, K. F. Meyer, Rosegger und manchen der neuesten Autoren zu ersetzen, die unsere Bibliothek noch sehr unvollständig besitzt und denen sich zum Glück noch eine große Zahl anderer anreihen läßt, wie Schiller, Goethe, Hauff, Hebbel, Heine, Fontane, Reuter, Auerbach, Heyse, Keller, Raabe, Freytag, Jensen u. s. w., die sie ziemlich vollständig bieten kann. Denn da nicht jeder viel erleben kann, so bildet heutzutage ein erheblicher Teil unserer Bevölkerung, namentlich der weiblichen, seine Kenntnis der Welt an Erzähltem; und da ist es wahrlich nicht gleichgiltig, ob das Bild, das ihm von der Welt geboten wird, ein wahrhaftiges und tiefes oder ein schiefes und plattes ist. Ist doch die falsche Schätzung der Werte, die das Leben bietet, oder der Glücksgüter, das verbreitetste und folgenreichste Nebel der Menschheit. » » » Die Motive, die für die Ausstattung der Volksbibliotheken mit Lesehallen, dem englisch-amerikanischen Vorbilde gemäß, sprechen, sind in Hamburg dieselben, wie sie oben für Berlin namhaft ge macht wurden. Der Vorstand der Eimsbütteler Volksbibliothek hat denn auch seit Jahren den Wunsch gehegt, ein Lesezimmer bei dieser zu eröffnen; ungünstige Finanzlage hat ihn jedoch davon zurückgehalten. Das gegenwärtig in Hamburg erwachende Interesse für solche Anstalten läßt ihn aber jetzt den Zeitpunkt für gekommen erachten, einen Versuch in der gewünschten Richtung zu wagen. Am 15. Oktober d. I. wird er im größeren Saale des Eimsbütteler Knabenhortes, der ihm freundlichst zugesichert ist, eine Lesehalle eröffnen, die zunächst bis Neujahr als Versuch mit den bescheidensten Mitteln betrieben werden wird, danach aber je nach der finanziellen Unterstützung, die wir finden, entweder in etwas größerem Maß stabe weitergeführt oder — wenn es sich zeigt, daß Hamburg nicht das leisten kann, was auch in Deutschland viele kleinere Städte leisten — geschlossen werden wird. Die Lesehalle soll Wochentags von 7'/z bis 9'/r Uhr abends, Sonntags mindestens von ll'/z bis 1'/, Uhr mittags geöffnet sein. Die Benutzung des Leseraumes, in dem auch die Bücher der Volks bibliothek verabreicht werden, steht jedem Erwachsenen kostenlos frei. Damen werden unentgeltlich, täglich abwechselnd, die Auf sicht im Leseraum führen und das Publikum bedienen. Eine An zahl Bücher für die sogenannte -Reference Library», an die jeder mann wird frei herantreten können, sind vorhanden, andere in sicherer Aussicht. Von den Zeitungen und Zeitschriften hoffen wir einige von den Redaktionen geschenkt zu erhalten, auf andere müssen wir abonnieren. Von demselben Tage an soll auch die Volksbibliothek täglich offen sein, Wochentags von 7>/2 bis 9, Sonntags von llfl, bis 1 Uhr. Diese Maßregel erweist sich durch den jetzigen starken Zudrang des Publikums, der nach Eröffnung des Leseraumes erfahrungsgemäß noch sehr steigen wird, als unvermeidlich; dennoch kann auch sie, da sie erhöhte Kosten bedingt, nur dann über Neu jahr hinaus fortgesetzt werden, wenn uns größere Mittel zur Ver fügung gestellt werden. Die Beschaffung dieser muß daher für die nächste Zeit unsere wichtigste Aufgabe sein. Da 7000 Bände wirklich guter Bücher schon ein Schatz sind, der für die meisten Zwecke allgemeiner Bildung genügt, so wird das Bestreben des Vorstandes viel mehr auf Verbesserung als auf Vermehrung des Bücherbestandes gerichtet sein. Zu diesem Zwecke hat er aber immerhin eine Menge Werke zum Ersatz minderwertiger oder zerlesener nötig. Auch muß er es sich angelegen sein lassen, die Handbibliothek für das Lesezimmer zusammenzubringen, die aus Nachschlagewerken sowohl, als aus einer kleinen Sammlung aller erster Schriftsteller bestehen muß. Daneben wird ec suchen, durch Verträge mit anderen Anstalten auch deren Bücherschütze den Lesern der Volksbibliothek näher zu bringen und sich so auf dem spar samsten Wege eine Reserve zu schaffen, die den Werr der Anstalt für die Bevölkerung Eimsbüttels und der benachbarten Stadtteile bedeutend zu erhöhen vermag. Hoffen wir, daß das endlich erwachte Interesse sür diese Sache die geplante Schaffung einer Central- dibliothek für Hamburg, an die sich die Lokcubiblwtheken der einzelnen Stadtteile anschließen können, recht bald zur Wirklichkeit werden lasse! IV. L. 1114
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder