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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.10.1937
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1937-10-11
- Erscheinungsdatum
- 11.10.1937
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- Deutsch
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Herr Thomas Pöschl zu Salzburg, vormals zu Braunau, an die hochschätzbarfte Frau Anna Maria Palm geb. Stein, Buchhändlerö- witib zu Nürnberg in der Winklergaffe. Salzburg, am Tage St. Stephanus 1812 Ich glaube wohl, daß Sie mich noch in der Erinnerung haben werden von dem Schreiben her, welches ich Ihnen, des teuren Gemahles traurig geschehenes Ableben am 26. August 1806 vermeldend, just vor sechs Jahren, nämlich am 4. Seplembris 1806, aus der Festung Braunau, dem Ort seines Opsertodes, Übermacht habe. Damals schloß ich Ihnen zugleich in einem Konvolut bei des teuren Herrn rotumrandt Tüchlein — sein Seufzertüchlein hat er es ge nannt! — die Uhr und die Ringe, bare Münze, Taschen buch und Tabakspfeife — alles zum lieben Gedächtnis! Zu vermelden: Auch Ihre hochwerten Antwortzeilen sind mir richtig zu Händen gekommen und sollen heute und sürder bei mir treulich verwahrt sein. Immerdar werde ich mich glücklich schätzen, daß es mir von Gott vergönnt wor den, dem seligen Herrn Buchhändler Joh. Phil. Palm, obwohl wir nicht desselbigen Glaubens waren, im Tode tröstend beizustehen. Ich tat solches nach besten Kräften im Verein mit meinem lieben Confrater, dem hochwürdigen Herrn Joh. Michael Gropp, Prediger vom Spital. Auch habe ich, das darf ich versichern, fürder nicht leicht verab säumt, des entschlafenen Herrn Palm und Ihrer, hochschätz bare Frau, sowie der teuren Kinder beim täglichen Meß opfer zu gedenken. Niemals aber, des dürfen Sie gleicher maßen versichert sein, habe ich für die Familie Palm zu Gott beten können, ohne zugleich an unser teures Deutsch land gemahnt zu werden und um Befreiung zu flehen aus unwürdigen Ketten. Ich sende Ihnen diese Zeilen am Tage des heiligen Stepha nus, der ein Märtyrer gewesen — erster Blutzeuge — für Christi Sache, so wie der unvergeßliche Palm es war für die Sache des Vaterlandes. Die Richtstätte auf dem Glacis vor dem Salzburger Tor zu Braunau, wo die französischen Kugeln ihn trafen, ist nicht weit von der Stephanskirche gelegen, deren schwindelhoher Turm, wie ein Finger der Rache zum heiteren Spärsommerhimmel empordrohend, das frühe, heldenhafte Sterben überschattet hat. Das diesmal und heute beigeschlossene Konvolut, hochschätz bare Frau, enthält Aufzeichnungen, die der verewigte Buchhändler Joh. Phil. Palm Ihnen eigens bestimmte. In ruaiuoriaiir 8ui. — Es sollten nach seinem ausdrück lichen Willen Briefe sein: zu bestellen erst nach seinem Tode! Den Zeitpunkt solcher Bestellung zu wählen, hat Herr Palm erwogenermaßen mir selber freigelassen. Ich möchte, 4818 /c/r/>6ki6 mic/r, //inen einöuek a DaS Original zu diesem Blatt wurde gelegentlich einer Renovierung der ehe dem Palm'schen Wohnung in der Winklergaffe zu Nürnberg unter der Tapete Nach fast zehnjähriger Schweigepause schenkt uns der Weimar! Meister Karl Linzen ein neues Werk, von dem man im erst« Atemzug sagen darf, daß es ein Meisterwerk ist. Es ist die G schichte des deutschen Buchhändlers und Patrioten I. PH. Palr den Napoleon im Jahre 1806 wegen Verbreitung einer Flugschri „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" zu Braunau am In erschießen ließ. Dieses Buch darf der Buchhändler nicht nur a> dichterisches Meisterwerk für sich beanspruchen, sondern auch de halb, weil er darin die Verkörperung seines geliebten Duck Händlerberufes wiederfindet: einen Hochgesang von Berus Hingabe, Verlegertreue, wahrhafter Mannhaftigkeit, und dan wieder ein Liebeslied, so zart und reich und tief, daß die eigei Nr. 233 Montag, den 11. Oktober 1937 fernen können, von clem rc/r Ferne 6e5c/i6n/rt /lates uns Karl Linken Glühen und Sterben Geschichte des deutschen Buchhändlers und Patrioten Zkoh. Phil. Palm in 2luf;eichnungen und Briefen 176 Leiten, eine LilckbeilaKo /'alme, 1<orniar 11,5:19,5 cm /.einen HÜ1 Z.60, Lcü. 6.— leele beglückt mitschwingt. — Hier finden wir den Wurzelgrund ner Treue und Liebe, die kein falsches Pathos kennt, sondern echte, bescheidene und tiefe deutsche Heldentum. Aus ihm braus kommen wie eine selbstverständliche Blüte jene Worte lalms, als er mit der Gewißheit des Todes vor seinen fremden lichter» stand: „Ich bin nur ein schlichter, deutscher Buchhändler, lge ganz einfach meinem Ehrgefühl und meinem Gewissen ... ler Gedanke an Verrat ist mir ein Abscheu!" ieses Buch ist an Weite und Tiefe ein Einzelfall. Denn es reicht pn der Weltgeschichte bis zum letzten Herzschlag menschlichen eschehens. Überall wird das schauende Herz sichtbar. so lautete seine letzte, hastig geflüsterte Ordre — wir hörten von draußen schon den schweren Tritt der ihn abholenden Soldaten! — ich möchte die Briefe an Sie übermitteln in dem Augenblick, da zum ersten Mal die Hand des rächenden Gottes drohend am Himmel erschiene. Sie ist erschienen — die Hand! Das brennende Moskau hat als Fanal blutig über die Eisfelder Rußlands und die fliehenden Heere des korsischen Tyrannen hergeleuchtet. — Es wird weiter leuchten, das Fanal, bis der angemaßte Thron und Purpur und alle despotische Herrlichkeit vollends zu Asche gebrannt sind. Ihnen aber, hochschätzbarste Frau, wünsche ich stille Stunden der lesenden Einkehr und des Gedächtnisses an den unver geßlichen, durchRachsucht und Willkür gemeuchelten Palm! Die beigeschlossenen Blätter sind unberührt, so wie sie der zeit mir Übermacht worden. Sie werden die aufgedrückten Siegel seines Ringes wiedererkennen. Was die Briese ent halten, kann ich nur erraten oder auch vielleicht nur ahnen. „Mein Leben steht darin ausgezeichnet", sagte der Treff liche, „mein Glühen und lange schon vorgefühltes Sterben. Es wird meine Anne an mich gemahnen zu einer Zeit, da ich selber nicht mehr bin. Daß die Zeitwende, da diese Blätter ihr ohne Gefahr für Sie und meine Kinder zu kommen, aber nahe sei, das wünsche und erflehe ich von Herzen für Deutschland." In allem Unglück, hochschätzbare Frau, preise ich dennoch ein Glück. Die wenigen, sozusagen offiziellen Zeilen, die Palm unmittelbar vor seinem Tode für Sie und die ge liebten Kinder aufs Papier geworfen, sind doch nicht das einzige und letzte von seiner Hand gewesen, was Ihnen das Schicksal zugedachl. Waren sotane Zeilen gleichsam nur ein eng herbstlich Gärtlein, das da düsten mußte nach Wehmut, Moder und Tod — jetzo dürfen Sie noch einmal treten in die offene, freie und weite Landschaft seines trotz alledem gesegneten Lebens. Eines trotz Sorge und Mühsal schönen, kämpferischen, von Mut und Zielgestalten befeuerten Buch händlerlebens. Blühende Jugend, Frühling und Ernte wogen Ihnen entgegen — freilich, nach Gottes Ratschluß nicht allzu lange! Grollendes Gewölk zog sich über Palms Haupte zusammen — es solgte der tödliche Wetterschlag —. Möge der Allgütige Sie, hochschätzbarste Frau, nebst lieben Kindern weiter behüten und trösten! Mit wehmuwollem Gedenken bin ich Ihr ganz ergebener Diener in Gott Thomas Pöschl Beigeschlossen: 1 Konvolutum mit zwei gesondert versie gelten Stücken. Nr. 235 Montag, den 11. Oktober 1S37 4SI«
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