Und koch über den beiden klösterlichen Symbolen bezeugt der Mosesberg, auf dem der Führer des alten Bundes die Geletzestafeln empfing, die dritte und älteste der Weltrcligionen. Man nimmt cs hier mit der kultische» Absonderung nickt sehr streng, von MoseS bis Mokammed ist für den Orientalen kein so weiter Weg. Von uns bis t» Moses ist es viel weiter. Das Kloster Kat einst als Festung begonnen. Kaiser Jusiinian ließ im Jakre fünfkundertdreißig mit diesen Mauern ein Kastell um gürten, das den Schuh der Einsiedler und Wüstenkeilige» übernahm, die sich im keiligen Gebiet der Sinaioffenbarung angesiedclt hatten. Vergeblich batten sich die friiken Griechenckristen gegen den alten Gott vom Sinai ausgeleknt. Er katte sich auch in ikrem Glauben als Herr des Gesetzes bekauptet. Jkm ganz zu dienen, gingen die Büßer in die Wildnis. Doch bald mußten sich die Eremiten, die den Horden der Wüste als böse Zauberer verdächtig waren, ganz in eine Um friedung zurückzichen, und aus der Festung wurde ein Kloster. Tragische Ironie umwölkt die Ungeschickte des Baues, dessen erste Wände und Stützpfeiler auch »och den kcutigen Tag erleben. Bei einer Bcsicktigungsreise fand der Kaiser, daß dieses Kastell seinen Zweck nickt erfülle, da es schon dem ersten feindlichen Ansturm erliegen würde. Der Baumeister katte nämlich, uni die WaffcrqucUen des Tales zu verwerten, die Anlage in die Ebene statt auf die Höbe gesetzt. Von den Bergkängcn könnte man daher, meinte der erzürnte Kaiser, den Jnnenraum mit Steinen oder Feuerbränden bewerfen. Und er ließ den Baumcister hinrichte». Seinem Rufe als Hort der Gerechtigkeit hat Justinian mit diesem Bluturtcil keine Ekre gemacht. Denn gerade dieser Bau sollte das einzige Monument der Kulturwelt sein, das nie zerstört wurde. Auf diesem Glücksfall beruht ja der Wcltrulnn des TinaiklostcrS, daS bis ins neunzehnte Jahrhundert alle Schriftstücke aufbewahrcn konnte, die sich seit den Zeiten Kaiser Iustinians angcsannnelt hatten. Durch die Existenz der Klosterakten findet der unglückliche Baumcister, von dem sic berichten, jedenfalls eine beispiellose Rechtfertigung. 8 Für jeden, der nach alkchrisilicken Urkunden fori ein, bildet die Bibliothek des Sinaiklosters die ursprünglichste Fundgrube. Und so zog es auch mich dorthin. Jener Baumeister verdankt seinen späten Triumpk den schlauen Mönchen, die das Kloster zweihundert Jakre nach der Gründung vor der Zerstörung retteten. Als der mohammedanische Glaubenösturm durch die Wüsten raste, errichteten sie im Klozrerbezirk eine Moschee, die den vorübcrzickcndcn Kriegcrstämmcn verbot, sich an dieser Stätte zu vergreifen. Die Beduinen des BerglandcS, die dem Kloster dienst bar waren, durften den Gesetzen des Korans gekorchen und in der Moschee des SinaiklosterS ihr Heiligtum sehen. Um die Missionskraft der byzantinischen Ckristcnkircbe war cs also traurig bestellt. Sie katte sich ganz vom wirklichen Leben abgewandt, und so wurde ikr Kult der Untätigkeit durch die männliche Kraft der Mekkajünger zurückgcdrängt. Die Mönche wollten mit der Außenwelt recht wenig zu schaffen kaben und hatten daker lange Zeit, die man kier nach Jahr tausenden messen kann, das Eingangstor des Steinwalls überhaupt vermauert. Menschen und Lasten wurden an einem Seil, das oben in einem Vorbau der Mauerzinne über Rollen lief, kinaufgezogen. Begehrten Karawanenreiscndc Einlaß, so mußten sie ihr Anliegen aufsckrcihen und das Gesuch in einem Korbe hinaufwinden lassen. Es dauerte lange orientalische Minuten, also stunden- oder tagelang, bis Ant wort kam und jemand als Gast die Querhölzer des Stricks besteigen durfte, um knarrend hinaufgewunden zu werden. Die mißtrauischen Gottesmänner scheuten sich auch nickt einen Besucher, der schon fast oben war, wieder aus der Luft kerunter- zudrehen, wenn sein Gesicht bei näherer Betrachtung keine Gnade fand. So ging's hier noch vor sechzig Jahren zu, und erst diesem um stürzenden Zeitalter der VcrkehrStcchnik gelang es, das Sinaikloster wenigstens bis zum Gebrauch des Tores zeitgerecht zu machen. S .Ä' S Gerhard Schnitzt.Pfaeizer: „Ein Herz für uns". Preis drosch. Z M 20, in Ganzleinen 4 M