2192 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. ^ 41, 19. Februar 1912. lI Wir versandten soeben Prospekt über: Anfang März 1912 erscheint der letzte Roman von Herman Bang: Die Vaterlän-slosen Mit einem Bildnis des Dichters Geheftet 4 Mark, in Leinen 5 Mark In einem Winkel Ungarns, in einem Sprachen- und Nassengewirr merkwürdigster Zusammensetzung, wird, Sprosse eines jahrhundertealten, aber ausgestoßenen Adels geschlechts, der junge Graf Ujhazy geboren. Sein Schicksal ist, äußerlich, die Folge einer planlos bunten und haltlosen Erziehung. Dem Knaben auf der „Insel der Verbannten" geben sich Kenntnisse und Sprachen wild zusammengebunden wie ein Feldblumenstrauß. Er lernt ungarisch vom Vater, dänisch von der Mutter und der Amme; von Gouvernanten und Erziehern französisch und englisch, zwischen durch deutsch, serbisch und rumänisch. Die Kakophonie der vielen Stimmen gibt ihm den ersten schmerzlichen Eindruck seiner Fremdheit und Geschiedenheit von Sprache und Land. So verarmt um einen wesentlichen Bestand der sehr verletz lichen jungen Seele, verliert er mit der Muttersprache die Heimat. Das Gefühl des Heimatlosen ist die treibende Kraft seines Lebens, er durchrast, später als be rühmter Geiger, Unrast voll die Staaten, ein Entwurzelter, ein Internationaler Wider Willen, im eigenen Gefühl verachteter als ein Paria. Dänemark, das Land seiner Mutter, ist ihm noch die letzte Hoffnung; aber der Aufenthalt eines Tages vernichtet sie gleichzeitig mit einer jäh aufquellenden Neigung. Er kehrt zur „Insel der Verbannten" zurück, zerstört, aber anderswie neu aufgebaut und jetzt in sich die Heimat tragend: in Entschluß und Kraft eines tätigen Lebens. — Diesem Geschick von seltsamer Konstruktion tiefere Bedeutung und breite Untermalung, einer ungewöhnlichen Psyche Wachstum und tragische Form gegeben zu haben, würde schon an sich den hohen Wert jedes Romans ausmachen. Bangs dichterische Kraft aber trägt die Geschehnisse aus dem Bereich des nur Gestalteten an die Grenze des übersinnlichen Gesichts, in den Kreis der unwirklichen Wirklichkeiten und gibt mit einer Meisterschaft von so ungewöhnlicher Art Idee, Situation und Hand lung, daß sie aus unserem Erinnern nicht mehr losgelöst werden können. S. Fischer, Verlag, Berlin