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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.09.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1936-09-22
- Erscheinungsdatum
- 22.09.1936
- Sprache
- Deutsch
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Neunte Freizeit des rheinisch-westfälischen Jungbuchhandels in Bilstein (Sauerland) vom 23.—30. August 1936 Die westdeutschen Gaue, die das alte Gebiet des Kreisvereins der Rheinisch-Westfälischen Buchhändler umfassen, haben in diesem Jahre den Jungbuchhandel zu einer Arbeitswoche nach der Jugend burg Bilstein im hohen Sauerland zu gemeinsamer Arbeit und kame radschaftlichem Zusammenleben gerufen. Die seit wenigen Jahren als Jugendherberge eingerichtete Burg Bilstein liegt im schönsten Teil des Sauerlandes, umgeben von einem wundervollen Hochwald. Abseits jeden Verkehrs, ist die Jugc-ndburg Bilstein, die von ihrem hohen Felsen beherrschend in das Land hinein schaut, ein geradezu idealer Ort flir eine Freizeit, der mit seinen großen Möglichkeiten zu ausgedehnten Spaziergängen und fruchtbarem Gedankenaustausch nach den Referaten besonders geeignet ist. Siebenunddreißig Teilnehmer, davon sechzehn weibliche, hatten sich am 23. August im Hexenturm, unserem schönen Tagungsraum, zu sammengesunden. Bei meiner Begrüßungsansprache habe ich nach Worten des Gedenkens an Eugen Diederichs gesagt, daß das Thema der Freizeit »Volkstum und Volksgeist in Gedanke und Dichtung von Moeser bis Lagarde als Grund lage buch händlerischer Bildung« deshalb gewählt worden sei, weil ich es für eine unbedingte Notwendigkeit erachte, daß der Buchhändler, der dem heutigen Staate bewußt als Mittler deutschen Schrifttums dienen will, eine fundamentale Bildung und Kenntnisse gerade dieser Gedanken und Ideen haben muß. Die Freizeit sollte ganz bewußt ein geschlossenes Bild geben, und aus diesem Grunde ist Professor Erich Nothacker von der Universität Bonn der einzige Refe rent zum Thema gewesen, das ich vom Buchhändlerischen her mit einem Referat »Die Geschichte des deutschen Buchhandels seit der Gründung des Börsenvereins« ergänzte. Es ist eine gute Tradition des rheinisch-westfälischen Jungbuchhandels, daß er in seinen Freizeiten der Sprache und der Technik des Sprechens eine besondere Pflege angedeihen läßt. Der Buchhändler, der täglich mit dem edelsten Gute des deutschen Volkes, der deutschen Sprache, umgeht, muß dieses Gut kennen und richtig gebrauchen lernen. Er muß in der Lage sein, in gepflegter Sprache ein Buch empfehlen und seinen Inhalt kurz erzählen zu können, ja er sollte eigentlich die Fertigkeit besitzen, in seiner Buchhandlung einem Kreis von Kunden aus den neu erschienenen Büchern regelmäßig vorlesen zu können. Diese Schulungsarbeit ist von Thea Leymann, Lehrerin für Sprech- technik und Sprachkunst von den Folkwangschulen in Essen, geleitet und durchgeführt morden. Mit der Verlesung eines Briefes des Präsidenten der Neichsschrifttumskammer, Staatsrat Hanns Iohst, in dem er von der tiefen Verpflichtung spricht, die der Buchhändler dem Buche, dem Staate und dem Volke gegenüber habe, eröffnete ich die Freizeit. Die Vormittage standen mit Ausnahme eines einzigen Professor Nothacker für seine Referate zur Verfügung. Ausgehend von den Beziehungen zwischen Volkstum und Kultur führte er zur nationalen Sprache, behandelte den Volksliedgedanken, sprach über die staatlich politischen Bestandteile des Volkes im Zeitbild des Volkstums Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts und krönte das Ganze mit seinen Ausführungen über Volk und Staat. Moesers berühmte Schrift »Uber die deutsche Literatur«, die eine Antwort auf die Schrift Friedrich des Großen ist, wurde ganz gelesen nnd an ihr der Volks- tumsgedanke entwickelt und die Dostojcwfkische Rede zu Puschkins Tod zum Vergleich herangezogen, weil cs sich hier zeigt, daß Rußland hundert Jahre später eine ähnliche Entwicklung durchmachte wie Deutschland. An Hand der Bücher von »Kluckhohn, Die Idee« und »Schneider, Deutsche Größe« wurden wesentliche Stellen aus den Werken Herders, Goethes, Fichtes, Arndts, Jahns, Tiecks, Schillers, Kleists, Kants und vieler anderer gelesen und darüber Betrachtungen angeknüpst, die eine ganz große Schau deutscher Kultur bis in unsere Tage hinein ermöglichten. Diese meisterhaften Referate Professor Nothackcrs stellten an die Zuhörer große Anforderungen, aber sie ver mittelten auch eine solche Fülle von Kenntnissen und Anregungen zur Weiterarbeit, wie wohl sonst selten. Nnd gerade darin sehe ich den Wert einer Freizeit, Anregungen zu geben zu einer intensiven Weiter arbeit an sich selbst. Die Nothackerschen Referate ergänzten sich durch einen Überblick über die Geschichte des deutschen Buchhandels seit Gründung des Börscnvereins. Ich ging dabei nach einer kurzen Darlegung des rein Organisatorischen aus die Männer ein, die dem Buchhandel in den 824 letzten hundert Jahren sein Gesicht gegeben haben, und zwar bin ich nicht von den Verlagen ausgegangen, sondern von den Wissenschaften und habe zu zeigen versucht, wie fast überall Buchhändler nicht nur als Förderer, sondern auch als Anreger die deutsche Geistesgeschichte wesentlich mit beeinflußt haben. Die Nachmittage waren Thea Leymann für ihre Arbeiten und Übungen Vorbehalten. Sie ging bei ihrer Arbeit von dem Ge danken aus, daß durch das fast ausschließlich stille Vor-sich-hinlesen die Kunst des Vorlesens und Erzählens verlorengegangen sei, ob wohl alle Dichtung erst lebendig werde, wenn sie gesprochen wird. Gerade der Buchhändler solle immer wieder den Wert der Sprache eines Buches durch lautes Lesen prüfen, und er soll immer daran denken, daß bei einem Verkaufsgespräch das Vorlesen einer Seite ein nicht zu unterschätzender Werbefaklor sei. Die Arbeit, die während der ganzen Woche jeden Nachmittag durchgeführt worden ist, begann mit Atem- und Stimmbildungsübungen, um dann das Vorlesen und Erzählen unter Zugrundelegung der Grimmschen Märchen, Hebels Schatzkästlein und der Kleist'schen Novelle »Das Erdbeben in Chile«, selbst zu üben. Thea Leymann hat mit großen pädagogischen Fähig keiten diese schmierige Aufgabe bewältigt und den Teilnehmern wert volle Anregungen zur Weiterarbeit mitgegeben. Thea Leymann gestaltete auch zwei Abendfeiern, von denen es im Bericht eines Teilnehmers heißt: Die schönsten Stunden verbrachten wir mit unseren Meistern Goethe und Jean Paul und dem köstlichen Volksgut der Grimmschen Märchen. Wer etwas musikalisch ist, wird diese Tonschönheit und Klangfülle in den Werther-Briesen und in dem einfachen Lied »Komm, süßer Trost« empfunden haben. Thea Leymann gestaltet, ganz aus ihrem Erlebnis und Wesen, köstliche Perlen gepflegtester Sprechkunst, wo die Mühe der Arbeit des Ein- studierens hinter dem Dienst am Werk zurücktritt. Wohl das Beste, was man von einer Interpretation sagen kann. Und wie humorvoll die Wiedergabe des Märchens vom Hasen und Swinegel und die Er öffnung des Testamentes aus dem Siebenkäs von Jean Paul. Man wurde eben angesteckt und mitgerissen. Die Dichterin Josefa Berens-Totenohl besuchte uns und las aus ihren Werken, und ich lasse auch hier den Bericht eines Teilnehmers folgen: Frau Berens-Totenohl hat etwas zu sagen, das spürten wir alle, die wir ihr zuhörten, glaubten es vor allem auch ihrer Persönlichkeit, die lauter und wahr, ernst und klar vor uns stand, unerbittlich gegen sich selbst, mit dem Müssen der Künstlerin, unerbittlich in der Gestaltung des Schicksals ihrer Menschen, über zeugend einfach in ihrer Wortkargheit. Wir hoffen von ihr — das darf man wohl aussprechen — etwas Allgemeingültiges. Es drängt sich mir immer der Vergleich mit Löns' Wehrwolf auf, je länger, je mehr zugunsten von Frau Berens, dem Wehrwolf fehlt der Atem der ehernen Notwendigkeit, der hier erschüttert. Zu dieser Vorlesung hatten wir einen Führerkursus des BdM. eingcladen, der mit uns auf der Burg war, und wir haben den Abend in guter Kameradschaft gemeinsam verlebt. Der Lanöesleiter der Neichsschrifttumskammer des Kreises Essen, Felix B e i e l st e i n, sprach an einem Abend zu uns Uber die Stel lung und Ausgaben des Schriftstellers im Dritten Reich und wies dabei auf die verpflichtenden Aufgaben des deutschen Buchhändlers hin. Im Anschluß an seine Ansprache las er Teile aus seinem neuen Roman »Tilman Niemenschneider« vor. Einen Abend widmete ich Hanns Iohst. Ich gab eine knappe Bio graphie des Dichters, las Gedichte von ihm und seine große Kleistrede. Jene Rede, die eine Kleistrenaissance eröffnete, das Genie Kleist in seiner ganzen Leuchtkraft zeigte und die mit dem Hinweis auf Grabbe als den Vollender und Vollstrecker des Kleistschen Erbes endete. Der Tag begann mit Morgengymnastik und gemeinsamem Lied und ist immer unter das Wort eines Dichters gestellt worden. Eine Halbtagswanderung erschloß die Schönheiten des hohen Sauerlandes, und am Samstagabend fand die Freizeit mit fröhlichem Spiel, Neckerei und Tanz ihren Abschluß. Es ist in dieser Woche viel gearbeitet worden, manches Band der Freundschaft geschlossen und bei allen der Wunsch wach geworden, daß wir uns im kommenden Jahre wieder zu gemein samer Arbeit an unserem Berufe zusammenfinden wollen. Erich Haake.
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