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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.08.1936
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- 1936-08-25
- Erscheinungsdatum
- 25.08.1936
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leon holte bereits zur Niederwerfung der anderen deutschen Groß macht, Preußens, aus, und dazu wollte er seine Truppen in der Nähe haben. In einer langen Linie hatten sie von Frankfurt a. M. bis Braunau alle wichtigen Höhen und Flüsse besetzt. In Ansbach saß Bernadotte, in Nürnberg General Freie, in Oettingen Davoust, in Augsburg Reuse, in München mit dem Generalstab der Armee Marschall Berthier. Die mutige Gattin des bayerischen Ministers Montgellls schrieb damals an Talleyrand: »Die Bayern erwarten den Abmarsch der französischen Truppen wie die Juden den Messias... ich verabscheue diejenigen, die auf Kosten meines armen Vaterlandes leben und dessen Blutegel werden«. Solche Worte durften sich die Bürger Frankens, Bayerns und Schwabens nicht erlauben. Und da alle Vorstellungen bei den französischen Behörden erfolglos blieben, machte sich die Luial des ausgeplünderten Volkes in zahlreichen Flugschriften Luft. Die berühmteste knüpft sich an den Namen Johann Philipp Palms. Palm wurde am 18. Dezember 1786 in Schorndorf als Sohn eines Chirurgen geboren und kam mit vierzehn Jahren zu seinem Onkel, dem Hofbuchhändler Johann Jakob Palm in Erlangen in die Lehre. Nachdem er seine Gehilfenzeit in der Andreäischen Buch handlung zu Frankfurt a. M. und der Vandenhocckschen Buchhand lung zu Göttingen fleißig angewendet hatte, kehrte er mit etwa sechsundzwanzig Jahren nach Erlangen zum Onkel zurück. Als der Nürnberger Buchhändler Stein zur Ostermesse nach Leipzig reiste, lernte er Johann Philipp Palm unterwegs kennen. Der junge Fach- genosse gefiel ihm so gut, daß er ihm feine Tochter zur Frau gab und ihn zum Mitbesitzer seiner Firma machte (um 1792). Palm genoß mit seiner Gattin und drei Kindern das sonnige Glück eines echt deutschen Familienlebens. Freilich fehlten auch die Sorgen nicht. Die Koalitionskriege mit ihren Einquartierungen und Kontributionen lasteten schwer aus dem Nürnberger Handel; die 1806 von Napoleon gegen England verhängte Kontinentalsperre rief in der Stadt einen Konkurs um den andern hervor. Trotz seines Fleißes und feiner Geschäftstüchtigkeit brachte auch Palm oft kaum noch die Mittel zur Ernährung der Familie zusammen. In der Bürgerschaft erfreute sich der große, hübsche Mann mit den gewinnenden Zügen allge meiner Hochschätzung. Im Sommer 1806 war die Not durch Ein quartierung und eine neue hohe Kriegssteuer in Nürnberg so ge stiegen, daß die Stadt Napoleon selbst um Hilfe anrusen wollte. Die französischen Kommandanten hielten unter ihren Truppen strenge Mannszucht, und was die Schrift, die Palm so verhängnisvoll wer den sollte, von Schwelgereien und tierischen Roheiten berichtet, ist stark übertrieben. Vereinzelte Exzesse kamen aber wohl vor. Obwohl der Rat die Bürger vor Unbesonnenheiten warnte, tauchten doch immer wieder Flugschriften mit groben Schmähungen gegen die französische Armee und Napoleon auf. Palm war in ganz Deutsch land dafür bekannt, daß er diesen Pamphleten stets mit ganzer Kraft Vorschub leistete. Im Juni 1806 war die Spannung in Nürnberg so hoch gestiegen, daß die Franzosen einen Handstreich der Bürger schaft befürchten mußten. Der Königlich Bayerische Generallandes kommissär Graf Türheim in Ansbach schickte merkwürdigerweise dem Marschall Bernadotte einige der Nürnberger Pasquills. Nach Türheims Bericht an König Max I. (28. Juli 18Ü6) enthielten sie offen eine aufrührerische Tendenz und die rohesten Schmähungen gegen Napoleon. Bernadotte war deshalb gegen die' Bevölkerung Nürnbergs sehr erbittert und äußerte sich, er werde den Kaiser selbst auf ihre feindselige Haltung aufmerksam machen. Napoleon kannte also den Geist der Nürnberger sehr genau. Er fürchtete vermutlich, daß es in Franken zu einer gleichen Erhebung käme wie sie eben erst im Schwarzwald niedergeschlagen worden war. Diese Erhebung hätte aber seine militärischen Pläne gegen Preußen sehr gestört. Darum entschloß er sich, in Nürnberg einmal ein Exempel zu statuieren. Seiner Gewohnheit gemäß reiste Palm am 24. Juli 1806 nach München zur Jakobidult. Dort erfuhr er, daß in Augsburg die Polizeidirektion gegen die von ihm versandte Schrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung» und das Pasquill »Betrachtungen über Bon--(apartc), das die Buchhandlung Kupffcr in Wien ver breitete, cingcschritten war. Von Augsburg aus kam der Stein ins Rollen. Die Wiener Flugschrift wurde konfisziert, von der Schrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung« durfte die Buchhandlung Matth. Rieger, bei der man sie Vorsand, kein Exemplar mehr ver kaufen. Der Geschäftsführer der Buchhandlung Stage (Inhaberin 730 Witwe Stage), Karl Friedrich von Jenisch, erklärte, er kenne weder Verfasser noch Verlagsort beider Schriften. Die Schrift »Deutsch land« habe er vor acht Tagen von der Steirischen Buchhandlung in Nürnberg erhalten. Damit war die Aufmerksamkeit der Polizei aus Palm gelenkt. Er war durch die Nachrichten aus Augsburg wohl gewarnt, ahnte aber nicht, wie nahe ihm schon das Verhängnis sei. Am 8. August verließ er München und traf am nächsten Tage bei den Seinen, die viel Angst um ihn ausgestanden hatten, ein. Am Tage seiner Ankunft war seine Hinrichtung bereits be schlossene Sache. Denn am L. August hatte Napoleon an den Mar schall Berthier nach München geschrieben: »Mein Vetter! Ich denke, daß Sie die Buchhändler von Augsburg und Nürnberg haben ver haften lassen. Es ist mein Wille, daß sie vor ein Kriegsgericht ge zogen und in vicrundzwanzig Stunden erschossen werden. Es ist kein gewöhnliches Verbrechen, wenn man in den Orten, wo sich die fran zösischen Armeen befinden, Schmähschriften verbreitet, UNI die Ein wohner gegen sie aufzureizen; es ist Hochverrat«. Der Brief enthält weitere Angaben über den Prozeßgang und das Urteil. Die Buch händler Kupffer in Wien und Eurich in Linz sollten in contumaciam verurteilt, das Urteil in ganz Deutschland bekanntgcmacht werden. Wohlwollende Freunde rieten Palm zur Flucht. Auch der menschen freundliche französische Oberst Jean Baptist Charnotet, der in Nürn berg lag, ließ Palm durch den Buchhändler August Friedrich Campe zur Flucht ausfordern und war sehr unglücklich, daß seine Warnung nicht die Wirkung hatte, die er ihr wünschte. In ihrer Festschrift zum hundertfünfzigjährigcn Bestehen ver öffentlicht die Verlagsbuchhandlung Friedr. Viewcg 6- Sohn als Erbin des Empfängers einen bisher unbekannten Brief Campes, der auf diese Ereignisse ein neues interessantes Schlaglicht wirst. Er lautet: Nürnberg, 1. September 1806. Eine schreckliche Nachricht muß ich Ihnen melden, lieber Vetter. — Der Buchhändler Palm, Eigcnthümer der Steinschen Buchhandlung ist in Braunau von den Franzosen todt geschos sen! — Er war Verleger des Buchs: Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung. 48 Stunden vor seiner Gesangcnnehmung ahnete ich sein Schicksal; ich bestellte ihn auf einen einsamen Spazier gang, ich zeigte ihm die Gefahr und rieth ihm augenblicklich Flucht. Dies war am Sonnabend 14 Tage. Er folgte meinem Rathe, er floh vorläufig nach Erlangen. Superkluge Leute und Schaassköpfe von Ansehn predigten fo lange der Frau ein, daß sie ihm den Mondtag Nachmittag einen Boten sandte, mit der Nach richt: Es sei gar nichts zu fürchten, meine Nachrichten wären falsch gewesen, die Herren Senatoren N. N. Consulenten, Markt- Vorsteher und wie die Menschen alle heißen, die hier in Ansehn stehen, riethcn ihn, ja wieder zu kommen, denn nur durch seine Abwesenheit erregte er Verdacht. Er vergießt alle meine War nungen, kommt in der Nacht zurück und siehe da, den andern Morgen wird er von den Gensdarmes ergriffen, in den Wagen gesetzt und nach Braunau geschleppt. Dort ist man bald fertig, denn Untersuchungen und Urtheile waren nicht nöthig, da Bona partes Wille Blut war. — Die Sache ist empörend; Worte muß man darum nicht verliehren. Gott gebe Krieg! Es ist die einzige Rettung. Was mit uns noch weiter werden soll, mag der Dionysius wissen. Alle Kollegen sind in Furcht und Schrecken. Ich nicht. Seiner Bestimmung kann man nicht entgehen; wol aber kann man sie mit Kraft und Würde bestehen. — Das hat auch Palm gethan; er ließ sich lieber nieder schießen, als daß er den Ver fasser angegeben hätte. Die unglückliche Frau und 4 ganz kleine Kinder sind zu beklagen. Aus jeden Fall sind wir hier in einer unerhörten Lage. Hätte ich nicht Haus und Hoff, dann wüßte ich schon, was ich thäte. Doch kömmts zu arg, dann giebt es noch Mittel. Was sind die Menschen in Norddeutschland für den Augenblick zu beneiden! O, wenn sie nur bald alles aufbieten mögten, um ihre Freiheit zu erhalten und unser Joch zu zer schlagen. An Hülfe fehlte es wahrlich nicht. Es ist nur eine Stimme im ganzen Lande, und die gefesselten Länder werden die wüthendsten seyn. Wenn etwas Bedeutendes bei Ihnen geschieht, so denken Sie an mich. Leben Sie Wohl und grüßen Sie Alle von mir. Friedrich Campe.
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