Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.08.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1936-08-11
- Erscheinungsdatum
- 11.08.1936
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19360811
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193608115
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19360811
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1936
- Monat1936-08
- Tag1936-08-11
- Monat1936-08
- Jahr1936
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
scheu Dichtung war. Die Hochflut der sogenannten »Lesedramen« dieser Zeit war eine Hochflut epigonaler Schaumschläger, deren »dichterisch-dramatisches Können« nicht einmal zum Hausgebrauch ausreichte. Ihre Weisheit aus zweiter Hand und ihre Unkenntnis des Theaters ließ sie Anspruch auf die Bezeichnung »verkannte Dichter und Dramatiker« erheben und das Publikum, das seine Liebe zum Theater im Lesen von dramatischen Werken vertiefen wollte, würde bei der Lektüre solcher dialogisierter Phrasologie unter Be rufung auf das Ästhetische in der Kunst meist sehr schwer enttäuscht. Ich glaube Ihnen ohne weiteres, daß Sie mit Ihrer Forderung nach dem Buchdrama wirklich nur das dichterisch Beste wollten. Aber in Ihrer Kampfstellung gegen das Theater reden Sie der Menge marktschreierischer Epigonen das Wort. Erst jenes Drama, das sich in seiner Ganzheit auf der Bühne sichtbar verwirklichen läßt, dessen dichterisches Wort jene Kraft besitzt, daß es im Ablauf eines Bühnengeschehens auch durch den Mund des Schauspielers an Eindringlichkeit, Farbe und geistigen Gehalt nichts verliert, daß es also Erz ist und nicht nur raschelndes Papiergemauschel, erst dieses Drama hat das Recht auf Drucklegung im Buch. Es ist von Ihnen ein Irrtum, wenn Sie' glauben, daß auf der Bühne nicht die »Qualität des Dramas« entscheidet. Sie sehen im heutigen Theater nur das Theater bürgerlicher Konvention und sehen nicht die Kräfte, die überall am Werke sind, dieses bürgerliche Theater in ein dramatisches Theater zu verwandeln. Sie erheben die Forderung nach der Größe des Wortes im Theater, die auch ich leidenschaftlich vertrete, aber Sie sehen nicht die Notwendigkeit der Entspannung im Unterhaltungstheater. Sie setzen das Volksstück irrtümlicherweise mit Jahrmarktsrummel gleich (eine restlose Ver kennung der volkstümlichen Aufgabe des Theaters), und bedenken nicht, daß es für das Theater unmöglich ist, neun Monate lang Abend für Abend Tragödien zu spielen. Sie Wettern mit Recht gegen die Sensationsmache an (manchen!!) Theatern und vergessen dabei, daß es unmöglich ist, für die bestehenden 250 Theater in Deutschland cbensoviele wirkliche Dramatiker zu haben. Sie sehen in der Dar stellung eines Dramas auf der Bühne nur illusionistische Reiz mittel und haben daher anscheinend noch nie die magische Verwand lung durch einen Theaterabend erlebt. Es ist zu billig, das Theater als Prügelknabe zu benutzen, wenn man die wirklich dramatischen Dichter an den Fingern abzählen kann. Sie haben Ihrer berechtigten Forderung nach der Druck legung wahrhaft dramatischer Dichtungen durch Ihre pamphletische Haltung gegenüber dem Theater einen schlechten Dienst erwiesen. Wenn Sie glauben, daß »ohne Buchdrama das Drama zerfallen muß und durch den Kultus der Untermittelmäßigkeit verdrängt werde«, dann bin ich der Anschauung, daß das nur Buchdrama nicht »die höchste dichterische Gattung vor dem Verfall bewahrt«, sondern sie dem Verfall naturnotwendig entgegenführt. Das Theater ist jene Stätte, wo es sich erweist, ob eine dramatische Dichtung auch wirk lich ein Drama ist. Ohne Theater wird das Drama zu einer natur losen Angelegenheit »dichtender« Phantasten und Schwärmer, wird das Drama innerhalb des Schrifttums zu einer Dichtung um der Dichtung willen. Weder Literarische Gesellschaften noch Lesezirkel (weil sie in den allermeisten Fällen nur die Heimstätte unaus reichender Begabungen bilden) können das Drama heben, sondern nur das Theater. Den Hauptanteil wird nicht der Buchverlcger, sondern stets das Theater an der Erneuerung des Dramas haben. Der verdienstvolle Anteil des Buchverlegers liegt vielmehr darin, daß er in Gemeinschaft mit dem Theater die Auslese der Werke trifft, die wirklich berufen sind, im Druck den breiten Schichten des Volkes zum Besitz gemacht zu werden. Dieser Gemeinschaftlichkeit wird stets meine Arbeit gehören. Von ihr hoffe ich auch Sie überzeugt zu haben. Berlin. Wolf Braumüller. Das Buchdrama — die Rettung einer dichterischen Gattung! (Eine Antwort an Lern, Braumüller) Sehr geehrter Herr Braumüller! Mein Aufsatz im Börsenblatt hat unerwarteten Widerhall ge funden. Noch heute erhalte ich aus allen Teilen Deutschlands Zu schriften von Lesern, die ihn teils im Urdruck, teils in Zeitungs auszügen gelesen haben. Gestern, am 1l>. Juli, erreichte mich der sechsunddreißigste Brief und gleich daraus flatterte mir Ihre Ent gegnung auf den Tisch. Unter den Zuschriften befinden sich einige von hervorragenden Zeitgenossen. Wenn ich Ihnen nun sage, daß Ihr Brief bis jetzt die einzige kritische Stimme zu meinen Aus führungen war, so tue ich das, um Ihnen zu bekennen, daß er mir deshalb so wertvoll ist. Gestatten Sie mir, Ihnen in einigen Thesen zu antworten. Der uns beiden zugemessene Raum ist leider nur klein. 1. Wir sind uns einig: Die guten Dramen sollen gedruckt und gelesen werden. Mit Freude habe ich nachträglich vernom men, daß vr. Rainer Schlösser und Sie fast gleichzeitig und wahrscheinlich unabhängig von mir den Gedanken vertreten haben: Dramen drucken und Dramen lesen! Ich erinnere mich, daß Or. Ferd. Junghans, der äußerst fähige Direktor des Theaterverlages Albert Langen-Georg Müller, einmal einen geist vollen Bortrag gehalten hat über den »Anteil des Bühncnverlegers beim Aufbau des Theaters«. Junghans hat reiche Erfahrung. Er sagte etwa: Der Verleger kann und soll ein Drama fördern, auch wenn das Verständnis und Können der Dramaturgen (Lektoren, Kritiker!) an ihm versagt. Er sprach — wenn ich mich nicht irre —, den Satz: »Der Verleger muß nicht nur für das gegenwärtige, sondern auch für das zukünftige Theater arbeiten. — Er muß die wertvollen dramatischen Kräfte Pflegen, auch wenn sie augenblick lich noch unverstanden sind«. Die von mir (und vielen anderen!) geplante »Gesellschaft der Freunde dramatischer Dichtkunst» wird mit den Verlegern zusammen das gute Buch drama, das nicht nur Lesedrama ist, fördern und pflegen. 2. Drama und Theater sind keine unüberbrückbaren Gegen sätze. Ich erstrebe die schöpferische Synthese. Ich glaube allerdings, 700 daß das Drama eher ohne Theater leben kann als umgekehrt. Wer aber entscheidet heute über Sein und Nichtsein einer (dra matischen) Dichtung? Die Theatergewaltigen und damit Drama turgen, Lektoren, Kritiker. Die Dichtung aber ist eine zu erhabene Sache, als daß ich sie den Lektoren allein überlassen möchte. Leser will ich — nicht Lektoren! Ist der Kritiker ge scheiter als der Dichter selbst? — Ein sehr bedeutender Dramatiker schreibt mir vom »Ring dramaturgischer Arroganz«, der sich um viele Bühnen gelegt habe. Ein wiederholt preisgekrön ter Dichter spricht vom »Versagen der Dramaturgie«. Ich spreche nicht vom Größenwahn der Untermittelmäßigkeit. Kitsch und Krampf soll versinken, je tiefer desto besser. Ich rede nicht von Unterhaltungsstückcn. Die sind notwendig, haben aber nichts mit dramatischer Dichtkunst zu tun. Ich erhebe die Stimme für das echte, gekonnte, mit Herzblut geschriebene — aber von den Lek toren nicht verstandene — Werk des geborenen Dichters. Und da rufe ich laut: Der kleinste dieser Schöpfer ist mehr als ein unpro duktiver Kritiker und Berufsleser, der »alles weiß und gar nichts kann«. Er ist mir auch lieber als ein Dramaturg, der selbst nur Untermittelmäßiges zusammenbraut und nun alles Überdurch schnittliche herabzieht. Es gibt zu allen Zeiten mehr echte Dichter als echte (schöpferische) Kritiker. Ich fordere das Buchdrama, da mit erst der Dichter und dann der Dramaturg reden kann. Die Öffentlichkeit soll die Kritik kontrollieren, — denn das ist heute das Problem: »Wer kritisiert die Kritik?« Ist das Buchdrama wirklich —, dann wird jedes Urteil eines Kunstrichters auch ein Urteil über den Kunstrichter sein. 3. Es sind schon viele minderwertige Dramen gedruckt. Aber das ist in allen dichterischen Gattungen so: Viel Spreu, wenig Weizen! Das gilt vor allem aber auch von den Theatcraufsüh- rungen! Wieviel minderwertiges Zeug haben die Bühnen schon aufgeführt und groß gemacht! Ich traue mir zu, Ihre Ausfüh rungen von Zeile 25 an in meine Sprache zu übersetzen: »Haben Sie die Geduld, etwa ein Dutzend dieser Theateraufsührungcn an-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder