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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.05.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1936-05-16
- Erscheinungsdatum
- 16.05.1936
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- Deutsch
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Well erblickt. Mag er nun Neuling oder ein erfahrener Mann sein — stets wird er zur Annahme neigen, sein Buch müsse unter allen Umständen und zu jeder Zeit des Jahres Erfolg haben. Mögen die Dichter untereinander noch so verschieden sein — in einem Punkt sind sie, wie jeder Verleger weih, gleich: sie halten ihr letztes Wer! für das beste und meinen, das beste Werk müsse auch unbedingt erfolgreich sein. Diez muh und soll auch so sein: hätte der Versasser nicht einmal selber das Gefühl des Wachsens und den Glauben an sein Werk und dessen Sieg, wer sollte ihn haben? Gerne wird sich der Verleger zusammen mit dem glück lichen Vater über das Neugeborene freuen, aber das überhebt ihn nicht der Pflicht, mit größter Nüchternheit alle Einzelheiten zu bedenken, dis mit dem ersten Schritt dieses Kindes in die Welt verbunden find. Von manchen hellgrünen Tischen aus werden nun immer wieder Vorschläge gemacht, die Erzeugung gerade des schöngeisti gen Berlages solle gleichmäßig über das ganze Kalenderjahr ver teilt werden. Auf diese Weise werde die allherbstliche Bücher- Sintflut vermieden, der Buchhändler ersticke dann nicht unter dem über ihn hereinbrechenden Trommelfeuer von Neuigkeiten und die Schriftleitungen seien in der Lage, den Büchern mehr gerecht zu werden als heute, wo alles sich in die Herbstmonate zusammen drängt; gleichzeitig werde durch die Verteilung der Erzeugung auf das ganze Jahr eine gleichmäßigere Beschäftigung der tech nischen Betriebe, die am Zustandekommen eines Buches Mitwirken, erreicht, besonders also der Druckereien und der Buchbindereien. Dieser Gedanke ist tatfachenfremd und undurchführbar; wir wer den aber sehen, daß seine Durchführbarkeit nicht einmal wün schenswert wäre. Der Büchermarkt unterliegt ebenso wie das Konzert- und Theaterleben, mit dem er manche Ähnlichkeit hat, dem Einfluß der Jahreszeiten, wozu bei ihm noch die kirchlichen Feste und die damit verbundene Sitte des Schenkens treten. Es ist nun einmal ein Naturgesetz: wenn die ersten grünen Blätter sich zeigen und die Natur endgültig aus dem Winterschlaf erwacht, zieht es den Menschen hinaus ins Freie, und gleichzeitig fängt der Verkauf des schöngeistigen Buches an nachzulassen: es rüstet sich zum Sommer- schlas. So ist es eine alte Erfahrung, daß Anfang Mai die Umsatz kurve beim schöngeistigen Buche stark sinkt, um sich erst wieder im September langsam zu heben; wenn die Abende fühlbar länger werden, ist erneut die Stunde des Buches gekommen, und auch breite Kreise, für welche die eigentlichen Sonnenmonate des Jah res gleichbedeutend mit Frciluftleben sind, greisen dann wieder nach Lesestoff und lassen sich nicht mehr an Zeitungen oder Zeit schriften genügen. Früher konnte der Buchhandel während der Reise- und Ferienmonate noch mit dem Verkauf leichteren Schrifttums, soge nannter Sommerbücher rechnen, aber dieser Gattung ist seit einigen Jahren ein scharfer Nebenbuhler erwachsen: die Wander- und Reiselust, ganz zu schweigen vom Sport und vom Freibad. Niemals ist das Reisefieber so planmäßig organisiert worden wie heute, und gerade die Gemeinschastsreisen, so schön sie sind, haben es an sich, daß sie herrisch alles andere unterdrücken. Das Buch verlangt die Stille und die Stunde der Einsamkeit, aber gerade dies geben ja die Gemeinschastsreisen nicht: sie lassen den Reisen den keinen Augenblick allein und häufen auf ihn auch eine so un aufhörliche Reihe stärkster nachhaltiger Eindrücke, daß er abends müde ist und gar nicht mehr die Aufnahmefähigkeit für die Werte eines Buches besitzt, auch wenn dieses »leicht- ist. Dazu kommt, daß an die Stelle der geruhsamen »Sommerfrische» alter Zeiten die Jagd von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit getreten ist, daß die Eisenbahnfahrt in stärkstem Maße durch die Reise im Kraftwagen — entweder im Einzelwagen oder in Gesellschafts wagen — ersetzt ist, fodaß damit nun auch noch das Lesen auf der Fahrt wcgfällt (daher der außerordentliche Rückgang des Ver kaufs wertvoller Bücher auf den Bahnhöfen). Wir selber sind nun die Letzten, die diesen unbändigen Drang des deutschen Volkes in die Weite, aufs Land und in die Natur einengen oder gar verurteilen möchten; aus ihm spricht ein mäch tiges Lebensgesühl und eine gesunde Kraft, die wiederum ein ge sünderes Geschlecht heranbildet. Aber es wäre verkehrt, die Augen davor zu verschließen, daß damit die Gefahr einer großen Ober- 438 flächlichkeit, einer Abkehr vom Buch überhaupt verbunden ist; der Nur-Augenmenfch ist ein schlechter Leser, denn er wird leicht zum denkfaulen Genießer. Jedenfalls gilt es für uns Buchhändler, all herbstlich dem Buche seine Leser neu zu erkämpfen und hierbei als Bundesgenossen die ersten Anzeichen des Herbstes zu nützen. Man hat denjenigen, die sich eine Sommerrcise versagen müssen, immer wieder klarzumachcn, daß der schönste und billigste Ersatz dafür Bücher sind. Solange allerdings die Reise-, Wander-» und Badelust in der heutigen Hochblüte steht, wird sich an den gegen wärtigen Absatzvcrhältnisseu trotzdem nicht allzuviel ändern lassen. Wir selber haben nun wiederholt die Probe gemacht: Wir haben zu Beginn der eigentlichen Sommerreisezcit, also im Juni oder Anfang Juli, neue Bücher hcrausgebracht, die sich ihrer ganzen Art nach geradezu glänzend für einen Sommererfolg zu eignen schienen. Tatsächlich sind es dann auch schließlich sehr erfolgreiche Bücher geworden, aber dieser Erfolg begann sich erst in den Herbstmonaten abzuzoichnen; in den eigentlichen Sommer monaten wurden höchstens ein Paar hundert Stücke verkauft. Dieser Sommerflaute steht nun die immer wieder bestätigte Er fahrung gegenüber, daß nach den Ferien, wenn die Abende fühl bar länger werden, man also die Stunden zwischen Abendessen und Schlafen bei der Lampe in seinen vier Wänden zu verbringen pflegt, auch das schöngeistige Buch wieder in seine Rechte tritt. Es ist das ungefähr dieselbe Zeit, wo der Opcrettcnspielplan der Sommertheater dem ernsten Winterprogramm Platz zu machen beginnt und wo in den großen Städten die ersten Symphonie konzerte stattfinden. So schließen denn Buch, Konzert und Theater einerseits, und Natur, Wandern, Reifen und Sport andererseits sich im allgemeinen aus. Dieser natürliche Zug der Dinge kann durch planmäßige Aufklärung, Erziehung und Werbung sicher lich innerhalb gewisser Grenzen berichtigt, niemals jedoch gänzlich ausgeschaltet werden, denn er liegt darin begründet, daß der Mensch selber nicht nur ein denkendes Wesen, sondern selber Natur und daher den Gezeiten der Natur genau so unterworfen ist wie die ganze Pflanzenwelt. Dazukommt nun die schöne deutsche Sitte, einander zu den großen Festen des Kirchenjahres, Ostern, Pfingsten, Weihnachten etwas zu schenken, und zwar nicht nur Genußmitlel, sondern — wie der einfache und so richtige Ausdruck lautet — »etwas Blei bendes». Und der Deutsche hat längst erkannt, daß von allen Ge schenken das gehaltvolle Buch die längste Lebensdauer besitzt, weil es den Empfänger durchs ganze Leben hindurch begleitet und für ihn zu einer unaufhörlich strömenden Quelle des Genusses, der Erholung, Erhebung, Entspannung oder des Vergnügens werden kann, sodaß der dafür aufgewendetc Betrag im Verhältnis dazu geradezu lächerlich gering ist. Gewiß, das Buch ist auch Ge burtstagsgeschenk, und Geburtstage gibt es das ganze Jahr hin durch, aber weitaus an der Spitze marschiert in Deutschland doch das Weihnachtsgeschenk. Und Weihnachten trifft nun gerade mit der Zeit der längsten Abende und der größten Leselust zu sammen. Wir wollen alles tun, um diese schöne Sitte des Bücher- schenkens nicht nur zu erhalten, sondern sie zu einem wirklichen Allgemeingut zu machen. Das Schenken ist aber immer etwas schwieriger, wenn man befürchten muß, daß der zu Beschenkende ein schon etwas älteres Buch bereits besitzt; akis diesem Grunde werden zu Festgeschenken vorwiegend Werke ausersehen, die in den letzten drei Monaten erschienen sind. Hierin liegt also eine sehr natürliche Ursache, warum die Vcrlagscrzeuguug stets in den Monaten vor den Festen stärker ist als in anderen Teilen des Jahres. Es gibt nun ein sehr einfaches Mittel, einen Ausgleich zu schassen, und dieses Mittel hat das Volk selber in der Hand: es muß zur Selbstverständlichkeit werden, daß außer Weihnachten alle möglichen Anlässe dazu benützt werden, ein Buch zu schenken: Konfirmakion, Ostern, der I. Mai, Aufnahme in die HI oder den BDM oder in die Partei, Verlobung, Hochzeit, jede bestandene Prüfung, die Lossprechung der Lehrlinge, der Tag des Hand werks, das Erntedankfest und andere Feste mehr. Jeder glückliche Vater sollte am Geburtstag seiner Sprößlinge nicht nur diesen selber, sondern stets auch der Mutter dieser Kinder zum Dank für dieses köstlichste aller Geschenke, das er ihrer Liebe verdankt,
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