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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.11.1883
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- Erscheinungsdatum
- 21.11.1883
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- Deutsch
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zu gleicher Zeit und in frühester Jugend erlernt werden soll; wird es aber in richtigem Zeitmaß aus die ganze Schul zeit vertheilt, dann dürfte die Zumuthung doch Wohl nicht als Neberbürdung zu bezeichnen sein. Wir billigen alle Entbürdungsbestrebungen unbedingt, wün schen aber zugleich, daß unsere Schuljugend nicht weniger, son dern wenn möglich noch etwas mehr lernt als bisher. Die Kenntniß der Fracturbuchstaben, in denen so manches treffliche Werk aus alter und neuer Zeit gedruckt ist, dürfte — nach unserer Ansicht — fürs erste noch nicht als überflüssiges Lern material über Bord zu werfen sein, Haben wir es bisher mit Behauptungen zu thun gehabt, denen die Begründung noch fehlt, so verhält sich dies anders bei einem auf dem Felde der Augenheilkunde freilich nicht hei mischen Schriftsteller, welcher eine lesenswerthe Abhandlung über die Reform des deutschen Schriftwesens geschrieben und darin ebenfalls die Behauptung aufgestellt hat: das Lesen der Fractur greife die Augen mehr an als das Lesen der Antiqua, Soen- necken — so heißt dieser Schriftsteller — betritt den richtigen Weg; er will nicht bloß Behauptungen aufstellen, er will sie auch beweisen. Er macht sich aber die Arbeit zu leicht und gelangt dadurch zu Schlußfolgerungen, die nicht richtig sind. Er stellt nämlich gleichhohe Fractur- und Antiquaschrist neben einander und findet, daß man die Antiquaschrist in größerer Entfernung — mithin leichter — lesen kann, als die Fractur- schrist; er übersieht aber, daß seine Fracturlettern schmaler sind, als die Antiqualettern, daß sie dichter nebeneinander stehen und daß sie deshalb nothwendigerweise schwerer zu lesen sind. Die gleichlange Zeile dieser Probeschristen enthält durch schnittlich etwa 45 Fractur-, aber nur 34 Antiqualettern, Man wird demnach annehmen müssen — die Höhe beider Schriftarten als gleich vorausgesetzt — daß die Fractur ungefähr in dem Verhältnisse von 45 zu 34, oder — was fast genau dasselbe ist — von 4 zu 3, schwerer lesbar sein muß, als die Antiqua, Diese Annahme stimmt in der That mit den von Soennecken gefundenen Entfernungen zum Theil auffallend gut überein. Berechnet man nach dieser Proportion die Entfernung, in welcher die eine Schrift gelesen werden muß, wenn die Ent fernung, in der die andere gelesen wird, bekannt ist, so erhält man säst genau die von Soennecken durch den Versuch ge fundenen Zahlen, Macht man aber denselben Versuch mit etwas größerer Sorgfalt und unter strenger Mitberücksichtigung der Buchstabenbreiten, stellt man die Buchstaben nicht — wie Soennecken gethan -- nach ihrer „Kegelgröße", sondern nach Höhe und Breite des „Buchstabenbildes" einander gegenüber, so überzeugt man sich bald, daß ein sicher erkennbarer Unter schied zwischen Fractur und Antiqua hinsichtlich der Entfernung, in welcher jede dieser beiden Schriftarten gelesen werden kann, nicht existirt. Das Lesen ist übrigens — wie hier noch ausdrücklich her vorgehoben werden soll — ein sehr ungenaues Prüfungsmittel für die Sehschärfe, In der augenärztlichen Praxis ist es frei lich allgemein als solches eingeführt, aber nur der praktischen Bequemlichkeit wegen; denn das Lesen im täglichen Leben ist eine höchst wichtige und unentbehrliche Beschäftigung, Wer noch lesen kann, der steht in socialer Beziehung auf einer wesentlich anderen Stufe, als derjenige, dessen Sehkraft zum Lesen nicht mehr ausreicht. Und an dem Lesenkönnen seiner und feinerer Druckschrift hat man ein sehr brauchbares und bequemes Mittel, die etwa vorhandenen Differenzen der Sehschärfe zu bemessen. Sobald es sich aber um genauere Prüfung handelt, als um solche, die nur für die praktischen Bedürfnisse des Lebens be rechnet sind, dann gibt das Erkennen einzelner Buchstaben ganz ungenügende Resultate, und zwar deswegen, weil jedes einzelne Buchstabenbild etwas Eigcnthümliches hat, was, je »ach seiner zufälligen Gestaltung, bald mehr bald weniger leicht zu erkennen, oft sogar sehr schwer zu erkennen ist. Es werden demnach die verschiedenen einzelnen Buchstaben ein und derselben Druckschrift in sehr verschiedenen Entfernungen erkannt, — Die Buchstaben c und c oder n und u sind z, B, Buchstaben, die, in der Fractur sowohl wie in der Antiqua, sehr schwer von einander zu unter scheiden sind. Das, was sie von einander unterscheidet, ist ein ganz kleiner Bindestrich, Bei c und e kommt es daraus an, die Existenz oder Nichtexistenz dieses Bindestriches mit Sicher heit wahrzunehmen, bei den Buchstaben n und u kommt es darauf an, mit derselben Sicherheit zu erkennen, ob dieser Binde strich oben oder unten ist. Andere Buchstaben desselben Alpha betes würde man dagegen in doppelter, ja in dreifacher Ent fernung mit Leichtigkeit unterscheiden. Die Folge davon ist, daß man die Schrift näher an das Auge heranrücken muß, wenn man schwer unterscheidbare Buchstaben sicher erkennen will. Wer im Lesen geübt ist, der überfliegt gleichsam mit einem Blick das ganze Wort, ja die ganze Zeile, ohne jeden einzelnen Buch staben genau zu betrachten; Kinder und überhaupt alle, welche im Lesen ungeübt sind, müssen dagegen jeden einzelnen Buch staben ganz genau ansehen, wenn sie richtig lesen sollen. Unter übrigens gleichen Bedingungen wird also der Geübtere ein und dieselbe Druckschrift, der Regel nach, in größerer Entfernung zu lesen im Stande sein, als der Ungeübte, resp, als das Schulkind! Nicht Fractur oder Antiqua ist es also, wodurch das Er kennen der einzelnen Buchstaben leicht oder schwer gemacht, und wodurch das Auge mehr oder weniger angegriffen wird; es sind vielmehr gewisse, aber meistentheils beiden Schriftarten gleich mäßig zukommende Eigenthümlichkeiten einzelner Buchstaben, deren genaue Wahrnehmung unter Umständen das Lesen erschwert, und es ist weit wichtiger daran zu denken, den schwer zu diffe- renzirenden Buchstaben beider Schriftarten einen Schnitt zu geben, der sie leichter unterscheidbar macht, als, ohne nähere Bedingung, aus Abschaffung der Fracturschrift zu dringen. Obwohl es nicht ganz in den Rahmen meines Themas hinein gehört, so dürsten die vom ästhetischen Gesichtspunkte gegen die Fracturschrift gerichteten heftigen Angriffe hier doch auch eine kurze Abwehr verdienen. Das Straßburger Gutachten nennt die Fracturschrift „ver wickelt und schnörkelhaft," das Darmstädter Gutachten bestreitet ihre „physiologische Richtigkeit" und Soennecken, einer der eifrigsten Gegner der deutschen Druckbuchstaben, bezeichnet sie sogar als „verbogen, verdreht, verkrüppelt"; er erklärt sie für eine verwachsene und wurmstichige Frucht am Baum des Schrift- Wesens der „Europäischen Kulturvölker", ja, er hält es nicht für llebertreibung, wenn man sie als „Gothischen Kehricht" bezeichnet. Verdient wohl die deutsche Fractur-Druckschrift so hart verwerfende Bezeichnungswörter? Wir glauben dies nicht, und sind der Meinung, daß die Gegner unserer Fracturschrift in ihrer geringschätzigen Ausdrucksweise viel zu weit gehen, wenn sie gleich vielleicht ein erstrebenswerthes Ziel vor Augen haben mögen. Vorerst mag daran erinnert werden, daß unsere heutige deutsche Druckschrist durchaus nicht etwa deutschen Ursprunges, oder deutscher Erfindung ist, und daß unsere Buchstaben — Fractur sowohl wie Antiqua — von der alten lateinischen Lapidarschrist abstammen, also im Grunde genommen nur Varianten ein und desselben ursprünglichen Alphabetes sind. 742*
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