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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.08.1935
- Strukturtyp
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- 1935-08-13
- Erscheinungsdatum
- 13.08.1935
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- Deutsch
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X- 186, 13. August 1S3S. Redaltioneller Teil Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. „Dichter in der Handschrift" Eine Ausstellung von Dichtwerken unserer Zeit in der Urschrift im Museum der Landesbibliothek zu Dresden »Sind Sie auch ein solcher Narr, der Handschriften sammelt, die er doch nicht mit in die Ewigkeit nehmen kann? — Das hätte ich nie von Ihnen geglaubt. Berlin, den 25. Oktober 1825.« Diesen Brief schrieb Bettina von Arnim an Varnhagen von Ense, als sie der Romantiker um ein Blatt von ihrer Hand für feine Sammlung bat. Der Angegriffene hätte sich zu seiner Verteidigung auf Goethe be rufen können, der zur selben Zeit, offenbar ohne daß die ihn vergöt- kVikrr riHncUe l)er Stefan George: Schlußzeilen des Gedichtes: »An einen jungen Führer im Weltkrieg«. terndeBettina es wußte, einer der ersten inDeutschland war, dieSelbst- schriften sammelten. Sein plastischer Sinn muß dem Erscheinungsbild einer persönlichen Handschrift Lief zugeneigt sein. »Da mir die sinn liche Anschauung durchaus unentbehrlich ist«, sagt, er einmal, »so wer den mir vorzüglich Menschen durch ihre Handschrift auf eine magische Weise vergegenwärtigt. Solche Dokumente sind mir, wo nicht ebenso lieb als ein Porträt, doch gewiß eine notwendige Ergänzung des selben.« So wie der große Weise haben seit seinen Tagen viele gefühlt. Wer immer eine Beziehung zum Schöpferischen hat, den wird die Handschrift eines schöpferischen Menschen berühren, wenn er empfäng lich ist für den Zauber des Entstehenden und Werdenden und die Gabe der Ehrfurcht besitzt, die freilich nicht allzu verbreitet ist. Bei einer Ausstellung, wie sie jetzt im Museum der Landes bibliothek in Dresden zu sehen ist, handelt es sich um mehr als um Autographen in dem Sinn, wie sie Goethe zuerst, und nach ihm viele aus ihre Weise, ausartend bis zur Autographenjägerei, gesammelt haben. Hier sind es ausschließlich W e r k s ch r i f t e n, das heißt: Dich tungen in der Urschrift. Nicht also Zufallsbriefe und mehr oder weniger wertvolle Gelegenheitszettel, sondern Schriften, die den schöpferischen Geist im schöpferischen Zustand zeigen. Ein Werk, das man liebt, dessen Entstehung wird ein lockendes Geheimnis sein, in das einzudringen reizen muß. Der erste sinnlich faßbare Niederschlag eines Dichtwerks, sein Konzept, besitzt denselben Reiz, den die Skizze voraushat vor dem ausgeführten Bild. Das Kon zept, wie es auch immer sei, führt näher hin zur Dichtung, es ist schnell geschrieben oder 'langsam, laut und dringend oder leise, in zäher Besserungsarbeit oder mit fertiger, sogleich vollendeter Be- CarlHauptmann: Gedankennotiz zu einer Szene des Dramas »Der abtrünnige Zar«. stimmtheit, in bedachtsamer Kühle oder in Heftigkeit und im Zug. (Man glaube nicht, dies im einzelnen Fall immer schon Voraussagen zu können; es gibt da große Überraschungen.) Auf dieser Ausstellung sind alle möglichen Stadien da, bald tat sächlich erste Niederschriften, »Einfälle«, bald Arbeitsbögen, bald auch Reinschriften und Druckvorlagen. Beredt und aufschlußreich sind alle diese Stufen, sprechend zu dem, der zu fragen weiß, auch ohne das Rüstzeug einer graphologischen Schulung, da von Natur aus ein jeder doch etwas Graphologie besitzt. Es sind da Schriften, die in bewußter Formung und Gefaßtheit nicht mehr viel von dem schöpferischen Augenblick und dem Impuls 662 der Stunde verraten: die Schriften Georges, Carossas, Bindings ge hören hierher. Dann aber wieder gibt es Schriftbilder, von denen ein starker Atemhauch ausgeht, ein flüchtiger, stürmender Drang, eine brennende Bewegung. Dies sind die eigentlich unentbehrlichen Schrift bilder für den, der diese Dichter liebt. Eine Seite ihrer Hand hat etwas so Heftiges und Einmaliges,, führt so unmittelbar hinein in die schöpferische Stunde, in den Kampf der Geburt, daß das Schriftbild eigentlich schon unmittelbar zur Dichtung selbst gehört. Die Schriften der Brüder Hauptmann, Däublers, Wilhelm von Scholz' sind hervor ragende Beispiele hierfür. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand, der Earl oder Gerhart Hanptmann liebt und das Bild einer Seite, von ihrer Hand geformt, gesehen hat, dies Bild jemals wieder aus dem Gedächtnis verliert. Vielmehr wird man durch jede gedruckte Seite, die man von diesen Dichtern später liest, das lebendige Bild der Handschrift wieder hm- durchsehen, nicht im einzelnen, Wort für Wort natürlich, aber durch schimmernd wie ein untergelegtes Blatt. Rudolf G. Binöing: Gedichtanfang. Niederschrift aus dem Jahre 1934. Das Bild der Handschrift wird für den wirklichen Leser, das heißt für den liebenden Leser, den »geneigten«, so unentbehrlich sein wie ein Bildnis. Er bedarf genau so der Vorstellung der Handschrift, wie er eine Vorstellung von der Gestalt, ein lebendiges, sich bewegen des Bild des jungen Goethe Haben muß, wenn er die frühen Weimarer Lieder liest, oder wie cs kaum möglich sein wird, bei Lesen der Wahl verwandtschaften das Vorstellungsbild aus dem Auge zu verlieren, daß der alte Dichter, allfrühmorgendlich, im Arbeitszimmer auf- und niederschreitend, diese Sätze diktiert hat. Die Dresdner Ausstellung »Dichter in der Hand schrift« zeigt etwa hundert Urschriften deutsch erDichtwerke u n s e r e r Z e i t. Zu den Lebenden kommen die Namen einiger großer Toter des letzten Jahrzehnts: Stefan George, Paul Ernst, Carl Haupt mann, Däubler, Rilke. Von George, dessen Werkschriften von be kannter Unzugänglichkeit sind, ließ sich für die Ausstellung gewinnen die Handschrift der »Drei Gesänge« des Jahres 1621, jenes Werkes, das so bedeutungsvoll den Anbruch einer neuen Zeit kündet. Von Rilkes unvergeßlicher Hand sind da: Gedichte, Briefe, das »Re quiem für Wolf Graf Kalckreuth«, fast alles aus dem Besitz Anton Kippenbergs, der die Ausstellung aufs freundlichste gefördert hat. Unvergleichlich ist der Zauber, den die Urschrift des »Malte Laurids Brigge« ausübt: ein kleines in schwarze Moireseide gebun denes Notizbüchelchen, Tag für Tag, Absatz für Absatz eng beschrieben. Däubler signiert den Entwurf der »Treppe zum Nordlicht« auf dem Umschlag: »Vor der Elbtreppe des Pillnitzer Schlosses cingcgeben, Juni 1919.« Gerhart Hauptmann sandte nach Dresden die Ur schrift der »Jungfern von Bischofsberg«, deren Schauplatz bekanntlich die Lötznitzberge bei Dresden sind, B inding »Erlebtes Leben«, Carossa den »Arzt Gion« und ein Kapitel aus der »Kindheit«,
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