2946 F° 148, 29. Juni 193S. Fertige Bücher. vlirscnklatt I d.DUchn.Buchhandel. Urteile über das Werk von N^kMV irL88I.llk Gesichter und Zeiten Erinnerungen I: Völker und Vaterländer Mit 8 Abbildungen » Geheftet 5.—, kart. <5.—, Leinen 7.50 RM Dieses Buch ist in der Tat sehr viel mehr geworden als der erste Band einer Selbstdarstcllung. — Die Aufzeich nungen der Mutter, im Wortlaut sehr geschickt hineinkomponiert, klingen wie ein romantisches Präludium voll Grazie und Geist, dem das plötzlich auf der Höhe eines strahlenden Lebens heretnbrechende Schicksal in Gestalt einer schweren Krankheit mit Lähmung und Blindheit einen schweren tragischen Grundakkord verleiht. — Dann aber tritt — über alle zeitgeschichtlichen, künstlerischen und philosophischen Betrachtungen hinweg die schwere Gestalt Bismarcks in den Vordergrund alles europäischen Geschehens. Graf Kessler gibt aus persönlicher Anschauung ein interessantes Porträt des alternden Fürsten, dessen Popularität erst nach der Entlassung eine allgemeine und alles andere überschattende wird, und zeigt auch gerade an diesem Porträt die Keime des späteren Zusammenbruches der ganzen wilhelminischen Epoche. — In jeder Zeile spürt man — ungemein wohltuend — die gelassene und überlegene Haltung des erfah renen Weltmannes, der die Form des schriftstellerischen Ausdrucks ebenso beherrscht wie jede andere Form des gesell schaftlichen und politischen Lebens, und dessen Auge und Geist hell und reif geworden sind in einem tätigen, erfüllten Leben. Die Woche, Berlin Man darf dem Urteil Harry Kesslers nicht bloß in künstlerischen Dingen, sondern überhaupt voll vertrauen. Auch er besitzt den Drang nach Gestaltung, und sein Buch zeigt alle Erlebnisse, alle die interessanten Persönlichkeiten so plastisch, so sprühend lebendig, daß man sie dauernd im Gedächtnis behält. Harry Kessler nimmt Ruhm, Größe, selbst Tradition, der er sich willig fügt, keineswegs kritiklos hin. Alle diese Denkwürdigkeiten sind im schönsten Sinn denkwürdig für das Werden des Deutschen Reiches nach seiner Gründung bis zur Jahrhundertwende. Neue Freie Presse, Wien Graf KestlerS vielseitige Aufnahmefähigkeit, mit kritischem Sinn und starkem künstlerischem Empfinden gleichermaßen gepaart, befähigen ihn zu einem kultur- und zeitgeschichtlichen Urteil von hohem Rang. Man erwartet mit Spannung den zweiten Band, der mit dem Eintritt Kesslers in die diplomatische Laufbahn be ginnen wird. Frankfurter General-Anzeiger 8.