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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.03.1871
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- 20.03.1871
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Theil Philipp Erasmus Reich. 1756—1787. Wieland und die Weidmannsche Buchhandlung. Zur Geschichte deut« scherLiteratur und deutschenBuchhandels. Von Karl Büchner. gr. 8. (VlII, 166 S.) Berlin 1871, Weidmannsche Buchh. Preis 24 Ngr. Im Jahre 1756 tritt Philipp Erasmus Reich in die Weid mannsche Buchhandlung ein; zunächst als Factor, welcher die Ge schäfte zu leiten hat. Büchner schildert uns die Geschäftstätigkeit Reich's von jener Zeit an bis zu Reich's Tode durch eine historische außerordentlich gewissenhaft und sauber gearbeitete Darstellung der gewiß wichtigsten Thätigkeit Reich's in den Beziehungen der Firma und des Vertreters derselben zu Wieland. Das Werk schließt mit der bald nach Reich's Tode erfolgten Lösung der näheren Beziehungen von Wieland zu Weidmann's. Es ist mir nicht ein Beispiel in unserer Literatur bekannt, daß das Verhältniß eines Schriftstellers zu seinem Verleger eine so ein gehende Beleuchtung gefunden hat. So steht Buchner's Arbeit wohl als die erste ihrer Art heute da. Der Werth derselben erhöht sich dadurch, daß uns klare Blicke in Leben und Charakter eines Mannes der classischen Zeit, wie Wieland, geboten werden, daß wir über die literarischen Anschauungen seiner Zeit nicht geringe Auf klärung empfangen. Das Interesse, welches das Buch gewährt, wird ferner erhöht durch den besonderen Reiz, den die Darstellung bietet. Sie erzeugt in dem Leser das Gefühl, als sei das Buch nicht geschrieben, sondern als habe Chodowiecki es gezeichnet mitten im Leben jener Zeit. Unabweislich stellt sich uns für jeden Fort schritt in der Handlung, für jede Schilderung eines Momentes ein festes Bild vor die Augen. Da sind die beiden Gestalten: Wieland und Reich. Wieland mit mobilen, etwas spitzen, klugen, fast schlauen Zügen, klein, mager, beweglich, in einfacher, für damalige Zeit fast gesucht einfacher Tracht, das berühmte Käppchen auf dem Haupte. Ein Oberprediger, ein Rector etwa würden wir, wohl auch durch das Käppchen ver führt, sagen. Reich erscheint groß und breit. Runde Wangen, kräftiges Kinn, energischer, fester Mund. Klug und leutselig; aber auch eisern, wenn nöthig, blicken Stirn und Augen. Stattliche Eleganz des Anzugs, wie die Repräsentation einer großen Firma Leipzigs damals cs verlangte. Ein bürgerlicher Patricier mit ruhi gem Sclbstbewußtsein. So kennen wir beide Männer aus Bild nissen und von neuem aus den Bildern, welche Buchner's Dar stellung gibt. Das Geschäftsleben, welches Reich von 1756 bis 1787 zu führen hatte, war gewiß kein ganz ruhiges. Es galt den Kampf gegen die Nachdrucker zu führen, die wie Raubvögel nach guter Beute spähten, und sofort auf sie stürzten, „Weglaurer" nennt sie Lessing; es galt die Schwierigkeiten im Buchhandel selbst, der erst durch Reich's Hilfe sich zu einer geschlosseneren Organisation durch- arbeitetc, zu überwinden und Gegensätze zwischen Süd- und Nord- dentschland auszugleichen; es galt der Concurrenz zu begegnen, welche die geschätzteren Autoren umwarb, und sich sonst auch z. B. bei den beliebten Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen vielfach geltend machte. Da waren noch manche andere Klippen, wie die sorgenbringende Censur; die härteste war Wohl die Unklarheit >n den Begriffen von dem Recht am geistigen Eigenthum und von dem Verlagsrecht. So gemüthlich waren die guten alten Zeiten nicht, wie unsere Großväter sie häufig uns schilderten, und wie wir in der Unruhe unserer Zeit sie uns vorzustellen und auszumalen lieben. Zu seinen Geschäften und Kämpfen hatte sich Reich tüchtig vor- gebildct. Er hatte in Frankfurt a/M., London, Stockholm gearbeitet, und mit gereiftem Blick, 38 Jahre alt, trat er bei Weidmann's ein. Unter den Buchhändlern war er geachtet und geehrt; er benutzte sein Ansehen zur Herstellung zweckmäßiger Einrichtungen und Centrali- sationen des Verkehrs, in brennenden Fragen gab er durch besondere Broschüren mehrmals sein Votum ab, er war der Rathgeber in schwierigen Fällen und berathet kurz vor seinem Tode noch den Advocatcn I. F. Cotta in Tübingen, der das väterliche Geschäft da selbst übernehmen will und des Rathes bedürftig ist. Wieland sucht 1768 einen Verleger für seine „poetischen Sieben sachen". Zimmermann empfiehlt Reich, „der anders denke, als alle andern". Wieland einem Buchhändler zuzustthren, war etwas gewagt. „Ich will sehen, ob's möglich ist, mit Wieland auszukom men", schreibt Goethe 1775. Er hatte überdies eine schlimme Meinung von uns, und vielleicht deshalb, vielleicht trotzdem, sich einige Male mehr oder minder ernst mit dem Gedanken beschäf tigt, selbst mit mehreren Freunden eine Buchhandlung zu begrün den. Später ward er auch Selbstverlegcr seines Mercur zu seinem Vortheil und Actionär der Dessauer Verlagscasse zu seinem Nach theil. Damals nannte er die Buchhändler „Idioten und ostrogothi- sche Kerle", „ein vernünftiger ist ihm eine rarn. nvis in tsrris". Diese Ansichten ändern sich gewiß, nachdem er sich mit Reich zu einem Verkehr verbunden, der ihn bis zu dessen Tode, aber nur bis dahin, den Autoren der Weidmannschen Buchhandlung zugesellt. Da war er in der besten Gesellschaft, und die berühmten Namen, die mit der Firma in geschäftlichem, mit dem Chef in persönlichem Verkehr stehen, führt Büchner auf. Nur wenige Conccpte zu Briefen an Wieland von Reich's Hand, nur Wieland's Conto in Weidmann's Hauptbuch, und ge legentliche Notizen hier und da in Briefen Anderer hat Büchner außer den Briefen Wieland's zur Verfügung, um „Wieland und die Weidmannsche Buchhandlung" zusammenzustellen. Aber dieses Ma terial erwies sich als ausreichend, denn es tritt nicht nur aus den lebendigen oft sogar unruhigen Briefen Wieland's die Lage der Ver hältnisse, der Gang der Verhandlungen chronologisch und klar her vor, sondern beider Männer Wesen, Sein und Denken findet in diesen Briefen eine fast erschöpfende Erörterung. In seinen Anreden und Ansprachen, in der Form, in welcher er seine Wünsche und For derungen vorträgt, fast in jeder Wendung gibt Wieland eine Kritik und Darstellung Reich's. Man merkt ihm ab, daß sein Urtheil über Reich nicht lediglich ein subjektives ist; — es ist ein festgestelltes, allgemeingültiges, Jeder, der Reich kennt, wird es theilen. Er spricht mit Reich über dessen Eigenschaften nicht, wie er sich dieselben vorstellt, sondern er spricht über sie in der vollen Gewißheit, so wie er ihn charakterisirt, müsse Reich sein, so und nicht anders. Und diese Darstellung Reich's durch Wieland erscheint so wahr, harmo- nirt so mit Reich's Bild, mit dem, was wir von Reich wissen, daß auch wir sic getrost als wahr annehmen können. Und wer und wie war denn Reich? Er war ,,sou nmi Rsisb, Io plus äi^ns lloinms äs sn proksssion psut-ßtrs", schreibt Wie land an Sophie La Roche, die einen Verleger für das Fräulein von Sternheim wünscht; „einen rechtschaffenen und einen klugen Mann" nennt er ihn. „Der Grund des Gemüthes scheine ihm sehr gut." Er fordert Reich bei mißlicher Frage auf, „mit der allezeit werthen und respcctablen Freimütigkeit zu antworten". Also hervorragend unter den Buchhändlern, rechtschaffen, klug, guten Gemüthes und freimüthig ist Reich. Aber noch viel mehr. „Verlassen kann man
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