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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.04.1883
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1883-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1883
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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Wir — wir — wir, die Menschen der jetzigen Zeit, Meine Herrn, wir sind doch unermeßlich gescheit! Kaum wüßten wir noch, wenn wir's angeben müßten, Kaum wüßten wir etwas noch, was wir nicht wüßten, Und, sollte noch irgendwo irgendwas stecken — Ra, wir hab'n uns're Leute, die 's morgen entdecken! Die Romanbildung schon, was man da profitirt! Da wird bald mit Sesostris am Nilus spaziert, Bald wandert man Volk als Bandal' oder Gothe, Bald schlitzt man sich Bauch nach japanischer Mode, Und bei Domizi-, Hadri- und anderen Janen Da wills uns schon fast wie zu Hause gemahnen! Und wie, wenn man Geographiam betreibt! Nächstens wird per Ballon an dem Nordpol gekneipt. Nächstens wird man in Kuka die Hausnummern zählen, Und am Congo uns kein Promenadenweg fehlen. Und wo jetzt per Kameel durch die Wüste wir keuchten, Da gondelt sich bald manch' Kameel aus dem Feuchten, Und wenn über den Ursprung der Dinge wir sinnen, So stecken wir ties schon im Urnebel drinnen. Ja, gesetzt, daß jetzt eben das Weltall vergeh', Wird ein physico-chem sches Cenlral-Comilö Nicht erst Millionen von Jahren verlieren, Aus dem Urnebel Alles zu reconstruiren. Ja, Las Wissen der Gegenwart, groß ist's und stark! Heil dem, der sich's anschafft, den Band eine Mark! Und die Bücher-Myriaden, die fetten und magern. In denen dies Wissen erzeugt wird, zu lagern, Ja, in Pappe, in Schwein und in Leinwand gefaßt, Sei's in Volckmar's Castell, sei's in Koehler's Palast, All' dies Wissen im eig'nen Verschleiße zu hegen — Stolz muß sich der Busen des Buchhandels regen! — Ach und dennoch, bei alle dem Lob und dem Preis Für das Wissen der Menschheit und seinen Verschleiß, Und so völlig wir auch über Alles im Klaren, Wie die Dinge jetzt sind wie sie wurden und waren, — Wenn man fragt: Mensch, weißt Du, wie werden sie sein? Schallt ein hohngelächterderhöllisches: Nein! Kein Gas, kein elektrischer Lichtstrahl besiegt Die Dusterniß, die ans dem Kommenden liegt. Keinen Opticus gibt's, der uns je zu dem Blicke In die Zukunst den Klemmer aus's Nasenbein drücke! Wie das heute Entworf'ne sich morgen gestalte, — Ob Europa sich dauernd im Gleichgewicht halte, — Ob noch lang' zu Paris mit so flottem Genie Sich das Wechselgeschäft im Regieren vollziehe, — Ob wir Leipz'ger die Denkmäler alle gewinnen, In deren Bezweckung die Jahre uns rinnen, — Ob der Erdball natürlich gesetzlicher Weise Einst zu Asche verglimm', ob er schaurig vereise, Ob als Letztes demnach, was die Menschenwelt trinke, Glühpunsch, ob frappirter Champagner ihr winke — Ja Sie sehn, für wie mächtig das Wissen sich hält. Auch das Nicht- und das Nichtswissen hat seine Welt, Und wie Ormuz und Ahriman, liegen sie Beide, Nichtswissen und Wissen, im Kamps und im Streite! Nun so gilt's, daß der Buchhandel, klug wie er's liebt, Im Verkehr und Verständniß mit Beiden sich übt: Mit dem Wissen — da strahlt denn, vom heutigen Schmaus, Selbst in weiteste Zukunst die Sicherheit aus, Daß, wo seine Flagge der Buchhandel hisse, Stets in bester Verpflegung das Wissen sich wisse; Doch das Nichtswissen auch Hab' am Buchhandel Theil; Drei Geistern des Nichtswissen ruf' ich ein Heil! Zum Ersten sei heute der Geist zur Stelle, Der nichts wisse von dem, was den Wein uns vergälle. Der wenn jetzt uns vereinigt ein guter Moment, Nichts wisse von dem, was schon morgen uns trennt! Und zum Zweiten: als bleibend begleit' uns der Geist, Der nichts weiß von dem, was zum Nied'ren uns reißt, Nichts weiß von den Butter- und Käse-Doctrinen, Denen nichts als Verdienst gilt, als nur das Verdienen! Und zum Dritten: der Geist, der, in glücklichen Tagen Wie in trüben, nichts wisse von Hochmuth und Zagen, Der, standhaft in dem was er tapfer begann, Nichts weiß von dem Worte: das Glück macht den Mann! — Und noch Ein Nichtwissen, was jetzt Sie umfließt: Noch wissen Sie nicht, wie mein Trinkspruch sich schließt. Ich aber, nichts weiß ich, ihn besser zu schließen, Als, zum Buchhandel jetzt auch den Buchdruck zu grüßen, Mit dem Wunsch, daß durch langer Jahrhunderte Reihe, So Wissen als Äicht-Wissen Beiden gedeihe! Jeder Erfahrene hätte nunmehr eine weitere ernsthafte Rede für ein gänzlich aussichtsloses Unternehmen gehalten und doch gelang es Herrn vr. O, Hase, sich zu einer solchen nicht nur Gehör zu schassen, sondern auch den allgemeinsten Beifall zu finden. Er wies darauf hin, daß wir nur uns selbst ehrten, wenn wir zu unfern Festen die Vertreter der Presse, Schrift steller und Autoren, zu Gaste lüden. Der Buchhandel sei aber auch in der Lage, seine eigene Presse zu haben, und sie bestehe in Achtbarkeit und Ehren, Heute nun weile zum letzten Male der erste Vertreter dieser Presse, der hochverehrte, hochbetagte tüchtige Redacteur des Börsenblattes, Herr Julius Krauß in unserer Mitte. Vor einigen Jahren habe derselbe sein fünf undzwanzigjähriges Dienstjubiläum gefeiert; damals bei diesem äußeren Anlasse sei bereits für Viele Gelegenheit gewesen, seiner ehrend zu gedenken, am meisten aber für den Börsenblatt-Aus schuß, welcher den besten Einblick in die Art seiner Thätigkeit habe. Diese Thätigkeit sei groß, verantwortungsvoll und auf reibend und heute, da der Gefeierte die Absicht erklärt habe, in einigen Monaten von seinem Amte zurückzutreten, um der wohlverdienten Ruhe zu genießen, gebühre es sich, dies mit herz lichem Danke nochmals auch öffentlich hervorzuheben. Er bitte daher, zu trinken auf das Wohl dieses tüchtigen, trenbewährten Beamten des Börsenvereins! Mit dieser Rede fand das Festmahl seinen würdigen Abschluß und die Tafel löste sich in die bekannten einzelnen Gruppen auf. Das am Montag Abend zusammengetretene „Tabaks collegium", welches im großen Parterresaale des Krystallpalastes arrangirt war, nahm ebenfalls einen durchaus befriedigenden Verlauf. Der mächtige, leider aber zu niedrige Saal war entsprechend geschmückt und mit einem Fasse ausstaffirt, das, so riesig es auch war, doch noch immer nicht die Dimensionen des vorhandenen Durstes genügend verdeutlichte. Der Stoff war sehr gut, die Bedienung durch hübsche Kellnerinnen nach bayerischer Weise denen Herren Gästen äußerst sympathisch, die Temperatur infolge des massenhaft anwesenden Publicums und des mit Aus dauer betriebenen Pfeifenrauchens sehr bald diejenige, welche man mit Vorliebe „gemächlich" nennt, und die von allen Völkern der Erde nur der echte und gerechte Germane, der unverfälschte Nachkomme jener Römerbezwingcr ohne Schaden für Leib und Seele vertragen kann, von denen Felix Dahn in seinem neuesten Opus sagt: „Da sitzt ihr und sauft in seliger Saumsal". Na türlich gab es auch Festreden, Vorträge, ein humorvolles Festlied mit schönen Randzeichnungen, kurz ein so reichhaltiges Programm, daß man immer nur von neuem die Unerschöpflichkeit der Herren vom Festcomitü bewundern kann, welche so hohen Anforderungen in so musterhafter Weise entsprechen. — Dem Berichterstatter aber sei vergönnt, seinen — in diesem Jahre zum zwölften Male zurück gelegten — Gang durch die Wunder der Messe mit dem Schlußverse unseres Bormann'schen Tafelliedes zu beenden, wie er seinen Aus gang .damit einleiten durfte, da derselbe, wenn man die Schluß strophen verallgemeinert, seine Gefühle voll und ganz ausdrückt: „Wer drum wärd's befremdlich finden, Wenn sich wahre Gedderlust Aus den angefiehrden Grinden Einquadirt in meiner Brust? Wenn vernehmbar allen Heereru Mei enzickder Gehlgops schreib: Den Gandadeschmaus-Verzehrern Dieses Glas voll Flissiggeid!" Rudolf Winkler.
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