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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.04.1883
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- Erscheinungsdatum
- 25.04.1883
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- Deutsch
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^ 94, 25. April. Nichtamtlicher Theil. 1811 Es muß erwähnt werden, daß die Commission wenigstens den Versuch machte, die Schuld einiger Buchhändler in etwas ab zuschwächen So wurde als Milderungsgrund für O. M odel an geführt, daß er sich sehr eifrig bei Ermittelung der in seiner Bibliothek vorhandenen verbotenen Bücher bezeigt und den aller größten Theil derselben, ohne sich der „Schädlichkeit" derselben be wußt zu sein, von seinem Vorgänger Sticinsky übernommen, die wenigen von ihm selbst angeschafften Bücher aber ausschließlich im Jnlande gekauft habe. An Kluge und Karow wurde gerühmt, daß sie, obgleich sie keinen besonderen Eifer bei der Vorlegung von verbotenen Büchern bekundet, wenigstens der Auffindung derselben keine Schwierigkeiten entgegen gestellt hätten. Was indessen den Hofrath v. Raupach betraf, so fand er bei der Commission kein Erbarmen. Als ein in politischer Beziehung nach russischen Staats begriffen überhaupt unzuverlässiger Mann, hatte er noch den speciellen Verdacht erweckt, daß er, während die anderen Läden be sichtigt wurden, Mittel und Wege gefunden haben müsse, aus seiner Bibliothek einige verbotene Bücher zu entfernen. Positive Beweise hierfür konnten nicht beigebracht werden, indessen schienen die vielen gestrichenen Stellen, die man in seinen handschriftlichen Katalogen antraf, dafür zu sprechen. Was die Nachforschungen in den Riga'schen Buchhandlungen und Leihbibliotheken betrifft, so wurde am 9. Juli mit der Beprü- snng der daselbst in einer Anzahl von ca. 200,000 Bänden befind lichen Schriften und der Durchsicht von ca. 2300 Geschäftsbriefen und 5500 Facturen begonnen und dieselbe mit großem Eifer bis zum 20. desselben Monats fortgesetzt. War die Revision einer Buchhandlung beendet, so wurde die sofortige Oeffnung derselben für das Publicum angeordnet. Das Resultat war, daß in sämmt- lichen Buchhandlungen und Leihbibliotheken an verbotenen Bü chern 626, an theilweise verbotenen 797 und an noch nicht erlaub ten, d. h. der Censur gänzlich unbekannten Schriften 61S, im Ganzen also 2042 Bände confiscirt wurden. Ein derartiges Ergebniß, das von den an der Untersuchung betheiligten Gendarmerie-Offizieren mit möglichster Tendenziösität zur Kenntniß des Kaisers gebracht worden war, erfüllte Nikolaus, der durch Anordnung der drakonischsten Censurmaßregeln das Möglichste gethan zu haben glaubte, mit Besorgniß. Er erachtete es für nothwendig, ein Exempel zu statuiren und decretirte: sämmtliche Bnchläden in Riga und Dorpat zu schlie ßen und zu versiegeln, sowie den öffentlichen Verkauf von Büchern so lange zu inhibiren, bis derUrtheils- spruch erfolgt sein werde! — Die gleichzeitig auch in St. Petersburg gemachte Entdeckung, daß allein die dortige Luri'sche Buchhandlung mehr als 2500 ver botene Bücher in ihrem Laden beherbergt hatte — veranlaßte den Kaiser außerdem auch noch zu allgemeinen Maßnahmen, um der Wiederkehr derartiger Ungesetzlichkeiten vorzubeugen. Der Chef der Gendarmerie, Graf Orlow, und der Minister des Innern Perowski erhielten den Auftrag, hierüber dem Kaiser nähere Vor schläge zu unterbreiten. In Erfüllung dieses kaiserlichen Willens beantragten die genannten Würdenträger, hinfort noch strengere Vorkehrungen zu treffen; so sollten u. a. die aus dem Auslande kommenden Bücherballen nicht mehr, wie bisher, in den Censur- behörden, sondern in den Grenz-Zollämtern geöffnet und durch gesehen, alle zur Einfuhr ins Reich „nicht geeigneten" Bücher aber sofort verbrannt werden! Der Kaiser hatte diese Vorschläge im Prinzip gebilligt, aber befohlen, zuvor noch die Meinung des Ministers der Volksaufklärung, Fürsten Schirinski-Schichmatow und des Staatssecretärs Grafen Bludow einzuholen. Der Minister hatte im Grunde gegen die Propositionen seiner College» nichts ein zuwenden und meinte nur, daß die Ausführung derselben mit! § bedeutenden Ausgaben verknüpft sein würde, während Graf Blu dow einzig und allein den Muth hatte, die geplante Verbrennung für eine „überflüssige und überaus unrechtmäßige" Maßregel zu erklären. Das Verbrennen von Büchern und Bildern habe zu keiner Zeit und in keinem Lande irgend welche nützlichen Folgen I gehabt; außerdem sei zu bedenken, daß die deutschen Buchhändler den größten Theil der Bücher in Commission versendeten, die im- portirten Drucksachen demnach bis zu ihrem Verkauf das Eigenthum nichtrussischer Unterthanen bildeten; diese letzteren für die Nicht- befolgnng von Verordnungen zu bestrafen, die möglicherweise gar nicht von ihnen begriffen werden würden, — dürste zu unliebsamen Auseinandersetzungen mit auswärtigen Regierungen führen u. s.w. — Kaiser Nikolaus schloß sich, nachdem er seine Rathgeber gehört, der Meinung Bludow's an, und so waren die Bücher wenigstens vor dem Feuertode gerettet. — Dem erwähnten kaiserlichen Befehle gemäß wurden in der Frühe des 27. August 1849 die Geschäftslocale der Buchhändler I. Deubner, N. Kymmel und Edmund Götschel in Riga (wenige Tage später auch die Buchhandlungen in Dorpat) durch die Polizeiverwaltung versiegelt und denselben der Bücherverkauf bis auf Weiteres vollständig untersagt. Vergeblich war der Protest der in ihrem Handel und Erwerb Behinderten gegen eine derartige Willkürmaßregel, vergeblich der Hinweis, daß eine längere Schlie ßung der Geschäfte sie einem offenen Bankerotte entgegensühren müsse, vergeblich das erhobene Bedenken, daß durch die Sistirung des gesummten Buchhandels die Anschaffung neuer für Schule und Haus unentbehrlicher Bücher auf langeZeit unmöglich gemachtwerde. Hatten auch die direkten Gesuche und Beschwerden der Buch händler bei der St. Petersburger Instanz nicht den geringsten Erfolg auszuweisen, so fand sich doch bald ein Anwalt ihrer In teressen in der Person des Fürsten Suworow, dessen Rechtsgefühl für derartige Willküracte, wie sie an den livländischen Buch händlern verübt worden waren, keine Entschuldigung fand. Von der eigentlichen Ursache der in Riga veranstalteten Untersuchung (der Denunciation, daß die inneren Gouvernements, namentlich die sich beim Kaiser keines besonderen Vertrauens er freuenden Manischen Provinzen, aus Riga verbotene Bücher bezogen hätten) ausgehend, stellte er dem Chef der Gensdarmerie vor, daß u. A. in Riga drei Leihbibliotheken revidirt worden seien, die sich absolut gar nicht mit dem Verkauf von Büchern befaßten, geschweige denn geheime Beziehungen zu den inneren Gouvernements unterhielten. In allen drei Riga'schen Leihbiblio theken seien von den daselbst befindlichen 50,000 Bänden als ver boten nur die Romane: Piccinino von George Sand und Zwei Frauen von Jda Hahn-Hahn und das Drama TRs äskormsä trauslormock von Lord Byron angetroffen worden. Außerdem seien noch einige Bücher confiscirt worden, in denen die als verboten auszureißenden Blätter sich noch vorfanden. Mit besonderer Schärfe wies der Fürst aber auf den Umstand hin, daß die Unter- siichungscommission Geschäftsbücher und Briefe perlustrirt habe. Während nach den Reichsgesetzen Geschäftsbücher als Geheimniß zu gelten hätten und nur gemäß richterlichem Spruch oder Aller höchstem Befehl die Auslieferung derselben gefordert werden könne, habe hier weder das Eine noch das Andere Vorgelegen, trotz dem aber hätten die Riga'schen und Dorpater Buchhändler, gewohnt, allen Befehlen der Obrigkeit unbedingt zu gehorchen, ohne Zögern dem Verlangen der Commission entsprochen und nicht mit einem einzigen Worte gegen diese Eingriffe in ihre Rechte protestirt. Unter den 2300 in Riga durchgesehenen Geschäftsbriefen waren nur 20 aufgefnnden worden, in welchen einige Käufer u. A. auch um Verschreibung verbotener Bücher baten (ob diesem Ver-
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