Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.02.1871
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 13.02.1871
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18710213
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187102131
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18710213
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1871
- Monat1871-02
- Tag1871-02-13
- Monat1871-02
- Jahr1871
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Einzelne Persönlichkeiten, Ereignisse und Lieder, auch äußere Formen sind besonders populär geworden nnd begegnen uns in Len verschiedensten Variationen, wie z. B. die geheimnißvolle Figur des „Füsilier Kntschke". Unzählige Nachbildungen'des ersten Gedichtes „Was kraucht dort in dem Busch herum" und eine Menge Illustra tionen derselben sind erschienen, Kntschke wurde überall, selbst zu Weihnachten in den Kindcrshkelefi, g'efeiekt, und Neben der „Wacht am Rhein" kann'nur das „Chassepollied" sich einer gleichen Ver breitung rühmen. Das letztere ist noch besonders bekannt geworden durch eine kurz nach seiner Veröffentlichung in Berlin erschienene sehr drastische „durchschlagende" Illustration, die in wenigstens zehn verschiedenen Ausgaben dem Publicum viel Stoff zum Lachen ge geben hat. Diese beiden Lieder, namentlich das erste, erinnern in ihrer volksthümlichcn, naiven Komik an das noch jetzt gekannte, im Jahre 1812 entstandene Lied des Volksdichters Krämer in Braunschweig: „Schlagt ihn todt, mit der Krücke in's Genicke, den Cujon Napoleon". Eine ernstgemeinte allgemeine Beliebtheit hätte „Unser Fritz" erlangt, wenn er sie nicht schon vorher besessen hätte; dieser Feldzug konnte sie nur anf's neue befestigen, und wenn auch in den Bildern seine Stummelpfeife ein stehendes Ingredienz bildet, so sieht man doch, daß dem Kronprinzen sowohl, wie dem König überall der Ehrenplatz angewiesen wird, und der schale Witz fick von ihnen fern hält. Die Figur des Königs Wilhelm begegnet uns fast auf jedem Bilde, und man erkennt deutlich an der Art und Weise, wie „der greise Heldenkönig" überall in Wort und Bild gefeiert wird, die Liebe und das Vertrauen, womit ganz Deutschland auf ihn sicht- Prinz Friedrich Karl nnd Moltke sind gleichfalls oft vorkommende Figuren und werden meistens ernst aufgefaßt, Bismarck aber muß cs sich schon gefallen lassen, daß das Volk ihn hie nnd da komisch austreten läßt- Er ist eben der rechte Mann der Situation, unsere Dichter und Künstler dürfen sich diesen kostbaren Stoff nicht entgehen lassen, und sie haben ihn denn auch weidlich benutzt! Des Grafen impo- nirende Gestalt, sein männliches Auftreten, seine Abfertigungen aller unberechtigten Einmischung, seine geistige Ueberlegenheit über alle politischen Rivalen haben das Volk für ihn begeistert, und so ist er auch in allen Pasquillen nnd Caricaturen das treibende Rad! Kleinere Gestalten wie „der Ulan" und „der Landwehrmann" sind Licblingssigurcn des Volkes, weil sie aus diesem hervorgegangcn, und besondere Veranlassung geben, daß das Volk stolz auf seine Angehörigen sein kann, wenn auch alle übrigen Waffengattungen in keiner Weise hinter dem Ulan zurückgeblieben sind. Es ist mehr der Feind, der die Aufmerksamkeit darauf lenkte. Schultze und Müller sind selbstverständlich auch bei dieser Affaire betheiligt und vertreten das Berliner Kind in gewohnter Weise. Stark mitgenom men ist die Figur des „kleinen Lulu", seine beabsichtigten Helden- thaten, namentlich aber seine „Feuertaufe" haben unsere Barden sehr für ihn begeistert; er und „Minna Hensel", die Berliner Amazone, haben ihre Berühmtheit ohne jeden Aufwand eigener Thätigkeit erlangt. Sehr böse wird Napoleon mitgespielt, und an seiner Person lagert sich offenbar der ganze Haß des deutschen Volkes ab; unver blümt erhält er dieTitelVerräther, Mordbrenner, Menschenschlächter, Meineidiger, dann wieder Kugelspritzer, ja eine Münchener Carica- tur nennt ihn im Superlativ den „geschaßten Kugelspritz-Ober". Seine Mitraillense wird in verschiedenster Weise parodirt, hier hat er dieselbe als (sulvn vonia) Klystierspritze unter'm Arni, dort be nutzen sie „unsere Jungcns" im Bivouac als Kaffeemühlen, s. w. Die Gefangennahme bei Sedan ist ein ergötzlicher Angelpunkt für viele Caricaturen geworden; das Volk kann sich nämlich nicht gut vvrstellen, daß die Gefangennahme eines solchen Bösewichts in hof- etiqncttemäßigem Style vor sick gehen könnte; nein es verlangt, und findet denn auch auf seinen Caricaturen, daß er auf den Kniecn zu König Wilhelm hcrangerutscht kommt nnd ihm höchsteigenhändig mit flehentlicher Geberde den Degen anbietet; oder es hat ihn eine kräftige Soldatenfaust im Nacken gepackt, die ihn derb abschüttelt, oder auch, er wird auf einer tzc.lzbank übergelegt und die Soldaten verfahren mit ihm, wie's zn Hause in Mecklenburg der Sage nach Landessttte sein soll. Auf einem anderen Bilde wieder sehen wir Napoleon in einem Glase in Spiritus gesetzt, um ihn als „Pnrgir- mittel gegen Länderschwindel" für die Nachwelt zu conserviren. Daß nun gar dem Gefangenen in Wilhelmshöhe ein so warmes Plätzchen angewiesen ist, hat die Galle ganz besonders erregt, und die Carica turen zeigen ihn uns in vermeintlich viel besseren Localitäten, z. B. in der Berliner Gerichtslaube, ober an anderen gar nicht näher zu definirenden Orten. Auch Eugenie erhält verdientermaßen ihren Lohn für den Antheil, den sie an diesem unseligen Kriege hat, nur wünschten wir Wohl, daß nicht in so abstoßender Weise die cynische Gemeinheit ihren Witz an ihr ausgelassen hätte. Die Zukunft der kaiserlichen Familie interessirt unser und das französische Volk augen scheinlich sehr, denn es werden in den Pasquille» und Bildern die acceptabelsten Vorschläge gemacht. Hier sehen wir die Familie als Akrobaten auf dem Seile Vorstellungen geben, dort finden sie mit dem Leierkasten am Brandenburger Thore ihre Brot, er dreht, sie singt dazu, und Lulu sitzt als Affe mit dem Teller auf der Orgel. Dann wieder zieht ER als Leichenbitter mit der Citrone in der Hand umher, oder die Familie meldet sich in sehr reducirtem Zustande am Asyl für Obdachlose u. s. w„ ganz abgesehen davon, daß „IHN" der Teufel in wenigstens vierzig verschiedenen Stellungen holt, unter denen jedenfalls die gelungenste eine Nachbildung des bekannten Rembrandt'schen Ganymed ist. Was äußere Formen anbelangt, so haben die officiellen De peschen Anlaß zu verschiedenen humoristisch sein sollenden Kricgs- depeschen gegeben, die aber meistens sehr matt, einige stark obscön ausgefallen sind; nur in Hamburg erschienen zwei Sammlungen französischer Kriegsberichte, welche, in besonderer Weise gelesen, die Wahrheitsliebe der Franzosen in sehr komischer Art ä In Münch hausen persifliren. Hierher gehören auch die verschiedenartigen Brief wechsel: „Mauses Hersch", „Lohgerbermeister Kulike", einige Land wehrmänner und Andere haben offene, sehr erbauliche Zuschriften an Napoleon gerichtet, und dieser wieder correspondirt in einigen Münchener und Braunschweiger Flugblättern mit Eugenie und Lu lu ; auch Kutschke correspondirt und ein Füsilier Kraus u. s. w. Wenn man dieses scheinbare Chaos des höheren Blödsinns näherer Prüfung unterwirft, so kann man eine Menge ganz ergötz licher Geschichten des gegenwärtigen Krieges erhalten, denn die Volks- Schriftsteller und -Künstler folgen den Ereignissen auf Schritt und Tpitt, nicht der kleinste Umstand entgeht ihnen, und kein Chronik schreiber kann gewissenhafter sein Register führen, als Pasquill und Caricatur es thun. Da sehen wir zunächst Benedetti zur Thür hinaus-, oder eine Treppe hinabgeworfen werden, daß er wenigstens Hals und Beine dabei brechen muß, während Gramont die Deut schen gestiefelt und gespornt auf der Rednerbühne verspeist. Nach einer kleinen Pause wird uns Lulu's Feuertaufe vorgeführt, der Junge sitzt in Pumphosen im Sande und spielt mit Knickern, um ringt von alten, gichtbrüchigen Soldaten, die vor Rührung furchtbar Weinen und dabei wie die Hunde heulen, die Köpfe nach oben. Nach Weißenburg und Wörth tauchen die ersten Zuaven und Turkos auf, von vornherein aber ist sowohl vor ihnen, wie vor der gesammten französischen Armee, die Generale einbegriffen, der Respect vollstän dig geschwunden; nehmen wir ein Bild, auf dem sich zwei Schuster jungen mit Stiefeln unterm Arm auf der Straße begegnen und sich über das Neueste unterhalten: 1. Junge: „August, ick habe soeben
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder