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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.02.1871
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- Erscheinungsdatum
- 08.02.1871
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- Deutsch
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Jedermanns Gemüth die Weltereignisse mit Bleischwere lasten, mit einem wahren Behagen hingibt. Es ist ja bekannt, wie bei der Armee in kritischen Stunden, z. B. während eines beschwerlichen Marsches, wo der Unmuth wie ein ansteckendes Fieber durch die Reihen schleicht, ein Spaßvogel in der Compagnie durch ein paar Worte neues Leben in die Mannschaften zu bringen vermag; Alles lacht über den Witz, unwillkürlich richtet sich Jeder einmal stramm auf und mit frischem Muthe geht's wieder vorwärts. Der Humor ist ein Zeichen der geistigen Kraft und Freiheit, er beherrscht die Situa tion, und wie bei den Soldaten, so bohrt er auch bei uns die Gries grämlichkeit in den Grund; mag er sich immerhin als ein loser Taugenichts zeigen, der ohne Gewissen darauf los lügt, er bildet bei alledem ein herrliches Gleichgewicht gegen die leidenschaftliche Ab spannung und die Einseitigkeit der Probleme unserer Tage, und deshalb reden wir der freiesten Entwicklung von Pasquill und Kari katur eifrig das Wort. Gehen wir nun auf das Wesen derCaricatur etwas näher ein, so finden wir gewisse Grundbedingungen, die sich überall geltend machen. Die gemeinschaftliche Hauptform aller Caricaturen ist die Uebertreibung der Verhältnisse, daher auch der Name (oarioars: überladen); das Hauptgebiet, auf dem sie sich bewegen, ist diePersi- fiagc; indem das Ideal — statt, wie es unser ästhetisches Gefühl verlangt, mit dem Schönen und Guten — mit dem Physisch oder moralisch Häßlichen, ja mitunter auch dem Gemeinen in Verbindung gebracht wird, erzielt der Darsteller die komische Wirkung. Auf diesem Gebiete des verdrehenden Witzes nun werden die Bilder meist dem realen Stoffgebiete entlehnt, doch hat die Caricatur die Freiheit, aus allen möglichen und unmöglichen Gebieten, sei es Kunst, Poesie oder Fabel, sei es die übersinnliche Geisterwelt, oder das geheimnißvolle Walten der Natur, ihre Pointen zu entnehmen. Nichts ist der Caricatur heilig, an die größeste Erhabenheit des Wesens, wie der Erscheinung, wie der Situation springt der schroffste Gegensatz des Allcrtrivialsten heran. Die Caricatur kennt oder achtet kein Naturgesetz, in Gestalt, Bewegung, Perspective, im Colorit, genug in allem darf das Gesetz umgangen werden, wenn sich damit eine drastische Wirkung erzielen läßt, diesem Hauptzweck muß sich alles Uebrige unterordnen; auch liebt die Caricatur die phantastische Travestie und die schon erwähnte satyrische Metamor phose, ganze Gestalten werden muthwillig verwechselt, oder einzelne Theile von Menschen, Pflanzen und Thieren willkürlich verbunden, wie es gerade am besten zu dem komischen Zweck paßt. So finden wir z. B. einen Riesenpfau, ganz richtig gezeichnet, nur mit dem Kopfe der Kaiserin Eugenie statt des Vogelkopfes, mit einer Kette an einen morschen entwurzelten Baumstamm gefesselt, wobei ein Astknorren des letzteren in den Rissen und Sprüngen Napoleons III. Züge erkennen läßt, während ein vom Sturmwind abgeschlagener Sprößling fortgewirbelt wird, im Sande die Furchen des Namens Lulu ziehend, die von dem nächsten Windstoß wieder ausgeglichen werden.! Wir werden hier gezwungen, durch das zur Vergleichung Heran gezogene das Gemeinte selbst zu errathen, wobei wir das angenehm pri ckelnde Gefühl haben, unser» Geist zu überraschen durch das Erken nen des Humors, welcher gerade diese Eigenschaften, die sowohl das sichtbar Gebotene, wie das unsichtbare Gemeinte gemeinschaftlich besitzen, so deutlich hervortreten ließ. Diese geistige Gymnastik hat einen gewissen Zauber, der uns stets gern eine gebotene Gelegenheit, sie zu üben, benutzen läßt. Bei dem hier Gesagten haben wir immer die mildere Form der Caricatur im Auge, in welcher allein Humor und Witz die Herrschaft behaupten. Anders gestaltet sich die Sache durch das Hinzutreten ber Satyre, denn bei dieser verschärften Form gelangen wir zu jener Art von Caricatur, welche wir vorhin eine gefährliche Waffe nannten. Der ätzende satyrische Spott berührt selbst in ruhigen Zeiten den un- interessirten Beschauer oder Leser häufig unangenehm, geradezu ver nichtend aber können Pasquill und Caricatur unter Umständen auf den angegriffenen Theil wirken, namentlich wenn in politisch beweg ten Zeiten, wie wir sie jetzt durchleben, neben den guten auch alle schlechten Eigenschaften des menschlichen Charakters entfesselt werden. Da wird die Caricatur oft zu einem in jeder Beziehung unschö nen Zerrbilde, immer fast zum wechselseitigen Mittel der Verleum dung ; eine Begeisterung fehlt ihr zwar nicht, aber sie geht nicht mehr von den Musen aus, sondern ist von dem Haß der Furien inspirirt. Man gedenke der Zeit Cromwell's, der französischen Revolution von 1789, man erinnere sich der Gewaltherrschaft des ersten Napoleon und der Revolution von 48, man betrachte das gegenwärtige gigan tische Ringen der führenden Völker der germanischen und romanischen Racen um die Suprematie in Europa, und werfe dabei einen Blick auf die Pasquille und Caricaturen dieser Zeiten, und man wird sich überzeugen, daß diese um so schroffer auftreten, je bedeutungsvoller und bewegter die Ereignisse waren. Sie werden in solchen Zeiten zur Ablagerungsstätte für die aufgeregten Leidenschaften des Volkes, sie bilden einen Morast, der den literarisch-künstlerischen Niederschlag des entfesselten Cynismus aufnimmt, einen Tummelplatz, auf wel chem sich Genie, Trivialität, blinde Wuth und Unanständigkeit um die Herrschaft streiten. Die geringste gegebene Blöße des Gegners wird auf das schonungsloseste ausgebeutct, alles Hohe, Edle und Schöne wird herabgewürdigt, und im großen Ganzen bieten Pasquill und Caricatur zu Kriegszeiten das interessante Bild des Volks-Paroxis- mus in vollster Gluthhitze, was nicht ausschließt, daß uns aus den Schlacken häufig geläutertes edles Metall entgegenblinkt. Die Opfer des Krieges. XIV.*) Ernst Schulze. Am 2. d. Mts. ist der Buchhandlungsgehilfe Ernst Schulze, ein Sohn von unserm werthcn Kollegen G. E. Schulze hier, nach neunwöchentlichen Leiden an seiner am 2. December bei Villiers er haltenen Wunde im Lazareth zu Cöln verschieden. Miscellen. Leipzig, 4. Febr. Welchen Einfluß die Zeitereignisse auch auf den Autographenhandel üben, so schreibt die Dtsch. Allg. Zeitung, zeigte sich in eclatanter Weise bei einer dieser Tage in dem hiesigen Auctionsinstitut von List L Francke stattgehabten Auto- graphenauction (Collection Abrahams). Zwei eigenhändige Briefe des Grafen Bismarck wurden zu dem geradezu unerhörten Preise von 34 Thlrn. verkauft, während ein Brief seines oesterreichischen Collegen Neust zu dem bescheidenen Preise von l Thlr. 1 Ngr. weg ging. Ein kleines Albumblatt von Kronprinz Albert von Sachsen erzielte 7 Thlr., ein kleiner Brief von Roon 3 Thlr., während man für Hrn. v. Mühler nicht mehr als 11 Ngr-, für den oesterreichischen Gesandten und Minister v. Hübner nur — 1 Ngr. gab. — Hand schriften berühmter Dichter und Componisten brachten folgende Er löse: Lessing 22 Thlr. 1 Ngr., Schiller l 5 Thlr. 10 Ngr., Schiller's Frau 5 Thlr. 5 Ngr., H. v. Kleist 12Thlr. 29Ngr., Byron IITHlr. 5 Ngr., Rousseau 10 Thlr. 10 Ngr., Voltaire (mit einigen Zeilen von Struensee) 21 Thlr. 10 Ngr., Mozart 55 Thlr. 1 Ngr., Beethoven 23 Thlr., Weber 7 Thlr. 2 Ngr., Mendelssohn 5 Thlr. 5 Ngr. Personalnachrichten. Der Kaiser von Oesterreich hat Herrn Wilhelm Brau müller in Wien aus Anlaß seines 50jährigen Jubiläums als Buch händler in erneuter Anerkennung seiner Verdienste den Orden der Eisernen Krone dritter Classe taxfrei verliehen. ') XIII. S. Nr. 26
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