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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.12.1933
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- 1933-12-16
- Erscheinungsdatum
- 16.12.1933
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- Deutsch
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X; 292, 16. Dezember I93S. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ö-Dtschn. Buchhandel. peier Dörfler: „Versagt?" — „Tiefer schauen!" Jedem, der die Schuld an der übermäßigen Verbreitung volksfremden Schrifttums feinem Mittler, dem Bücherhändler zufchieben möchte, rufe ich zu: -Du mußt tiefer schauen! Es gibt da sehr Schuldige, aber noch mehr Unschuldige: Du mußt tiefer schauen!« Aber auch solchen, die glauben, das festgestellte übel sei im wesentlichen behoben, wenn man die Bolksfremden ausscheide und der Ausländerei und dem internationalen Snobismus Dämme errichte, rufe ich dieses Wort zu, denn die Ursache der Ursachen ist mit solchen Maßnahmen noch nicht getroffen. Tiefer schauen. Die Geister, gegen die unser heutiger nationaler Staat sich ausbäumt, haben ihre Ahnen in der Zeit der Renaissance, sie waren damals verwandt jenen Condottieri, die die Selbstherrlich keit auf ihre Fahnen schrieben und sich und nur sich dienten. Seit dem sind sie Masse geworden, entartet und als Künder eines sessel- losen Individualismus überall eingedrungen — Zeitgeist geworden. Nicht jeder war ihnen untertan, aber selbst solche, die glaubten gegen sic zu stehen — Politisch oder religiös oder sozial — waren ihnen bewußt oder unbewußt pflichtig. Ich war Zeuge, wie in einem Berliner Theater das Publikum aus der besten Gesell schaft dem Stück eines Radikalen, der alles, was gerade diesen Leuten heilig sein sollte, verhöhnte und zerriß, begeistert zujubelte. Das war mehr als Suggestion der Mode. Es war der Beweis für eine innere Verwandtschaft des nur dem äußeren Wesen nach gut bürgerlichen Publikums mit diesem Autor. Und nun übersetze man dieses Erlebnis in die stillen Bezirke der Buchläden! Was wird jenes Thcaterpublikum verlangt haben? Und welche Art Literatur kann überhaupt in der Leute Mund gekommen und gelesen worden sein? Wie sollte ein im geistigen Zigeunertum heimisches Publikum noch Geschmack finden können an Autoren, die irgendwo seßhaft, irgendwo daheim waren und Herd und Tempel verehrten? Das geistige Zigeunertum — ein mal hier herum schmecken, einmal dort, überall ein bißchen nip pen, nichts ernst nehmen, aber die alte Kultur, das Volkstum und was immer die Vorfahren geschassen hatten, beschmarotzern, — das war doch mehr und mehr unser sichtbarstes literarisches Le ben geworden. Der Buchhändler wurde geradezu gezwungen, das zu verkaufen, was allerdings gewisse andere mit Behagen anboten. Heinz Steguweit: „Laßt uns verzeihen!" Laßt uns verzeihen, wir können es uns heute leisten: Es stimmt, der Buchhändler war zumeist absoluter Geschäftsmann ge worden, der Ware kaufte und Ware verkaufte, und der alles lieferte, was man für bares Geld verlangte. Wir alle wissen: Im Jahrzehnt der Besessenheit war der deutschbewußte Schriftsteller nicht gängig, sein Name wurde auf der Maklerlafel mit Minus zeichen dekoriert, wen wundert's also, wenn der Buchhändler, sein eignes Leben zu erhalten, heftig seuchtwangern, zuckmayern und hasenclevern mochte? Seien wir deutsch und mithin gnädig und gütig: Wie viele Schupomänner haben SA.-Leute arretieren müs sen, obzwar das Herz ein andres Urteil sprach! Will sagen: Wie viele Buchhändler legten Johst, Blunck, Hitler, Jünger, Vesper oder auch mich nicht ins Fenster, weil die Scheibe bei keiner Glasversicherung angemeldet war! Wenn der nationale Schrift Nikolaus Schwarzkopf: Der Äuchhändler im „Hauptbuch der Nation". Meines Erachtens ist cs nicht klug, den Buchhändler aus dem Hauptbuch der Nation herauszunehmen, um ihn gesundbeten zu wollen. Er wird mit uns dem internationalen Moloch anheim- fallcn oder mit uns national gesunden. Wie könnte er davor be wahrt geblieben sein, ausschließlich zum Kaufmann zu werden, da der Apotheker zum Kaufmann wurde, der Arzt, der Rechtsanwalt, der Pfarrer, Sie, ich, Vaterland und Kirche! Und man darf nicht einmal sagen: zum Kaufmann, zum Geldmann muß man sagen. Wie sollte bei ihm das Scheckbuch nicht zu Bibel und Schwert werden, da es bei uns zu Bibel und Schwert wurde? Unsere 974 Wenn es aber so ist — und wenigstens Tribut haben auch Widerstrebende bezahlt —, dann müssen wir doch einsehen, daß es nicht genügt, einzelne Sündenböcke festzustellen oder in die Wüste zu jagen, auch nicht gewisse reglementierende Maßnahmen zu treffen. Denn das Problem einer Erneuerung ist ein gewaltiges, weil jene Geistesrichtung ein Strom geworden ist oder vielmehr Ströme und in tausend kleinen Rinnsalen sich durch Europa Beete gegraben hat. Nur neue reine Quellen werden sie ver drängen. Es bedarf also einer geistigen Erneuerung tief hinein und einer Erziehung zu den Idealen der Gemeinschaft, die alle kulturbildenden Kräfte der Vorzeit wieder anruft. Es wird flammende Ungeduld und zähe Geduld brauchen, um eine neue, glückliche Atmosphäre zu schaffen. Denn Atmosphäre und nicht der wilde Föhn und nicht die Sonne allein vermag jene Bedin gungen zu schaffen, die dem alten Boden durch die treue Vermitt lung der Gärtner und Landleute wieder seine Triebkräfte wecken. Ich zweifle nicht, daß der Buchhandel aufatmen wird, wenn er diesem neuen Leben Gärtner und Ackersmann sein darf. Wenn man aber — dies vorausgesetzt — reglementierende Maßnahmen ergreifen will, so müßte die erste sein, daß nicht jeder Friseur und Papierhändler Bücher verkaufen darf — so wenig wie jeder Beliebige Apotheker sein darf, denn Buchhändler und Apotheker haben gleich verantwortliche Geschäfte, Berufe, die zugleich Ämter sein müssen, und also Kenntnisse und eine ge hobene Bildung voraussetzen. Wer sich ein wenig in der Provinz umgesehen hat, wird oft mit hohem Staunen an stillen und bra ven Orten bei ahnungslosen Verkäufern die richtige Schundlite ratur gefunden haben. Warum also zögert man, den Betrieb eines für die seelische Hygiene des Volkes so wichtigen Geschäftes von einer Konzession abhängig zu machen? Schmerzlich war manchmal die Beobachtung, daß die Buch händler sich von einer kleinlichen Befangenheit gegenüber einem durchaus tendenziösen volkhaften Schrifttum nicht losmachen konnten. Während die »freie« Literatur, ich meine die wurzellose, fast ohne Schranken durch ganz Deutschland fluten konnte, gab es für weltanschaulich auf festem Grund stehende viele Schlagbäume. Diese müßten nun ganz gewiß ins Feuer. Wir müßten den Volks genossen gegenüber, die sich klar und charaktervoll zu ihrem Volke bekennen, die Bahn frei lassen. Doch nochmal: Die Ärzte müssen dem Urübel zu Leibe rücken, sonst kurieren sie Symptome, aber nicht die Krankheit. steiler heute wieder tief Atem holt, da er neuen Raum spürt, neues Echo und neue Liebe, so tut der zünftige Buchhändler dasselbe: Er darf ja wieder das sein, was über alles Berufliche hinaus seine tiefere Sendung ist: nämlich Kulturträger, Berater, belesener Weg weiser aller Lesenden! Es ist schon eine Erlösung für ihn, den Geist und mithin das von ihm gefüllte Buch nicht nur als Ware behandelt zu sehen. Möge er im neuen und erneuernden Deutsch land der beste Freund des Dichters werden. Weiß Gott, ich bin ein Ketzer, denn ich träume von einer Synthese zwischen Idealis mus und Praxis: Das gültigste, dichterischste und . . . deutscheste Buch soll eines Tages am liebsten und am meisten gekauft, vor allen Dingen am meisten gelesen werden. Dann ist allen geholfen. Dem Dichter und dem Händler, dem Drucker und... — was sag' ich? Dem Volk soll geholfen werden! Macht es sich den geistigen Wert eines guten Buches in hohen Auflagen zu eigen, wer hätte von uns noch Wünsche? — öffentliche Meinung — freilich: die Dirne unter den Meinungen — beschwatzte uns: so war es, so bleibt es! Wer bestimmte das ungeheure Angebot des Modebuches? Der Hunger des einzelnen? Das Vaterland? Die Kirche? Wir haben es erlebt, wie Welt anschauungszentralen, die nicht einmal in Deutschland saßen, An gebot und Nachfrage regelten, und heute sieht jeder klar, um was es ging: um die Vormachtstellung des internationalen Goldes. Ein Staat, der bestehen will, und der sauber bestehen will, muß als seine vorzüglichste Aufgabe ansehen: die Versührungskraft des Goldes zu überwachen, in seine Hand zu bekommen, um aus dem großen Teufel einen großen Gott zu machen. In einer Familie ist alles in Ordnung, wenn der Vater ein Kerl ist.
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